Wenn wir etwas sehen, werden die von den Augen aufgenommenen Signale in Regionen der Großhirnrinde, die an unserem Hinterkopf liegen, verarbeitet. Für das Kurzzeitgedächtnis müssen dagegen Regionen im vorderen Teil des Großhirns aktiv sein. Damit wir uns an etwas, das wir gesehen haben, für eine kurze Zeit erinnern können, müssen also diese weit voneinander entfernten Hirnteile ihre Informationen zusammenführen.
Nikos Logothetis am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen und sein Team haben die elektrische Aktivität in einer Sehregion und im vorderen Gehirnbereich von Affen gemessen, während sich die Tiere an verschiedene Bilder erinnern mussten.
Die Wissenschaftler haben dabei in beiden Gehirnregionen elektrische Schwingungen beobachtet, sogenannte Theta-Band-Schwingungen. Überraschenderweise treten diese Schwingungen nicht unabhängig voneinander auf, sondern synchron. Je stärker die Regionen synchron aktiv sind, desto besser konnten sich die Tiere an ein Bild erinnern.
Man kann sich das Arbeitsprinzip des Kurzzeitgedächtnisses demnach wie zwei Drehtüren vorstellen: Während das Gedächtnis arbeitet, drehen sich beide Türen im Takt, und erlauben dadurch einen effektiveren Informationsaustausch.
Die Studie zeigt, wie wichtig synchronisierte Gehirnschwingungen für die Kommunikation der verschiedenen Gehirnregionen sind. Fast alle höheren geistigen Fähigkeiten ergeben sich aus einem komplexen Zusammenspiel von spezialisierten Nervenzellnetzen an verschiedenen Stellen im Gehirn.
Max-Planck-Gesellschaft, 19. September 2014.
Stefanie Liebe, Gregor M Hoerzer, Nikos K Logothetis & Gregor Rainer
Theta coupling between V4 and prefrontal cortex predicts visual short-term memory performance. Nature Neuroscience, 29. Januar 2012, doi: 10.1038/nn.3038