Heuschreckenplage am Horn von Afrika als weitere Folge des Klimawandels

Wüstenheuschrecke. © Joachim Frische. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

Die Versorgung von mehreren Millionen Menschen am Horn von Afrika ist derzeit durch eine Heuschreckenplage bedroht. In riesigen Schwärmen zeihen die Insekten durch die Region und fressen auf ihrem Weg alles Grün, was ihnen vor die Kauwerkzeuge kommt. Grund für dieses seltene Massenphänomen ist vermutlich wieder einmal der Klimawandel. Dies lässt befürchten, dass Heuschreckenplagen im ohnehin bereits von Hunger geplagten Osten Afrikas in Zukunft häufiger auftreten werden.

Am 25. Mai 2018 erreichte der Zyklon Mekunu die Stadt Salala im Oman. © public domain. Wikimedia Commons.

Es begann mit dem tropischen Zyklon Mekunu, der sich im Mai 2018 im arabischen Meer entwickelte. Er versorgte die Wüste Rub’ al-Khali auf der arabischen Halbinsel, eine der trockensten Wüsten der Welt, die auch das Leere Viertel genannt wird mit ungewöhnlichen Wassermassen. Zur gleichen Zeit fiel in der omanischen Hafenstadt Salala mit 278 mm Niederschlag so viel Wasser vom Himmel, wie sonst nur im Laufe von zwei Jahren. Satellitenfotos verrieten, wie sich nach dem Zyklon in der Wüste Seen zwischen den Dünen bildeten. In der Folge erwachte die Wüste zu neuem Leben und ergrünte. In der menschenleeren Region konnten sich ungestört Wüstenheuschrecken vermehren. Innerhalb von nur sechs Monaten stieg ihre Zahl um das 400-fache. Das alleine hätte noch kein ernstes Problem dargestellt. Denn normalerweise wird die Vermehrung der Insekten mit dem Beginn der Trockenzeit beendet. Und rechtzeitige Maßnahmen zur Kontrolle einer Heuschreckenplage wären noch erfolgreich gewesen. Doch im Oktober des gleichen Jahres zog ein zweiter Zyklon namens Luban über dem arabischen Meer auf, der seine feuchte Fracht erneut in der Grenzregion zwischen Jemen und Oman ablud. Diesmal meldete Salala binnen 24 h „nur“ 138 mm Niederschlag. So fiel die Trockenheit aus, die der Vermehrung der Heuschrecken ein natürliches Ende gesetzt hätte und die Vegetation florierte statt dessen weiter, so dass sich der Bestand der Heuschrecken bis März 2019 auf das 8000-fache erhöhen könnte.

Unter normalen Bedingungen leben Wüstenheuschrecken als Einzelgänger, die sich nach dem Schlüpfen über fünf bis sechs Nymphenstadien in die geschlechtsreifen Tiere verwandeln. Je nach den Umweltbedingungen schlüpfen die Tiere nach 10 bis 65 Tagen. Weitere 36 Tage brauchen sie um zu ausgewachsenen, geschlechtsreifen Tieren heranzureifen, die dann eine Lebenserwartung von 2,5 bis 5 Monaten haben. Wobei die Nymphen im Aussehen bereits sehr den ausgewachsenen Tieren ähneln. Unter guten Bedingungen kann sich eine Population von Wanderheuschrecken von einer Generation zur nächsten um das 20-fache vergrößern.

Steigt die Heuschreckenpopulation im Laufe mehrerer Generationszyklen so weit an, dass sich die Tiere gegenseitig an den Hinterbeinen berühren, wird eine folgenschwere Verwandlung eingeleitet. Zunächst führt das Berührungssignal zu einer Verhaltensänderung, bei dem sich die Tiere zu größeren Gruppen zusammenschließen. Ein Grund hierfür liegt möglicherweise in der, nicht unbegründeten Angst der Tiere davor, von ihren jeweiligen Nachbarn als Beute betrachtet zu werden. Denn die Tiere fressen sich auch gegenseitig. Bereits die noch nicht erwachsenen Nymphen schließen sich oft zu einer solchen Massenflucht zusammen. Durch den Beinkontakt in der Überpopulation bilden sie das Hormons Serotonin, was die Einzelgänger in Schwarmtiere verwandelt. Im ersten Nymphenstadium können dabei bis zu 30.000 Tier pro Quadratmeter auftreten. Im letzten Stadium sind es dann nur noch 50 bis 100 Tiere. Die gewaltigen Schwärme bewegen sich durch Sprungflüge von 30 Metern oder, wenn nötig auch durch längere Flüge immer mit dem Wind in Richtung eines Tierfdruckgebietes, wo sie mit üppiger Vegetation rechnen können.

In der ergrünten arabischen Wüste konnten sich die Heuschrecken also innerhalb von nur neun Monaten um das 8000-fach vermehren. Da ihre Populationsdichte nun den kritischen Punkt zur Bildung wandernder Schwärme überschritten hatte, zogen die gefräßigen Insekten zunächst weiter nach Osten in den Süden des Iran, wo die Tiere 50 Jahre lang nicht aufgetreten waren, sowie nach Pakistan und Indien. Im Sommer 2019 zogen sie, immer den Tierdruckgebieten folgend, in den Jemen, wo es wegen des anhaltenden Bürgerkriegs nicht möglich war, die Insekten mit entsprechenden Pestiziden zu bekämpfen. Anschließend überquerten sie das Rote Meer und den Golf von Aden, um in Äthiopien und Somalia eine weitere Generation von schwärmenden Wüstenheuschrecken zu begründen. Dabei kam ihnen im Oktober 2019 zu Gute, dass im Osten Afrikas nach einer mehrjährigen Dürre endlich der lange ersehnte Regen fiel. So profitierten von dem Ergrünen der ursprünglich trockenen Landschaften nicht nur die somalischen Bauern, sondern auch die Heuschrecken. Ein Übriges tat hierzu der Zyklon Pawan, der vom nordindischen Ozean aus im Dezember 2019 als ungewöhnliches Phänomen Somalia erneut mit Regen versorgte. Er ließ die Vegetation in dem Land so sehr sprießen, dass sich die Schrecken erneut fortpflanzen konnten.

Wanderheuschrecken auf einem Baum am Roten Meer im Sudan. © ChriKo. CC BY-SA 4.0: Wikimedia Commons.

Auf der Flucht vor ihren Artgenossen zogen die Tiere Ende Dezember 2019 massenweise in den Norden und die Mitte Kenias. So dass Kenia im Januar 2020 die größte Heuschreckenplage seit 70 Jahren ausrufen musste. Einer dieser Heuschreckenschwärme zählte schätzungsweise zwischen 100 und 200 Milliarden Tiere. Sie fraßen sich durch die Vegetation einer Fläche von 2400 Quadratkilometer. Doch die gefräßigen kleinen Tiere verschonten auch nicht Dschibuti und Eritrea. Und anfang Februar erreichten die Schwärme den Norden von Uganda und Tansania.

Solch große Heuschreckenschwärme zu bekämpfen, wie sie nun am Horn von Afrika auftreten ist eine echte Herausforderung. Es wäre wesentlich einfacher gewesen, die Tiere bereits an ihrer Vermehrung zu hindern, als sie noch in wesentlich kleineren Schwärmen auftraten. Um die jetzige Plage noch in den Griff zu bekommen sind gewaltige Mengen an Pestiziden nötig, die sehr viel Geld kosten, das den betroffenen Länder meist nicht zur Verfügung steht. Daher sind sie auf Gelder der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) angewiesen, die jedoch bisher nicht in dem Umfang bereitgestellt wurden, in dem sie benötigt werden.

Und die Lage am Horn von Afrika könnte sich noch weiter zuspitzen. Denn im März und April, wenn in der Region der erste Regen fällt, werden die ostafrikanischen Bauern aussäen. Zur gleichen Zeit werden aber auch die Heuschrecken eine neue Generation gefräßiger Nachkommen hervorgebracht haben, die dann über die jungen Pflanzen herfallen könnte. Wenn man berücksichtigt, dass sich die Zahl der Tiere unter guten Bedingungen mit jeder Generation um das 20-fache vermehrt, könnten sie sich bis Juni noch einmal um das 400-fach ihrer heutigen Zahl vermehren. Mit verheerenden Auswirkungen für eine Region, deren Versorgung mit Lebensmitteln bereits jetzt durch vorangegangene Dürren und Überflutungen stark beeinträchtigt ist.

In Äthiopien und Kenia will man die Heuschreckenplage mit konventionellen Pestiziden in den Griff bekommen. Diese haben zwar eine Halbwertszeit von einem Tag, das heißt, dass nach einem Tag die Hälfte der verspritzten Chemikalien ihre Wirksamkeit wieder verloren hat, nach zwei Tagen ist nur noch ein Viertel aktiv, etc. Dennoch müssen Menschen, die in den betroffenen Regionen leben oder dort ihr Vieh weiden für die Dauer des Pestizideinsatzes die Gegend verlassen, damit sie nicht durch die giftigen Substanzen geschädigt werden.

In Somalia dagegen, will die FAO die Insekten mit einem Biopestizid bekämpfen. Der Pilz Metarhizium acridum soll angeblich nur Heuschrecken und verwandte Grashüpfer befallen. Er ist dadurch wesentlich spezifischer, als die konventionellen Pestizide. Aber als lebender Organismus kann er auch größere Gefahren bergen, da er nicht binnen einiger Tage seine Wirkung verliert, sonder seine Sporen auch lange nach dem Ende der Heuschreckenplage weit verbreitet sein und so das ökologische Gleichgewicht der betroffenen Region oder gar darüber hinaus beeinträchtigen könnten. China will mit dem Pilz bereits erfolgreich Heuschreckenplagen in den Griff bekommen haben. Der Knackpunkt dabei liegt wohl darin, möglichst junge Heuschrecken mit genügend Pilz zu infizieren. Auch muss der Pilz mehrere Tage länger auf die Heuschrecken einwirken, als dies bei konventionellen Chemikalien notwendig ist. Daher arbeiten die Chinesen an einer virulenteren Form des Pilzes. Doch der könnte dann auch noch mehr Schaden im Ökosystem anrichten, wenn er nicht spezifisch genug ist.

Besser wäre es vermutlich die Heuschreckenplage mit Pheromonen zu bekämpfen, chemischen Botenstoffen, die Insekten für ihre Kommunikation benötigen. Phenylacetonitril könnte die Tiere bei der Paarung im Schwarm verwirren und sie darüber hinaus noch dazu veranlasst sich aus dem Schutz der Pflanzen ins Freie zu begeben, wo sie dann leichter bekämpft werden können.

Gebratene Heuschrecken enthalten viele Proteine und sollen wie Chips schmecken. © Keithk. CC BY-SA 4.0. Wikimedia Commons.

Doch Heuschrecken sind nicht nur eine Plage. Sie können auch gegessen werden. In manchen Regionen Afrikas wird dies auch getan. Leider ist es bisher wohl noch nicht möglich, die riesigen Schwärme an Tieren effektiv abzuernten. Aber es wäre doch auch eine Möglichkeit, eine gute Methode zu entwickeln, wie man die Tiere einsammeln kann und sie dann zu Nahrungsmitteln zu verarbeiten, die dazu auch noch sehr proteinreich sind. Dazu dürfen sie aber natürlich nicht vorher mit Pestiziden behandelt worden sein, was wohl in Afrika immer wieder mal vorkommt.

Maximalwerte der Wassertemperaturen beim positiven Dipol des indischen Ozeans im November 1997. Damals drückten ungewöhnlich starke Ostwinde warmes Oberflächenwasser nach Westen. Gleichzeitig stieg vor Sumatra kaltes Tiefenwasser („Upwelling“) auf. Die Graphik zeigt die Abweichungen vom langjährigen Mittelwert der Meeresoberflächentemperatur. © public domain. Wikimedia Commons.

Die ungewöhnlich hohe Zahl an Zyklonen, die in den letzten zwei Jahren zunächst die saudische Wüste und dann das Horn von Afrika mit Wasser versorgt haben, kommt durch den Dipol des Indischen Ozean zu Stande. Einer Anomalie der Meeresoberflächentemperatur des Meeres. Sie entspricht vergleichbaren Anomalien in anderen Weltmeeren, wie der Atlantischen Multidekaden-Oszillation und der Pazifische Dekaden-Oszillation. Ist der Dipol im indischen Ozean negativ, drücken starke Westwinde warmes Wasser nach Australien, in dessen Süden es dann regnet. Kommt es dagegen zu starken Ostwinden, spricht man von einem positiven Dipol, der warmes Wasser nach Saudi Arabien und dem Horn von Afrika drückt, so dass dort Niederschlag fällt. Bei dieser Wetterlage ist es in Australien besonders trocken und es kann vermehrt zu Bränden kommen, wie etwa in diesem Jahr. Umgekehrt leidet Ostafrika unter Dürre, wenn ein negativer Dipol auftritt. Mit dem Klimawandel wird die Häufigkeit positiver und negativer Dipol-Ereignisse zunehmen, und zwar linear mit der globalen Durchschnittstemperatur. Laut mehreren Klimamodellen werden solche Ereignisse bereits bei einem Anstieg um 1,5 Grad doppelt so oft vorkommen, wie in vorindustrieller Zeit. Überlagert wird das Phänomen noch durch El Niño Ereignisse.

von Ute Keck, 24. Februar 2020

Quellen:

A plague of locusts has descended on East Africa. Climate change may be to blame.

In Somalia, an unprecedented effort to kill massive locust swarms with biocontrol

Mit Pheromonen gegen die Heuschreckenplage

„Eigentlich mögen sich Heuschrecken nicht besonders“

Stabilised frequency of extreme positive Indian Ocean Dipole under 1.5 °C warming

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