Phagentherapie rettet Nashorn das Leben

Panzernashorn Ropen im Tiergarten Nürnberg © Tiergarten Nürnberg.

Panzernashorn Ropen im Tiergarten Nürnberg © Tiergarten Nürnberg.

Eine Therapie mit Bakteriophagen bewahrte ein Panzernashorn im Tiergarten Nürnberg davor eingeschläfert zu werden. Der 28-jährige Nashornbulle Ropen litt unter einer schweren Entzündung eines Fußes, die sich immer weiter ausbreitete. Bisher musste das Tier tägliche behandelt werden, um die Entzündung in Schach zu halten. Das führte zwar zu einer Besserung, doch die Wunde heilte nie vollständig aus. Erst die Phagentherapie brachte die Wende.

„Das war wirklich die Rettung“, freut sich Tierärztin Katrin Baumgartner vom Nürnberger Zoo. „Der Verlauf der Krankheit war so heftig, dass wir schon fürchteten, Ropen einschläfern zu müssen. Eine Kollegin hatte einen Zeitungsartikel über die Bakteriophagen-Forschung der DSMZ gefunden und gelesen, dass sich damit auch antibiotikaresistente Keime behandeln lassen“, fährt Baumgartner fort. Daher setzten die Tierärztinnen all ihre Hoffnungen auf die hierzulande in Vergessenheit geratene Phagentherapie.

Christine Rohde vom Leibniz-Institut DSMZ ist eine der führenden Bakteriophagen-Expertinnen Deutschlands und erforscht mit ihrem Team die Bekämpfung multiresistenter Bakterien. Sie weiß, dass die Phagentherapie erfolgreich sein kann, wo Antibiotika versagen. Die Phagentherapie wird jedoch wegen komplexer Zulassungsregelungen in Deutschland kaum angewendet. Vor dem Aufkommen der Antibiotika war sie weit verbreitet, verlor dann jedoch im Westen weitgehend an Bedeutung.

Anders in Osteuropa. Da dort Antibiotika lange nicht verfügbar waren blieb diese Therapie weiter bestehen und wird auch heute noch angewandt. „In Georgien beispielsweise ist sie immer angewendet worden. Dort verfügt man über jahrzehntelange Erfahrung und bekommt Phagen in der Apotheke“, erläutert Rohde. Auf einer Forschungsreise hatte sie sich in Tiflis privat ein verbreitetes Standard Phagen-Medikament gekauft. Diesen Phagencocktail stellte sie dem Tiergarten Nürnberg zur Behandlung von Ropen zur Verfügung. „Die Chancen waren nicht sehr groß“, erinnert sich Rohde. „Ich hatte ja nur dieses Standardpräparat.

Doch der Erfolg war durchschlagend. Bereits nach der ersten Behandlung verbesserte sich der Zustand des Nashorns deutlich. Nach einer zweiten und dritten Anwendungsrunde, für die extra neuer Phagen-Nachschub aus Georgien bestellt werden musste, gelang schließlich der Durchbruch. Rohde ist begeistert: „Unseres Wissens nach ist das die erste Phagenbehandlung eines Wildtiers überhaupt. Und dass der Cocktail so gut anschlägt, übertrifft meine Erwartungen.“

Panzernashorn Ropen geht es heute gut, die Wunde ist komplett verheilt und er kann wieder laufen. Die Behandlung wird zwar sicherheitshalber fortgesetzt. Doch Tierärztin Baumgartner ist davon überzeugt, dass er fit für seine nächste große Aufgabe ist: Wenn alles gut läuft, soll Ropen nächstes Jahr Vater werden.

Hintergrund:

Bakteriophagen oder kurz Phagen, sind eine Art von Viren, die nur Bakterien befallen. Ähnlich wie normale Viren, die etwa menschliche Zellen befallen nutzen die Phagen die Bakterien um sich in ihnen zu vermehren. Bei diesem Prozess gehen die Bakterien meist zugrunde. Anders als Antibiotika wirken sie spezifisch gegen nur eine Bakterienart. Nützliche Bakterien, wie etwa die im Darm oder auf unserer Haut, bleiben dagegen verschont. Das Leibniz-Institut DSMZ in Braunschweig ist eines der führenden Bakteriophagen-Forschungsinstitute und Heimat der vielfältigsten Phagen-Sammlung Deutschlands.

In seltenen Fällen werden auch in Deutschland Phagen zur Therapie eingesetzt. Und das mitunter sehr erfolgreich. Aufgrund der in Deutschland geltenden Therapiefreiheit kann ein mutiger Arzt bei einem sonst hoffnungslosen Fall unter Umständen auch eine Phagentherapie anwenden. Die Therapie ist in Deutschland zwar nicht zugelassen, aber auch nicht verboten (Anmerkung der Redaktion von Scimondo).

Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen, 6. November 2016

 

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