Wissenschaftlern haben nun das Erbgut des Kieler Ausbruchsstamms Acinetobacter baumannii entschlüsselt. Dabei handelt es sich um einen multiresistenten Erreger, der Resistenzen gegen alle vier wesentlichen Gruppen von Antibiotika besitzt (4MRGN). Die Forscher sequenzierten dazu 33 Isolate von 25 Patienten, bei denen der Erreger nachgewiesen wurde, sowie aus Umweltproben des jüngsten Keim-Ausbruchs in Kiel.
„Die Analysen des Erbguts der Bakterien bestätigten, dass es sich am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein um einen klonalen Ausbruch handelt. Das bedeutet, dass alle Infektionen auf denselben Erregerstamm zurückgehen“, sagt Andre Franke vom Institute für Infektionsmedizin und für Klinische Molekularbiologie. Ferner konnten die Forscher bestätigen, dass es sich um einen multiresistenten Erreger handelt, gegen den nur noch das Antibiotikum Colistin wirkt. Wobei die Kollegen am Universitätsklinikum Gießen im Erbgut des Bakteriums bereits eine Veranlagung für eine Colistin-Resistenz ausmachen konnten. Deshalb sei es nur eine Frage der Zeit, bis der 4MRGN-Stamm auch gegen Colistin resistent werde, sagt Trinad Chakraborty vom Institut für Medizinische Mikrobiologie am Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH (UKGM).
Die Forschungsgruppe konnte anhand der Sequenzdaten auch zeigen, dass es sich bei dem 4MRGN-Keim um einen Vertreter der weltweit am häufigsten vorkommenden Carbapenem-resistenten Acinetobacter baumannii Linie IC2 (CC92 Oxford) handelt, die über einen weltweit verbreiteten Resistenzmechanismus verfügt. Vergleiche mit Genomdaten von Acinetobacter-Ausbruchsstämmen aus Gießen und Münster ergaben, dass der Kieler Erreger mit einem Stamm übereinstimmt, der erstmalig 2009 im Raum Dortmund sowie 2010 und 2011 im Raum Köln bei mehreren Patienten nachgewiesen wurde. Der im Raum Köln identifizierte Erreger stammt von einem deutschen Patienten, der in einem Krankenhaus auf der Urlauberinsel Phuket in Thailand stationär behandelt worden war. Der gleiche Stamm wurde 2012 auch in Malaysia, einem Nachbarstaat von Thailand identifiziert. Die Wissenschaftler wollen nun herausfinden, in welchem Zusammenhang die vorangegangenen Ausbrüche des Erregers mit dessen Auftreten in Kiel stehen.
Das besondere bei diesem Forschungsprojekt ist die „exzellente Zusammenarbeit verschiedener Experten in ganz Deutschland“, sagt Franke. Das Team zur Analyse des Erregers umfasste Wissenschaftler des Lehrstuhls für Bioinformatik in Saarbrücken (Professor Andreas Keller), des Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH (Professor Trinad Chakraborty), des Universitätsklinikum Münster (Professor Dag Harmsen), des Nationalen Referenzzentrums für Gram-negative Krankenhauserreger, Bochum (Dr. Martin Kaase) sowie der Acinetobacter-Experte Professor Harald Seifert, Universitätsklinikinikum Köln.
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 17.02.2015.