Fernreisende können multiresistente Keime nach Deutschland einschleppen

Fernreisende können multiresistente Keime nach Deutschland importieren. © public domain.

Fast jeder Dritte infiziert sich während einer Fernreise mit multiresistenten Bakterien. Für Gesunde sind die Keime ungefährlich. Ein Gesundheitsrisiko tritt erst dann auf, wenn der Träger dieser Keime selbst anderweitig erkrankt oder Kontakt zu immungeschwächten Mitmenschen hat, auf die er die Erreger dann übertragen kann. © public domain.

Die immer öfter auftretenden multiresistenten Keime stellen auch für deutsche Krankenhäuser eine stetig wachsende Herausforderungen dar. Aber wo kommen die gefährlichen Erreger her, und wie kann man gefährdete Patienten vor ihnen schützen? Wie Infektiologen und Mikrobiologen nun herausgefunden haben bringen Fernreisenden die Erreger nicht selten mit nach Hause.

Über einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten haben Forscher des Universitätsklinikum Leipzig in einer infektiologischen Studie untersucht, ob Fernreisende Erreger nach Deutschland einschleppen. “Wir konnten dabei erstmals für Deutschland in einer größeren Kohorte zeigen, dass fast ein Drittel der Reisenden nach der Heimkehr aus Gebieten mit hoher Erregerdichte tatsächlich Träger multiresistenter Erreger ist“, erklärt Christoph Lübbert, Leiter des Fachbereichs Infektions- und Tropenmedizin am Uniklinikum Leipzig. Das Forscherteam hat zwischen Mai 2013 und April 2014 die Daten von 225 Reisenden vor und nach einer Fahrt in Gebiete mit hohem Vorkommen multiresistenter Erreger (MRE) verglichen. „Das betrifft vor allem den indischen Subkontinent und Südostasien sowie verschiedene Länder in Afrika und Mittel- bzw. Südamerika, in denen diese problematischen Erreger deutlich häufiger als bei uns auftreten“, so Christoph Lübbert. Die Studie befasste sich vor allem mit sogenannten ESBL-bildenden Bakterien, die gegen die meisten verfügbaren Antibiotika resistent sind. Diese Darmbewohnern sind für Gesunde meist ungefährlich und verursachen bei ihnen keinerlei Symptome. Ein Gesundheitsrisiko tritt erst dann auf, wenn der Träger dieser Keime selbst anderweitig erkrankt oder Kontakt zu immungeschwächten Mitmenschen hat, auf die er die Erreger dann übertragen kann.

Die genauen Übertragungswege dieser Erreger sind bisher noch nicht vollständig erforscht. „Unsere Studie liefert hier einige Hinweise, denn weder gründliche Händehygiene noch die ausschließliche Verwendung verpackter Getränke während der Reise hatten eine überzeugende Schutzwirkung“, erläutert Christoph Lübbert. Dabei zeigte sich auch, dass eine unterwegs erworbene Durchfallerkrankung, eine sogenannte Gastroenteritis, mit einem erhöhten Übertragungsrisiko einher ging. Am häufigsten wurden die Erreger nach Indien-Reisen (mehr als 70% der Reisenden) festgestellt, gefolgt von Reisen nach Südostasien (fast 50% der Reisenden).

Fast jeder Dritte infiziert sich während einer Fernreise mit multiresistenten Keimen

Bei 30,4 Prozent der insgesamt 225 untersuchten, gesunden Probanden konnte nach der Reise eine Besiedlung mit ESBL-bildenden Bakterien nachgewiesen werden. “Dieser Wert bestätigt ähnliche aktuelle Untersuchungen in Skandinavien und den Niederlanden“, so Christoph Lübbert, „und ist höher als bislang angenommen“. Bisher war man von Raten zwischen 14 und 25 Prozent ausgegangen. Keiner der Studienteilnehmer entwickelte im Untersuchungszeitraum aufgrund der Besiedlung mit den resistenten Keimen Krankheitssymptome. Sechs Monaten später war die Besiedlung bei den meisten Versuchspersonen bereits wieder vorüber: Nur noch 8,6 Prozent der Probanden waren zu diesem Zeitpunkt immer noch Träger der importierten Erreger. Im Großraum Leipzig liegt die Besiedelungshäufigkeit, Prävalenz, von ESBL-Bildnern bei immerhin 6,8 Prozent. Das konnten die Mediziner aus den Daten schließen, die sie vor dem Reiseantritt der Probanden erhoben, so Christoph Lübbert.

„Unsere Studie zeigt, dass der Kampf gegen multiresistente Erreger ein globales Herangehen erfordert, um künftig erfolgreich sein zu können“, resümiert Lübbert. Anderenfalls würden das ständige, erneute Einschleppen dieser Erreger alle lokalen Bemühungen um eine Bekämpfung multiresistenter Keime immer wieder vereiteln.

Systematisches Screening von Personen mit gesundheitsrelevanten Tätigkeiten empfohlen

Bereits jetzt lassen sich Empfehlungen für konkrete Maßnahmen in den Krankenhäusern aus den Forschungsergebnissen ableiten. „Ein systematisches Aufnahmescreening für ESBL-bildende Bakterien bei Patienten, die innerhalb der letzten sechs Monate in Indien oder Südostasien waren, kann in Einrichtungen des Gesundheitswesens und vor allem in Krankenhäusern dem Risiko einer unbemerkten Übertragung wirksam vorbeugen.“ Gleichzeitig ist eine vorsorgliche Isolierung bis zum Vorliegen der Untersuchungsergebnisse zu empfehlen. „Auch ein Screening für Beschäftigte in der Lebensmittelindustrie und Gastronomie nach solchen Reisen könnte eine vorbeugende Maßnahme für die Zukunft darstellen“, empfiehlt Lübbert.

Universitätsklinikum Leipzig, 15.01.2015

 

Originalpublikation:

Christoph Lübbert, Laurentia Straube, Claudia Stein, Oliwia Makarewicz, Stefan Schubert, Joachim Mössner, Mathias W. Pletz, Arne C. Rodloff. Colonization with extended-spectrum beta-lactamase-producing and carbapenemase-producing Enterobacteriaceae in international travelers returning to Germany, International Journal of Medical Microbiology 2015; 305 (1): 148-156. doi: 10.1016/j.ijmm.2014.12.001

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