Antikörper-Therapie gegen ß-Amyloid könnte Alzheimer noch verstärken

Zwei-Photonen-Mikroskopie: Aufnahme von Zellen (grün) und Amyloid-β Plaques (blau) im Alzheimer-Gehirn. © Marc Aurel Busche / TUM

Zwei-Photonen-Mikroskopie: Aufnahme von Zellen (grün) und Amyloid-β Plaques (blau) im Alzheimer-Gehirn. © Marc Aurel Busche / TUM

Verklumpte Proteine im Gehirn, so genannte ß-Amyloid-Plaques, gelten als wichtiges Krankheitsmerkmal von Alzheimer. Eine Therapieoption nutzt spezielle Antikörper, um diese Plaques abzubauen. Im Tiermodell führte dieser Ansatz zu guten Ergebnissen, in Patientenstudien scheiterte er dagegen aus bisher ungeklärten Gründen. Wissenschaftler haben nun eine mögliche Erklärung hierfür gefunden: Sie stellten fest, dass bei Mäusen, die eine Antikörpertherapie erhielten, die Funktionsstörungen der Nervenzellen keineswegs behoben, sondern sogar noch verstärkt wurden.

Immuntherapien mit Antikörpern gegen ß-Amyloid galten lange als vielversprechende Therapie gegen Alzheimer. In Tierexperimenten gelang es die Plaques dadurch zu reduziert und Gedächtnisstörungen zu beheben. In klinischen Studien an Patienten konnten diese Ergebnisse jedoch nicht bestätigt werden. Ein Forscherteam um Marc Aurel Busche und Arthur Konnerth von der Technischen Universität München hat nun einen möglichen Grund hierfür entdeckt.

Zahl an hyperaktiven Nervenzellen steigt bei Immuntherapie

Die Forscher nutzten Alzheimer-Mausmodelle für ihre Studie. Diese Tiere tragen ein Transgen für das Vorläuferprotein von ß-Amyloid, was wie beim Menschen zur Bildung von ß-Amyloid-Plaques im Gehirn führt und Gedächtnisstörungen verursacht. Die Wissenschaftler behandelten die Tiere mit gegen ß-Amyloid gerichteten Antikörpern und untersuchten dann die Aktivität der Nervenzellen mit hochauflösender Zwei-Photonen Mikroskopie. Das Ergebnis: Die Plaques verschwanden zwar, doch gleichzeitig stieg die Anzahl der abnormal hyperaktiven Nervenzellen massiv an.

„Wenn Nervenzellen hyperaktiv sind, können sie ihre normalen Funktionen nicht mehr ausüben und verausgaben sich über längere Zeit. Sie verstummen dann und sterben möglicherweise im späteren Verlauf ab “, beschreibt Busche die Bedeutung ihrer Entdeckung. „Bei den Patienten, die die Immuntherapie erhalten haben, könnte das erklären, warum sich ihr Zustand nicht wirklich besserte, obwohl die Plaques weniger wurden“, ergänzt er.

Freigesetzte Oligomere als möglicher Grund für Hyperaktivität

Auch junge Alzheimer-Mäuse, bei denen noch gar keine Plaques im Gehirn nachweisbar waren, entwickelten bei der Antikörperbehandlung bereits vermehrt hyperaktive Nervenzellen. „Mit Blick auf diese Ergebnisse, wäre auch ein früher Einsatz der von uns untersuchten Immuntherapien, noch bevor die Plaques entstehen, wenig aussichtsreich. Denn auch hier treten die Nebenwirkungen der Therapie bereits auf“, erklärt der Wissenschaftler.

„Wir vermuten, dass der Mechanismus folgendermaßen ist: Die eingesetzten Antikörper setzen verstärkt lösliche Oligomere frei. Das sind Vorstufen der Plaques und gelten schon länger als problematisch. Das könnte die Zunahme der Hyperaktivität verursachen“, sagt Busche.

Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass nicht jeder Mensch, der Plaques mit β-Amyloid in seinem Gehirn aufweist tatsächlich die Symptome der Alzheimer Erkrankung entwickelt. Das beweist etwa die Nonnenstudie, bei der Nonnen eingewilligt hatten, sich nach ihrem Tod für die Wissenschaft obduzieren zu lassen. Vor ihrem Tod nahem die Schwestern an umfangreichen Tests teil, mit denen ihre geistige Fitness erfasst wurde. Wie sich zeigte, fanden sich auch bei geistig sehr regen, hochbetagten Schwestern große Mengen von β-Amyloid Plaques. (Anmerkung der Redaktion von Scimondo).

Technische Universität München, 09.11.2015

 

Originalpublikation

Marc Aurel Busche, Christine Grienberger, Aylin D. Keskin, Beomjong Song, Ulf Neumann, Matthias Staufenbiel, Hans Förstl und Arthur Konnerth, Decreased amyloid-β and increased neuronal hyperactivity by immunotherapy in Alzheimer’s models, Nature Neuroscience, 9. November, 2015. DOI: 10.1038/nn.4163

Kommentare sind geschlossen.