Die Diagnose von mehreren Ärzten kann wesentlich zuverlässiger sein, als die eines einzelnen Arztes. Doch dazu müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Forscher haben nun untersucht, wie sich die Fähigkeiten der einzelnen Ärzte auf das Gesamtergebnis auswirkt.
Ärztliche Entscheidungen können optimiert werden, indem mehrere unabhängige Meinungen zusammengeführt werden. Das konnte ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei anhand von Haut- und Brustkrebsdiagnosen bereits zeigen. In einer Folgestudie untersuchten die Forscher nun, welchen Einfluss die Diagnosegenauigkeit der einzelnen Ärzte auf das kollektive Ergebnis hat. „Kollektive Intelligenz ist ein vielversprechender Ansatz, um bessere Entscheidungen zu treffen. Wir haben untersucht, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Gruppe erfolgreicher ist als der beste Einzelne in der Gruppe“, sagt Ralf Kurvers vom Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.
Wie die Forscher herausfanden müssen sich die Ärzte in ihrer Diagnosegenauigkeit ähneln. Nur so können die kombinierten Entscheidungen mehrerer Ärzte die Entscheidung des besten Arztes der Gruppe übertreffen. Ist die Diagnosegenauigkeit der Ärzte dagegen zu unterschiedlich, funktioniert dies nicht mehr. Der Effekt tritt auch bei verschiedenen Gruppengrößen oder unterschiedlichen Leistungsniveaus des besten Arztes innerhalb der Gruppe auf. „Es ist nicht so, dass Gruppen immer zu besseren Entscheidungen gelangen. Sind die individuellen Fähigkeiten innerhalb der Gruppe zu unterschiedlich, sollte man der Diagnose des besten Arztes innerhalb der Gruppe vertrauen“, so Ralf Kurvers.
Für ihre Studie werteten die Forscher zwei bereits vorhandene, große Datensätze von zwei früheren Studien zur Brust- und Hautkrebsdiagnose aus. Sie umfasst über 20.000 Bewertungen von mehr als 140 Ärzten, aus denen sie die Diagnosegenauigkeit der einzelnen Ärzte berechnen konnten. Mit diesen Informationen simulierten sie, unter welchen Bedingungen die mittels Regeln der kollektiven Intelligenz kombinierten Diagnosen treffsicherer sind als Einzeldiagnosen. Angewendet wurden dabei die Konfidenz- und die Mehrheitsregel. Während bei der Konfidenzregel pro Fall die Diagnose desjenigen Arztes gilt, der sich seiner Einschätzung am sichersten ist, gilt bei der Mehrheitsregel pro Fall diejenige Diagnose, welche am häufigsten von den Ärzten genannt wurde.
„Das Studienergebnis ist ein weiterer wichtiger Baustein zum Verständnis, wie kollektive Intelligenz entstehen kann“, sagt Mitautor der Studie Max Wolf, der am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei über das Auftreten von kollektiver Intelligenz in der Natur forscht. Das Ergebnis zeigt, welche Rolle die Diagnosegenauigkeit der einzelnen Entscheider für das Gesamtergebnis hat. Dies sollte auch in der Praxis berücksichtigt werden – beispielsweise bei der unabhängigen Doppelbefundung einer Mammografie-Aufnahme durch zwei Ärzte. Zukünftig möchten die Wissenschaftler herausfinden, welche Informationen in der Praxis notwendig sind, um möglichst schnell etwas über die Diagnosegenauigkeit eines Arztes herauszufinden.
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, 18. Juli 2016
Originalpublikationen:
Kurvers, R. H. J. M., Herzog, S. M., Hertwig, R., Krause, J., Carney, P. A., Bogart, A., Argenziano, G., Zalaudek, I., & Wolf, M. (2016). Boosting medical diagnostics by pooling independent judgments. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Advance online publication. doi: 10.1073/pnas.1601827113
Kurvers, R. H. J. M, Krause, J., Argenziano, G., Zalaudek, I., & Wolf, M. (2015). Detection accuracy of collective intelligence assessments for skin cancer diagnosis. JAMA Dermatology, 151(12), 1– 8. doi: 10.1001/jamadermatol.2015.3149