Samonellen können ihre Wirtszellen bereits mithilfe eines Protonengradienten infizieren

Aufnahme von Salmonellen mit angefärbten Flagellen. ©HZI / Marc Erhardt

Aufnahme von Salmonellen mit angefärbten Flagellen. ©HZI / Marc Erhardt

Salmonellen gehören zu den häufigsten Erregern von bakteriellen Magen-Darm-Entzündungen. Um den Menschen zu infizieren, setzen die Bakterien auf eine ausgeklügelte Strategie: Sie nähern sich der Wirtszelle, docken an und injizieren dann Signalstoffe, die es ihnen erlauben, in die Zelle einzudringen. Wissenschaftler konnten nun zeigen, wodurch die Freisetzung dieser Signalstoffe bei der Infektion ermöglicht wird.

Verunreinigte Eier, Süßspeisen und rohe Geflügelprodukte zählen zu den häufigsten Infektionsquellen von Salmonellosen. Sie verursachen schwere Darmentzündungen, die vor allem bei Kleinkindern und älteren Menschen sogar tödlich verlaufen können. Die Bakterien gelangen mit der Nahrung in den Körper und bewegen sich dort aktiv mithilfe ihrer rotierenden Geißel – auch Flagellum genannt – zu den Darmzellen hin. Dort angekommen, nutzen die Salmonellen den sogenannte Nadelkomplex, um den Wirt zu infizieren: Sie docken an die Zelle an und spritzen mit einer molekularen Nadel Signalstoffe in sie hinein, die es den Bakterien ermöglichen die Wirtszelle zu infizieren, von Immunsystem unerkannt in ihrem Inneren zu überleben und sich dort zu vermehren.

Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Nadelkomplexes von Salmonella typhimurium. Jede Nadel ist c.a. 70 nm lang. © Schraidt O, Lefebre MD, Brunner MJ, Schmied WH, Schmidt A, Radics J, Mechtler K, Galán JE, Marlovits TC. CC BY 2.5

Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Nadelkomplexes von Salmonella typhimurium. Jede Nadel ist c.a. 70 nm lang.
© Schraidt O, Lefebre MD, Brunner MJ, Schmied WH, Schmidt A, Radics J, Mechtler K, Galán JE, Marlovits TC. CC BY 2.5

Für die Injektion der Signalstoffe bedient sich das Bakterium des  sogenanntes Typ-III-Sekretionssystems. Er ist für den Aufbau des Nadelkomplexes und des Flagellums von zentraler Bedeutung. Bisher glaubte man, dass das Typ-III-Sekretionssystems die für seine Funktion notwendige Energie von der, an der Basis des Nadelkomplexes und Flagellums gebundene ATPase erhält. ATPasen sind Enzyme, die eine chemische Reaktion begünstigen, bei der Energie freigesetzt wird. Diese kann dann genutzt werden, um andere Reaktionen – wie hier die Freisetzung der Wirkstoffe – anzutreiben. „Wir konnten jetzt erstmals zeigen, dass das System auch funktioniert, wenn die ATPase nicht vorhanden ist“, sagt Marc Erhardt vom Hemholtz Zentrum für Infektionsforschung. „Wirklich notwendig scheint jedoch nur der Protonengradient zu sein, der ATPase kommt lediglich eine unterstützende Rolle zu“. Das Enzym steigert also die Effizienz des Systems, ist aber nicht unabdingbar für dessen Funktion.

Schematische Darstellung des Typ-III-Sekretionssystems des Nadelkomplexes von Salmonella typhimurium.  © Pixie. CC BY-SA 3.0.

Schematische Darstellung des Typ-III-Sekretionssystems des Nadelkomplexes von Salmonella typhimurium.
© Pixie. CC BY-SA 3.0.

Diese Erkenntnis hilft den Forschern dabei, die molekularen Mechanismen des Sekretionssystem besser zu verstehen. Das ist wichtig, weil außer Salmonellen auch noch eine Vielzahl anderer gram-negativer Bakterien das Typ-III-Sekretionssystems nutzt, um Wirtszellen zu infizieren. Ein molekulares Verständnis des Infektionsprozesses könnte es den Wissenschaftlern ermöglichen, diesen zukünftig gezielt zu manipulieren. „Damit stellt er einen guten Ansatzpunkt für neuartige Therapien gegenüber gram-negativen Bakterien dar“, sagt Erhardt.

Queerschnitt durch einen Nadelkomplex von Salmonella typhimurium. OR (outer ring) = äußerer Ring; IR (inner ring) = innerer Ring. Die schwarze Linie ist 10 nm lang. © Schraidt O, Lefebre MD, Brunner MJ, Schmied WH, Schmidt A, Radics J, Mechtler K, Galán JE, Marlovits TC. CC BY 2.5

Queerschnitt durch einen Nadelkomplex von Salmonella typhimurium. OR (outer ring) = äußerer Ring; IR (inner ring) = innerer Ring. Die schwarze Linie ist 10 nm lang.
© Schraidt O, Lefebre MD, Brunner MJ, Schmied WH, Schmidt A, Radics J, Mechtler K, Galán JE, Marlovits TC. CC BY 2.5

Doch die Entdeckung ist nicht nur aus medizinischer, sondern auch aus evolutionärer Sicht interessant. Schließlich dient das bakterielle Flagellum der “Intelligent Design”-Bewegung oft als Beispiel dafür, dass sich etwas so komplexes nicht alleine durch Evolution entwickelt haben kann. Die nun gewonnenen Erkenntnisse deuten jedoch darauf hin, dass sich die ATPase zu einem urtümlichen, Protonen-getriebenen Typ-III-Sekretionssystem hinzugefügt hat, um den Sekretionsprozess effizienter zu gestalten. Dies verschaffte den Bakterien einen Selektionsvorteil.  Das beweist, dass sich auch eine so komplexe Nanomaschine wie das Flagellum aus mehreren, weniger komplexen, unabhängig voneinander funktionsfähigen Untereinheiten entwickelt hat. Die neuen Erkenntnisse widersprechen somit den Ansichten der “Intelligent Design”-Bewegung, betont Erhardt.

Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung, 13.11.2014

 

Originalpublikation:

ATPase-independent type-III protein secretion in Salmonella enteric, Marc Erhardt, Max E. Mertens, Florian D. Fabiani, and Kelly T. Hughes, Plos Genetics, DOI: pgen.1004800.

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