Viele syrische Flüchtlingskinder sind krank

© Yannis Vasilis Yaylali. CC BY-SA 4.0.

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Mehr als ein Drittel der syrischen Flüchtlingskinder in Deutschland leidet unter einer psychischen Störung, die große Mehrzahl hat eine körperliche Krankheit. Dies zeigt eine Untersuchung von Medizinern der Technischen Universität München (TUM) in einer bayerischen Erstaufnahmeeinrichtung. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass weitere Kinder eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln werden – auch aufgrund ihrer aktuellen Situation. Die Studie wird am 5. September auf einer öffentlichen Sitzung der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin in München vorgestellt.

Die Mediziner um Prof. Volker Mall, Lehrstuhl für Sozialpädiatrie, und Prof. Peter Henningsen, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des TUM-Klinikums rechts der Isar, haben in einer repräsentativen Stichprobe rund 100 syrische Kinder und Jugendliche in der Erstaufnahmeeinrichtung „Bayernkaserne“ in München untersucht. Die Jugendlichen waren maximal 14 Jahre alt.

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Belastungsstörungen, emotionalen Störungen wie auch körperlichen Erkrankungen war auffällig hoch. Rund 22 Prozent litten unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), 16 Prozent unter einer Anpassungsstörung. Bei einer PTBS zeigen Kinder Verhaltensauffälligkeiten und Aufmerksamkeitsstörungen, zum Beispiel in der Schule. Es kann zu Schlafstörungen und vermehrtem Einnässen kommen.

63 Prozent der untersuchten Kinder und Jugendlichen hatten Karies, 25 Prozent Erkrankungen der Atemwege, 11 Prozent infektiöse oder parasitäre Erkrankungen. Bei 42 Prozent fehlten Impfungen. Jedes zehnte Kind musste akut behandelt werden.

Die meisten Kinder fühlen sich in Deutschland sozial isoliert

Die Wissenschaftler sehen eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass weitere der untersuchten Kinder eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickeln werden. Sowohl Kriegserfahrungen und Flucht gelten als erhebliche Risikofaktoren, wobei es auch auf deren Umstände ankommt. 60 Prozent der Untersuchten waren länger als 10 Monate auf der Flucht. „Die Dauer der Einwirkung eines Traumas trägt wesentlich zur Schwere einer Belastungsstörung bei“, sagt Prof. Volker Mall.

Ein weiteres hohes Risiko sind anhaltende psychosoziale Belastungen wie ein unklarer Aufenthaltsstatus, die Trennung von Bezugspersonen, Gewalterfahrung und Diskriminierung. Rund 59 Prozent der Kinder und Jugendlichen fühlen sich im Erstaufnahmelager sozial isoliert, 25 Prozent berichteten von Diskriminierungen. „Eine Willkommenskultur hat deshalb eine präventive Wirkung für die Entwicklung von Traumafolgestörungen“, sagt Mall.

Der Sozialpädiater Mall macht deutlich: „Auf das Gesundheitssystem beziehungsweise die gesamte Gesellschaft kommen neue Herausforderungen zu, die ohne neue Versorgungsstrukturen und ohne neue Finanz- und Forschungsmittel in Zukunft nicht geschultert werden können.“

Die vom gemeinnützigen Verein „Kinder im Zentrum – Für Kinder e.V.“ geförderte Studie wird auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) vorgestellt, deren Kongresspräsident Prof. Volker Mall ist. Die Tagung findet im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) statt.

Technische Universität München, 01.09.2015

Termin:
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin
Öffentliche Sitzung „Migration Flüchtlinge II“
Samstag, 5. September 2015
13.30 – 15.30 Uhr
ICM – Internationales Congress Center München, Saal 01
Messegelände
81823 München

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