Durch ständige Unterbrechungen zum Digitalen Burnout

Smartphone © Illythr. CC BY-SA 3.0

Smartphone © Illythr. CC BY-SA 3.0

Smartphones machen abhängig, unproduktiv und unglücklich: Das ist das Fazit von Alexander Markowetz, Forscher der Universität Bonn. Der Juniorprofessor für Informatik hat mit Hilfe einer App die Handy-Nutzung von 60.000 Personen ausgewertet. In seinem Buch “Digitaler Burnout”, das im Droemer Knaur-Verlag erscheint, erklärt der Forscher die Zusammenhänge und beschreibt die dramatischen Folgen für unser Privatleben und die Arbeitswelt.

Rund 300.000 Personen haben mittlerweile die App “Menthal” heruntergeladen, die im vorigen Jahr von Informatikern und Psychologen der Universität Bonn zu Forschungszwecken entwickelt wurde. Die App zeichnet die Smartphone-Nutzung auf und übermittelt die Daten anonymisiert an die Server der Forscher.

Die 60.000 Datensätze, die bisher ausgewertet wurden, zeichnen ein erschreckendes Bild: Im Durchschnitt benutzten die Besitzer 53 Mal am Tag ihr Handy. Dazu unterbrechen sie alle 18 Minuten die Tätigkeit, mit der sie gerade beschäftigt sind. „Smartphone-Apps funktionieren wie Glücksspielautomaten. Wir betätigen sie immer wieder, um uns einen kleinen Kick zu holen”, sagt Alexander Markowetz, Juniorprofessor für Informatik an der Universität Bonn und Autor des Buches “Digitaler Burnout”, das im Oktober erscheint.

Der Preis der ständigen Unterbrechungen

Das Verhalten beschränkt sich nicht nur auf die technikaffine Jugend, sondern zieht sich durch alle Altersgruppen und soziale Schichten. „Wir erleben die Entstehung des Homo digitalis, der einen Großteil seiner Tätigkeiten mittels digitaler Medien abwickelt“, sagt Markowetz. „Ein Großteil der Zeit verbringen die Menschen mit Social Media-Anwendungen wie Facebook, WhatsApp und Spielen.“

Dramatisch wirken sich dabei vor allem die ständigen Unterbrechungen aus. Sie verhindern, dass wir ganz in einer Tätigkeit aufgehen und machen damit jegliches Flow-Erlebnis zunichte. Die Folgen seien Unproduktivität und ein mangelndes Glücksgefühl.

Doch vor allem Jugendliche sind extrem auf ihr Handy fixiert. Die 17- bis 25-jährigen Teilnehmer der Studie nutzten ihr Smartphone noch häufiger – insgesamt drei Stunden am Tag. Und das, obwohl ihre meiste Zeit bereits von Schule oder Ausbildung ausgefüllt ist.

Konzerne verstärken den Trend bei ihren Mitarbeitern

Auch die Wirtschaft habe noch nicht erkannt, was da auf sie zukomme. „Derzeit reagieren viele Unternehmen mit ungeeigneten Maßnahmen”, sagt Markowetz. Zahlreiche Konzerne würden dem Zeitgeist folgen und ihre Mitarbeiter mit Tablets und Smartphones versorgen. Damit wollten sie ihnen eine völlige Flexibilität ermöglichen, was jedoch die Abhängigkeit und Burnout-Gefahr nur noch steigere. Der Produktivitätsverlust sei immens, und die Krankheitswelle werde sie teuer zu stehen kommen.

Andere Unternehmen würden zwar abends die berufliche Smartphone-Nutzung unterbinden – etwa indem sie Email-Server abstellten. Dies führe aber am eigentlichen Problem vorbei, so Markowetz. „Entscheidend sind die ständigen Unterbrechungen im Arbeitsalltag und weniger die abendliche E-Mail.”

Digitale Diät kann helfen

Es geht Markowetz nicht darum, Smartphones abzuschaffen oder zu verteufeln. „In einem ersten Schritt haben wir die Geräte geschaffen, in einem zweiten müssen wir uns nun gesunde Umgangsformen angewöhnen“, so der Forscher. Während es etwa in Fragen der Ernährung eine riesige Auswahl an Diäten gebe, seien zum Umgang mit dem Internet so gut wie keine praktischen Hilfen vorhanden. Aufklärungskampagnen, Forschungsprojekte oder politische Initiativen seien bisher Mangelware.

Einen Ausweg zeigen erste Vorreiter aus den USA. Dort seien es genau die digitalen Eliten, die nun anfingen, sich digitale Diäten aufzuerlegen. „Die permanente Smartphone-Nutzung ist ein unterbewusster Reflex”, sagt Markowetz. Die Automatismen könne man durch konkrete Techniken loswerden. Etwa, indem man das Schlafzimmer zur Handy-freien Zone erkläre oder die Regel aufstelle, das Smartphone nur auf einem unbequemen Küchenschemel zu nutzen.

Doch der Mensch ist nicht alleine auf der Welt, und nicht alle Unterbrechungen sind selbstverschuldet. Daher, so Markowetz, müssten wir beginnen, in unserer Kommunikation gegenseitig Rücksicht aufeinander zu nehmen und uns eine neue Kommunikationsetikette auferlegen. Und beide Kulturtechniken, Diäten wie Etikette, müssten bereits in der Schule vermittelt werden.

Die Smartphone-Nutzung sei nicht das Ende der Entwicklung, sondern erst der Anfang. Schon jetzt werde das Internet in Spielzeug, Brillen und Uhren integriert. Markowetz: „Wir brauchen dringend eine gesellschaftliche Debatte und einen interdisziplinären Austausch in der Wissenschaft, um zu verstehen, was die Digitalisierung mit unseren Psychen macht.”

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 24.09.2015

 

Publikation:

Alexander Markowetz: Digitaler Burnout, Droemer Knaur, Oktober 2015, 288 S., 19,99 Euro

Kommentare sind geschlossen.