Modifiziertes Vitamin A weckt Hoffnung auf Therapie der Makuladegeneration

© che. CC BY-SA 2.5.

© che. CC BY-SA 2.5.

Mehr als 100 Jahre nach ihrer Entdeckung wächst die Hoffnung auf eine Therapie gegen die so genannte Stargardt-Erkrankung – die häufigste Form der erblichen Makuladegeneration. In einem Mausmodellsystem für die Stargardt-Erkrankung ist es Forschern nun gelungen das Fortschreiten der Krankheit durch eine Gabe von modifiziertem Vitamin A zu verlangsamen.

Bei der Stargardt-Erkrankung sterben nach und nach die lichtempfindlichen Zellen der Netzhaut des Auges ab. Dadurch verschlechtert sich das Sehvermögen der Betroffenen oft bereits in ihrer Jugend so dramatisch, dass sie nicht mehr lesen können. Die Sehzellen in unseren Augen enthalten das lichtempfindliche Pigment Rhodopsin, das beim Auftreffen von Licht zerfällt. Dabei können Abfallprodukte entstehen, die im Wesentlichen aus Vitamin-A-Verbindungen bestehen. Vitamin A, das unter anderem in Leber oder auch in Gemüse wie etwa Karotten enthalten ist, ist ein zentraler Bestandteil des Rhodopsins.

Normalerweise werden die beim Sehprozess anfallenden Vitamin-A-Verbindungen durch ein Transport-Molekül aus den Sehzellen entfernt und wiederverwendet. Dabei ist Eile geboten: Denn die Verbindungen haben die Tendenz, sich zu Zweiergruppen, sogenannten bis-Retinoiden, zusammenzuschließen. In dieser Form können sie vom Körper nicht mehr normal abgebaut werden, sondern bilden das toxische Abfallprodukt Lipofuszin – einen Stoff, der auch beim normalen Altern zunehmend anfällt. Wenn sich aber Lipofuszin in hohen Mengen in der Netzhaut ansammelt, werden die Lichtsinneszellen geschädigt und sterben schließlich ab.

Genau das passiert bei der Stargardt-Erkrankung: Bei ihr ist das Transporter-Molekül durch eine genetische Veränderung nicht funktionsfähig. In der Folge sammeln sich vermehrt bis-Retinoide an. Dadurch lagert sich ständig Lipofuszin in der Netzhaut ab – ein Prozess, der oft schon in jungen Jahren zu schweren Augenschäden führt. Nach Schätzungen ist rund eine von 10.000 Personen betroffen. Eine Therapie gegen die Erbkrankheit gibt es bisher nicht.

Modifiziertes Vitamin A könnte den Mangel des Transporter-Proteins beheben

Die Ergebnisse eines internationalen Forscherteams machen nun jedoch Hoffnung. Die Forscher untersuchten Mäuse mit einer Mutation in demselben Gen, das auch bei Patienten mit der Stargardt-Erkrankung verändert ist. Sie verabreichten einigen Tieren modifiziertes Vitamin A. Darin wurden bestimmte Wasserstoff-Atome durch Deuterium ersetzt. Deuterium ist ein Wasserstoff-Isotop: Es hat sehr ähnliche chemischen Eigenschaften wie normaler Wasserstoff, ist aber etwas schwerer.

Dieser Unterschied hat einen positiven Nebeneffekt: Das modifizierte Vitamin A und seine Verbindungen sind längst nicht so reaktionsfreudig wie das normale Vitamin und bilden kaum bis-Retinoide. „Wir konnten zeigen, dass sich bei der behandelten Mäusegruppe weniger Lipofuszin anhäufte“, erklärt Peter Charbel Issa. „Die Netzhautveränderungen der Mäuse, die sehr denen bei menschlichen Stargardt-Patienten ähneln, konnten so stark vermindert werden.“ Der Augenarzt und Stargardt-Experte ist inzwischen von der Universität Oxford an die Universitäts-Augenklinik in Bonn gewechselt; er hat hier eine Stiftungsprofessur der Patienten-Selbsthilfegruppe Pro Retina inne. Auch sein Kollege Robert MacLaren von der Universität Oxford sieht in seiner Klinik regelmäßig junge Patienten mit Stargardt-Erkrankung. „Das Ergebnis, dass ein einfacher Nahrungsmittelzusatz ihnen möglicherweise helfen kann, ist sehr vielversprechend“, sagt er. Negative Effekte des schweren Vitamins konnten die Forscher in den behandelten Tieren nicht beobachten.

Therapie könnte auch für Altersbedingte Makuladegeneration geeignet sein

Das an der Columbia Universität in New York von Ilyas Washington entwickelte deuterierte Vitamin A wird bereits klinisch bei Patienten mit Stargardt-Erkrankung getestet. Die Ergebnisse könnten auch für eine andere Patientengruppe relevant werden: Auch bei altersbedingten Makuladegeneration (AMD) – der häufigsten Erblindungsursache in Deutschland und anderen westlichen Ländern – sammelt sich Lipofuszin in der Netzhaut an. Modifiziertes Vitamin A könnte für sie ebenfalls neue Hoffnung bedeuten. Charbel Issa mahnt jedoch zur Geduld: „Noch steht der Beweis aus, dass deuteriertes Vitamin A Menschen mit degenerativen Netzhaut-Erkrankungen helfen kann.“

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 24.06.2015

 

Originalpublikation:

Peter Charbel Issa, Alun R. Barnard, Philipp Herrmann, Ilyas Washington, Robert E. MacLaren: Rescue of the Stargardt phenotype in Abca4 knockout mice through inhibition of vitamin A dimerization; DOI: 10.1073/pnas.1506960112

Kommentare sind geschlossen.