Mütterlicher Stress beschleunigt Lebenszyklus von Affenjungen

Assam-Makake © public domain. Wikimedia Commons.

Assam-Makake © public domain. Wikimedia Commons.

Die Jungen von durch Nahrungsknappheit gestressten Makaken-Müttern wachsen schneller, als ihre Altersgenossen. Doch dafür entwickeln sich ihre motorischen Fähigkeiten langsamer und auch ihr Immunsystem scheint weniger abwehrfähig zu sein. Zu dieser Erkenntnis kamen Forscher indem sie Affenmütter während ihrer Schwangerschaft in freier Wildbahn folgten und anschließend beobachteten, wie sich ihr Nachwuchs in den ersten anderthalb Lebensjahren entwickelte. 

Seit langem weiß man, dass sich mütterlicher Stress langfristig auf ihre Kinder auswirkt. Doch Mediziner und Biologen sind noch uneins darüber, ob diese mütterliche Einflussnahme pathologisch ist, oder ob es sich dabei eher um einen evolutionären Anpassungsmechanismus handelt. Aber können Mütter ihren Nachwuchs durch epigenetische Veränderungen so umprogrammieren, dass er an die vorliegenden Umweltbedingungen besser angepasst ist?

Untersuchungen an kurzlebigen Säugetieren, wie Ratten bestätigen diese Hypothese. Doch bei ihnen verändert sich die Umwelt, aufgrund ihrer kurzen Lebensdauer, von einer Generation zur nächsten kaum. Ob dieser Effekt auch bei langlebigen, höheren Säugetieren auftritt wollte ein Forscherteam um Julia Ostner am Deutschen Primatenzentrum wissen. Dazu untersuchten sie zum einen die Fruchterträge der wichtigsten Nahrungsbäume von im nordöstlichen Bergwald Thailands frei lebenden Assam-Makaken. Aus dem  Kot der Affenmütter ermittelten sie deren Hormonspiegel und erfassten so, wie sehr die Tiere durch einen Futtermangel gestresst waren. Mit Hilfe von vielen hundert Fotos der jungen Makaken erstellten sie Wachstumskurven der Tiere. Laut den Forschern trat der Stresseffekt in der Schwangerschaft auch bei den langlebigen Affen zutage. Der durch den natürlich vorkommenden Nahrungsmangel hervorgerufene physiologische Stress führte bei den jungen Makaken zu einem beschleunigten Wachstum.

Andreas Berghänel, der Erstautor der Arbeit, erklärt: „Eine verkürzte Lebenserwartung durch vorgeburtliche Entwicklungsstörungen führt hier zu einem beschleunigten Lebenszyklus. Der Nachwuchs wächst schneller und wird schneller geschlechtsreif, um selbst früher und schneller Nachwuchs zu erzeugen.“ Ähnliche Phänomene treten auch beim Menschen auf: Junge Menschen, die unter einer gestörten Frühentwicklung litten werden oft früher geschlechtsreif. Julia Ostner, die Leiterin des Feldprojektes, ist dennoch überrascht: „Die Beschleunigung des Lebenszyklus ist erstaunlich. Wir hatten eher damit gerechnet, dass die schlechten Bedingungen während der Tragzeit ausschließlich negative Folgen für die Jungen haben.“

Tatsächlich ist das schnellere Wachstum nur eine der Folgen des knappen Nahrungsangebots und des daraus resultierenden erhöhten Glucocorticoidspiegels: Denn die betroffenen Jungtiere litten auch unter einer verzögerten motorischen Entwicklung. Sie lernten später als ihre Altersgenossen, einbeinig an einem Ast zu baumeln, rückwärts zu hüpfen oder im Kronendach des Waldes mindestens fünf Meter weit zu springen. Und auch ihr Immunsystem scheint durch den Stress ihrer Mütter beeinträchtigt worden zu sein: Als unter den Affen eine Bindehautentzündung ausbrach, waren deren äußerliche Zeichen bei den Jungen am längsten zu sehen, bei deren Müttern die Schwangerschaft am stressigsten war.

Es bleibt offen, ob auch die kognitiven Fähigkeiten dieser Makaken-Jungen betroffen waren. Durch weitere Beobachtungen wollen die Forscher in den kommenden Jahren klären, ob negative vorgeburtliche Umwelteinflüsse die Fortpflanzungsrate der Makaken erhöhen und ihre Lebensdauer mindern, wie es die Hypothese der internen adaptiven Antwort vorhersagt.

Deutsches Primatenzentrum, 21. September 2016

Originalpublikation:

Andreas Berghänel, Michael Heistermann, Oliver Schülke and Julia Ostner (2016): Prenatal stress effects in a wild, long-lived primate: predictive adaptive responses in an unpredictable environment. Proceedings of the Royal Society B 20161304. doi: 10.1098/rspb.2016.1304

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