Wie sich Ratten neue Wege in eine bessere Zukunft erträumen

Ratte. © Reg Mckenna. CC BY 2.0.

Ratte. © Reg Mckenna. CC BY 2.0.

Wem ist das nicht schon passiert: Man zerbricht sich den Kopf auf der Suche nach einer Lösung für ein Problem und findet aber keine. Dann legt man sich schlafen. Und am nächsten Tag unter der Dusche fällt einem plötzlich eine Lösung ein. Offensichtlich hat unser Gehirn sich während wir schliefen weiter mit dem Problem auseinandergesetzt und verschiedene Optionen durchgerechnet. Bisher dachte man, nur das Gehirn von uns Menschen wäre zu solchen Leistungen fähig. Doch das ist nicht der Fall. Wenn Ratten schlafen probieren auch ihre Gehirne Wege aus, wie sie etwa an unerreichbares Futter gelangen könnten, wie Forscher nun herausgefunden haben. Dabei spielt der Hippocampus eine zentrale Rolle, den man bisher nur mit unserem Gedächtnis nicht jedoch mit der Planung für die Zukunft in Verbindung gebracht hat.

Für ihre Untersuchungen zeichneten die Forscher die Gehirnaktivität von Ratten in verschiedenen Situationen auf: Erts ließne sie die Tier Futter sehen, das sie nicht erreichen konnten. Anschließend konnten die frustrierten Ratten in einer anderen Kammer ein Nickerchen halten. Schließlich durften die Tiere doch zu dem Futter hin laufen. Während die Ratten schliefen waren in ihrem Gehirn Zellen aktiv, die sie für die Navigation benötigen. Daraus schlossen die Forscher, dass die Tiere im Schlaf simulierten, wie sie zu dem Futter hin und wieder davon weg laufen würden, das für sie unerreichbar gewesen war.

Die Studienergebnisse könnten auch erklären, warum manche Menschen, bei denen der Hippocampus zerstört ist nicht dazu in der Lage sind für die Zukunft zu planen.

„Säugetiere legen während sie ihre Umgebung erkunden in kürzester Zeit eine räumliche Karte an,“ erklärt Hugo Spiers vom University College London. „Während des Schlafs geht der Hippocampus die Wege auf diesem Plan erneut ab, um sie im Gedächtnis zu verankern. Es wird vermutet, dass solche Wiederholungen in Träumen auftauchen. Ob Ratten diese Gehirnaktivitäten als Träume wahrnehmen ist bisher noch nicht klar, denn um sicher zu sein müssten wir sie fragen! Wie unsere Ergebnisse beweisen simuliert der Hippocampus auch Möglichkeiten, die in der Zukunft erst umgesetzt werden können. Da der Hippocampus von Ratten und Menschen ziemlich ähnlich ist könnte dieses Ergebnis auch erklären, warum Patienten, deren Hippocampus geschädigt ist zukünftige Ereignisse nicht planen können.“

Bei dem Experiment wurden die Ratten einzeln an den Anfang einen T-Labyrinths gesetzt. Dabei war der Zugang zu dem Verbindungsstück und dem rechten und linken Arm des T-Labyrinths durch eine durchsichtige  Wand verschlossen. Am Ende des einen Arms befand sich Futter, wogegen das andere Ende leer war. Nachdem die Ratten das Futter betrachten durften wurden sie für eine Stunde in eine Schlafkammer gesetzt. Anschließend wurde die Sperre entfernt und die Tiere durften in dem Labyrinth über die Verbindung in die Seitenbereich laufen, wo sich das Futter befand.

Bereits während die Ratten ihr Nickerchen hielten waren bereits Ortszellen (engl. place cells) aktiv, die später die interne Karte für den Seitenarm des Labyrinths bilden würden, in dem sich das Futter befand. Die Zellen, die dem leeren Arm des Labyrinths entsprachen waren dagegen nicht aktiv. Das zeigt, dass das Gehirn zukünftige Wege simuliert, die zu einem ersehnten Ziel führen.

„Das interessante dabei ist, dass man bisher davon ausging, der Hippocampus wäre für das Gedächtnis wichtig, indem die Ortszellen Informationen über Orte speichern, an denen wir gewesen sind.“ betont Freyja Ólafsdóttir hervor. „Überraschenderweise haben wir hier beobachten können, dass der Hippocampus für die Zukunft plant, indem er völlig neue Wege einstudiert, die die Tiere gehen müssen, um das Futter zu erreichen.“

Die Ergebnisse legen nahe, dass der Hippocampus sowohl Wege plant, die bisher noch nicht gegangen wurden, als auch solche speichert, die bereits ausprobiert wurden. Wobei die neuen Wege nur dann simuliert werden, wenn dafür ein Motivationsanreiz vorhanden ist, wie etwa das Futter. Damit könnte die Fähigkeit sich zukünftige Ereignisse vorzustellen nicht alleine auf den Menschen beschränkt sein.

„Bisher wissen wir nicht, wozu diese Nervensimulationen da sind.“ sagt Caswell Barry. „Auf diese Weise könnten jedoch alle Möglichkeiten durchgespielt werden, um diejenige herauszufinden, die am ehesten zum Ziel führt. Sie würden quasi gegeneinander abgewogen. Das wissen wir jedoch bisher nicht so genau. Deshalb wollen wir in Zukunft herausfinden, in wieweit die offensichtliche Planung mit dem zu tun hat, was die Tiere danach tun.“

University College London, 26.6.2015

 

Originalpublikation:

Ólafsdóttir HF, Barry C, Saleem AB, Hassabis D, Spiers HJ. Hippocampal place cells construct reward related sequences through unexplored space. Elife. 2015 Jun 26;4. doi: 10.7554/eLife.06063.

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