Das kleine Wunder der Flunder

Die symmetrische Larve, kurz bevor die Metamorphose startet … © Songlin Chen.

Die symmetrische Larve, kurz bevor die Metamorphose startet … © Songlin Chen.

Aufgrund ihrer ungewöhnlichen Symmetrie geben Flundern der Wissenschaft seit Jahrhunderten Rätsel auf. Durch den Vergleich zweier entfernt verwandter Fischarten haben Forscher nun einen Mechanismus entdeckt, der die Entwicklung von der seitengleichen Larve zum Plattfisch erklärt.

Flundern gehören zu den kleinen „Wundern“ der Natur. Sie beginnen ihr Leben als seitensymmetrische Larve, die sich in einem späteren Entwicklungsstadium Schritt für Schritt in einen Plattfisch umwandelt, dessen Augen auf der Oberseite liegen.

Sobald der Jungfisch vom offenen Wasser zum Meeresboden wechselt durchläuft er eine weitere Verwandlung: Seine dem Meeresboden zugewandte Körperseite verliert die Pigmentierung. Bei diesem gesamten Prozess kommt es zu einem radikalen Umbau im Körper des Fisches, sowie einer Änderung seines Verhaltens.

.. und zu Beginn der Metamorphose, in der ein Auge auf die andere Körperhälfte wandert. © Songlin Chen

.. und zu Beginn der Metamorphose, in der ein Auge auf die andere Körperhälfte wandert. © Songlin Chen

Entwicklung der Flunder gab vielen Forschergenerationen Rätsel auf

Seit Charles Darwin rätseln Forscher, wie sich die Flunder im Laufe der Evolution entwickelt hat. Nun ist es einem internationalen Forscherteam um Manfred Schartl an der Universität Würzburg gemeinsam mit chinesischen Kollegen gelungen, die entscheidenden Mechanismen für diese Metamorphose aufzudecken.

Zwei Hauptakteure identifiziert

Um zu klären, was die Metamorphose der Flunder bewirkt, entschlüsselten die Forscher das Erbgut der Japanischen Flunder (Paralichthys olivaceus) und das einer entfernten Verwandten, der Chinesischen Seezunge (Cynoglossus semilaevis). Durch einen Vergleich der beiden Genome entdeckten die Forscher die genetischen Grundlagen für den radikalen Körperumbau.

Dabei konzentrierten sich die Forscher auf die Gene, die während der Metamorphose aktiv sind. Einer der beiden zentralen Akteure ist die Retinsäure. Sie sorgt für eine Veränderungen der Hautpigmentierung. Darüber hinaus wirkt sie auf das Schilddrüsenhormon, das die beiden Augen dazu veranlasst auf eine Körperhälfte zu wandern.

Doch auch Licht spielt bei dieser Umwandlung eine wichtige Rolle. Denn die gleichen Pigmente, die im Auge des Fisches Licht einfangen sind auch in der Haut der Flunderlarve aktiv. Sie nehmen Helligkeitsunterschiede in der Haut wahr und verändern daraufhin die Konzentration der Retinsäure. Das wiederum wirkt auf das Schilddrüsenhormon und leitet die Veränderung der Symmetrie ein.

Das Genom der japanischen Flunder (Paralichthys olivaceus) ermöglicht Rückschlüsse auf die Evolution der Plattfische. © Songlin Chen

Das Genom der japanischen Flunder (Paralichthys olivaceus) ermöglicht Rückschlüsse auf die Evolution der Plattfische. © Songlin Chen

Forschung im Auftrag der Fischwirtschaft

An der Studie waren auch zahlreiche chinesische Forscher beteiligt. Da Flundern eine begehrte Delikatesse sind und dementsprechende Preise erzielen wurde die Forschung auch vom chinesischen Landwirtschaftsministerium gefördert. Um die wachsende Nachfrage zu bedienen gibt es in China riesige Fischfarmen, die mehr als die Hälfte der weltweiten Zuchtfisch-Produktion liefern.

Doch bei der Aufzucht von Flundern in Aquakulturen kommt es nicht selten zu Problemen. Denn unter diesen Bedingungen verläuft die Metamorphose oft nur fehlerhaft. Das kann zu Verlusten von mehreren Millionen Euro führen.

Damit löst das Verständnis für das kleine Wunder von der Umwandlung der Flunder nicht nur das Rätsel der Evolution dieser ungewöhnlichen Tiere. Vielmehr kann es auch dabei helfen diese Tiere erfolgreicher zu züchten, damit ihre bedrohten Wildbestände besser geschützt werden können.

Universität Würzburg, 05. Dezember 2016

Originalpublikation:

The genome and transcriptome of Japanese flounder provide insights into flatfish asymmetry. Nature Genetics, published online on December 5, 2016. doi:10.1038/ng.3732

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