Übergewicht stellt eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen unserer modernen Gesellschaft dar. Sind doch in Deutschland bereits mehr als die Hälfte der Erwachsenen übergewichtig und ein viertel davon sogar fettleibig. Und inzwischen macht das Problem nicht einmal mehr vor den Kindern halt. Grund für die geradezu epidemischen Ausmaße der übermäßigen Pfunde ist unser zunehmender Konsum von Nahrungsmitteln, die den Blutzuckerspiegel kurzfristig stark in die Höhe treiben, aber langfristig kein Sättigungsgefühl vermitteln. Dadurch werden wir dazu verleitet mehr Kalorien zu uns zu nehmen, als wir täglich verbrauchen. Hinzu kommt eine Abnahme an körperlicher Aktivität, die jedoch für den Anstieg des Körpergewichts eine geringere Rolle spielt, als bisher angenommen. Denn Untersuchungen an einem Volk, das noch heute als Jäger und Sammler in Tansania lebt ergaben, dass diese Menschen ähnlich viel Energie verbrauchen wie wir.
Laut Robert Koch Institut sind in Deutschland 67% der Männer und 53% der Frauen übergewichtig. Rund ein Viertel der Erwachsenen sind sogar adipös, also fettleibig. In anderen Industrienationen sieht es nicht viel besser aus. Der zunehmende Konsum von Fast Food in asiatischen Ländern lässt auch bei den ursprünglich schlanken Asiaten die Speckpölsterchen wachsen. Bisher glaubte man, dies hänge vor allem damit zusammen, dass sich die modernen Menschen viel weniger bewegen, als noch ihre meist schlankeren Großeltern. Deshalb wird Übergewichtigen die abnehmen wollen meist geraten sich möglichst intensiv zu bewegen, um die überflüssigen Pfunde durch Sport quasi zu verbrennen. Manch ein Betroffener musste jedoch frustriert feststellen, dass nach den anfänglichen Erfolgen die Gewichtsabnahme immer weiter zurück ging. Wie lässt sich dieser Effekt erklären?
Energieverbrauch von Jägern und Sammlern nicht größer als bei uns
Unser Körper ist darauf optimiert auch bei täglich längeren Märschen, wie sie etwa Jäger und Sammler in Tansania zurücklegen müssen, um Beute zu machen und Wurzeln zu sammeln, möglichst wenige Energie zu verbrauchen. Das fanden Forscher heraus, die den Energiebedarf von Stammesmitgliedern der Hadza ermittelten. Bei diesem noch als Jäger und Sammler lebenden Volk verbrauchen die Männer im Schnitt täglich rund 2600 Kilokalorien und die Frauen 1900. Das ist ungefähr genauso viel, wie wir Menschen in den Industrienationen verbrauchen: 2500 Kilokalorien für normalgewichtige Männer und 2000 für Frauen. Das gleiche paradoxe Phänomen lieferte ein Vergleich zwischen dem Energiebedarf von im Zoo lebenden Tieren mit deren freilebenden Artgenossen. Auch hier unterschied sich der Energiebedarf nicht signifikant. Doch wie kann das sein? Die Forscher erklären sich dieses Phänomen damit, dass wir alleine zwei Drittel des Gesamtenergiebedarfs dafür aufwenden, um die Grundfunktionen des Körpers aufrecht zu erhalten. Doch dazu gehören nicht die Muskeln, sondern etwa unser Gehirn, die Schlagleistung unseres stetig aktiven Herzens und die Nierenfunktion, sowie andere Grundfunktionen unseres Körpers. Das letzte Drittel wird für die körperliche Aktivität eingesetzt. Beginnt ein untrainierter Mensch mit einem Fitnessprogramm, so verliert er zunächst mehr Energie als zuvor und nimmt etwas ab. Mit zunehmendem Training passt der Körper sich jedoch den neuen Herausforderungen an und sorgt dafür, dass er für die zu erbringende Leistung weniger Energie aufwenden muss. Er spart dann bei anderen Körperfunktionen, wie etwa bei der Hormonproduktion, Immunreaktionen oder geistigen Aktivitäten. Dieser Effekt ist ein Grund dafür, warum Sport sich so positiv auf unsere Gesundheit auswirkt. Er entzieht dem Körper quasi die Energie für potentiell krankmachende Aktivitäten, wie Autoimmunreaktionen, Wachstum von Krebszellen oder sorgenvolle Gedanken.
Wenn also die körperliche Aktivität nicht den Unterschied macht, was ist es dann? Wenn wir an die Essgewohnheiten etwa unserer noch recht schlanken Großeltern denken, dann war Nahrung zum einen meist ziemlich begrenzt. Denn um die meist noch großen Familien satt zu bekommen musste die wenige Nahrung gerecht geteilt und rationiert werden. Und zum anderen haben unsere Großeltern ganz andere Speisen zu sich genommen, als wir das meist heute tun: Damals gab es nicht Fast Food, Pommes Frites, fettes Fleisch und Süßigkeiten im Übermaß, sondern viel Gemüse und Obst, sowie Vollkornprodukte und ab und an Fleisch. Diese Nahrung führt zum einen zu einer besseren Sättigung und zum anderen sorgen Vollkornprodukte dafür, dass wir nicht alle Nährstoffe optimal aufschließen können. Das gilt auch allgemein für viele natürlichen Lebensmittel: Sind sie jedoch industriell aufgearbeitet, wie etwa Mandelbutter so können wir daraus ein Drittel mehr Energie gewinnen, als aus den wesentlich schwerer zu verdauenden Mandeln selbst.
Abnehmen durch konsequente Ernährungsumstellung ohne zu Hungern
Forscher teilten Probanden in zwei verschiedene Gruppen auf und ließen die Testgruppe ballaststoff- und proteinreiche Nahrung zu sich nehmen und solche, die nur für einen geringen Anstieg des Blutzuckerspiegels sorgt. Das heißt die Nahrung hatte einen niedrigen glykämischen Index. Auf ihrem Speiseplan standen etwa Fisch, Bohnen Äpfel, Gemüse, Hähnchenfleisch und Vollkronprodukte. Die Kontrollgruppe sollte weiterhin das essen, was sie bisher verzehrt hatte. Die Probanden der Testgruppe verspürten im Laufe der sechsmonatigen Laufzeit des Versuches immer weniger Hunger. Auch nahmen sie binnen dieses halben Jahres im Schnitt 8 Kilo ab, während die Mitglieder der Kontrollgruppe etwa 0.9 Kilo zunahmen. Da die Testgruppe immer seltener von Heißhungerattaken heimgesucht wurde vermuteten die Forscher, dass die veränderten Essgewohnheiten sich in einer modifizierten Hirnaktivität niedergeschlagen hatten. Dies überprüften sie mit Hilfe von Magnetresonanztomographie. So konnten die Forscher sehen, was im Gehirn der Probanden passierte, wenn ihnen Bilder von verschiedenen Lebensmitteln vorgeführt wurden. Und tatsächlich: Im Laufe des Versuchs reagierten die Testpersonen immer mehr auf gesunde Ernährung, wie etwa Hähnchenfleisch, Vollkornprodukte und Gemüse, während sie ungesunde Dickmacher, wie Pommes frites, Brathähnchen und Süßigkeiten zunehmend kalt ließen. Man kann also sehr wohl durch eine konsequente Umstellung der eigenen Ernährung abnehmen und aufgrund der langfristigen Umstellung später auch sein Gewicht halten, ganz ohne Jojo-Effekt. Und bei der Aufrechterhaltung des gesunden Körpergewichts kann der Sport wieder eine wichtige Rolle spielen.
Zunehmen vollzieht sich meist als schleichender Prozess
Einer der Gründe, warum viele von uns mit der Zeit immer mehr zunehemen liegt aber auch daran, dass dieser Effekt ein schleichender Prozess ist und wir ihn deshalb anfangs gerne zu ignorieren versuchen. Denn bereits wenn wir 50 bis 100 Kilokalorien pro Tag mehr essen, als wir verbrauchen summiert sich dies binnen eines Jahres auf ein bis drei Kilogramm. Innerhalb von zehn Jahren sind das dann gleich 30 Kilo Übergewicht. Und das wegen ein bis zwei Kekesen, die man pro Tag zu viel gegessen hat. Ob sich die gelohnt haben?
Hinzu kommt, dass wir mit zunehmendem Alter immer weniger Kalorien verbrauchen. Isst man also mit 50 Jahren immer noch so viel, wie man etwa als Teenager oder junger Erwachsener vertilgt hat, so führt dies zwangsläufig zu überschüssigen Fettpölsterchen. Da empfiehlt es sich ein oder zweimal pro Woche mittags eine kleine Portion zu essen und auch beispielsweise einen Teil der Kohlenhydrate auf dem Teller übrig zu lassen. Klar wurde uns beigrbracht, keine Lebensmittel zu verschwenden und aufzuessen, was auf unserem Teller ist. Doch viele von uns essen inzwischen in der Kantine, wo man nicht so leicht bestimmen kann, wie große die Portionen sind. Und wenn wir dick werden hilft das auch keinem hungernden Menschen in einer anderen Region der Welt. Unser Körper wird es und danken. Und wir fühlen uns dann auch langfristig besser.
Beim Bundeszentrum für Ernährung gibt es eine kostenlose App und Informationen zur Ernährungspyramide. Mit der App kann man kontrollieren, ob man sich entsprechend dern Empfehlungen ernährt..
von Ute Keck, 10. November 2017
Originalpublikationen:
Susan B. Roberts, Sai Krupa Das. Was unser Körpergewicht bestimmt. Spektrum der Wissenschaften, 11. 2017.