Wissenschaftler haben 255 Brusttumoren auf die Anwesenheit von zwei verschiedenen Stammzellmarkern hin untersucht: Wenn beide Marker gleichzeitig vorhanden waren verkürzte dies die Lebenserwartung der Patientinnen drastisch. Umgekehrt lebten Patientinnen, bei denen keiner der beiden Marker nachgewiesen werden konnte, fast 10 Jahre länger. Die Wissenschaftler wollen nun prüfen, ob sich die beiden Oberflächenmarker von Stammzellen für eine gezielte Therapie bei Brustkrebs einsetzen lassen.
Fast 90 Prozent aller Brustkrebspatientinnen überleben die ersten fünf Jahre nach ihrer Diagnose. Doch leider bilden sich bei einigen der Patientinnen später Metastasen, die der Hauptgrund für die hohe Sterblichkeitsrate bei Krebs sind. „Bisher wissen wir nicht, welche Patientin Metastasen entwickeln wird und welche nicht“, beschreibt Andreas Trumpp vom Deutschen Krebsforschungszentrum das Dilemma. „Wir wissen deshalb auch nicht, welche Patientin von einer intensiveren Therapie profitiert und wem wir eine Chemotherapie ersparen können.“
Schon vor einem Jahr durchsuchte das Team um Trumpp das Blut von Patientinnen nach Krebszellen. Sie sind für das Entstehen von Metastasen verantwortlich. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass nur einige der im Blut zirkulierenden Krebszellen tatsächlich dazu in der Lage sind, Metastasen zu bilden. Diese sogenannten Metastasen-Stammzellen trugen die Stammzellmarker CD47 und MET auf ihrer Oberfläche. Je mehr dieser Metastasen-Stammzellen im Blut vorkamen, desto öfter bildeten sich bei den Patientinnen Metastasen. „Wir wollten nun herausfinden, ob diese Stammzellmarker und damit die Metastasen-Stammzellen schon in den Primärtumoren in der Brust vorhanden sind und wenn ja, ob dies mit der Überlebenswahrscheinlichkeit der Patientinnen zusammen hängt“, beschreibt Trumpp.
Die Wissenschaftler testeten 255 Brustkrebsproben auf die beiden Stammzellmarker CD47 und MET. Anschließend verglichen sie deren Vorhandensein mit den Überlebensdaten der Patientinnen. Dabei stellten sie fest, dass die Lebenserwartung von Patientinnen, deren Tumoren beide Marker gleichzeitig trugen, stark verkürzt war.
„Patientinnen, bei denen wir beide Marker nachweisen konnten, lebten im Durchschnitt 10,3 Jahre kürzer nach ihrer Diagnose, als Patientinnen, in deren Tumor weder CD47 noch MET nachweisbar war“, fasst Wilko Weichert vom Universitätsklinikums Heidelberg, ein weiteres Mitglied des Forscherteams, die eindeutigen Ergebnisse der Studie zusammen. „Die Anwesenheit der beiden Oberflächenmoleküle kann daher als Hinweis auf die Lebenserwartung von Brustkrebspatientinnen dienen.“ Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Untersuchungen bisher nur mit Östrogen-Rezeptor-positiven Brusttumoren durchgeführt wurden.
„Wir wollen aber natürlich nicht nur Vorhersagen treffen, sondern den Patientinnen möglichst auch helfen“, sagt Andreas Trumpp. Die Wissenschaftler wollen daher prüfen, ob sich die Metastasen zielgerichtet mit Medikamenten bekämpfen lassen. Dazu wollen sie die besonders aggressiven Brusttumoren auf Mäuse übertragen und sie dort gezielt mit Wirkstoffen gegen die Stammzell-Marker behandeln. „Die Medikamente, die gegen CD47 oder MET wirken, sind in der finalen Phase der Entwicklung oder sogar bereits verfügbar“, erklärt Trumpp. „Wir hoffen, dass wir bald soweit sind, mit ihrer Hilfe die Lebenserwartung von Brustkrebspatientinnen weiter zu erhöhen.“
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), 30.09.2014
Irène Baccelli, Albrecht Stenzinger, Vanessa Vogel, Berit Maria Pfitzner, Corinna Klein, Markus Wallwiener, Martina Scharpff, Massimo Saini, Tim Holland-Letz, Hans-Peter Sinn, Andreas Schneeweiss, Carsten Denkert, Wilko Weichert , Andreas Trumpp: Co-expression of MET and CD47 is a novel prognosticator for survival of luminal-type breast cancer patients. Oncotarget (2014).