Erste Bauern Europas wanderten von der Ägäis und dem Marmarameer ein

Menschliches Skelett von einer Ausgrabung im nördlichen Griechenland. ©: K. Kotsakis und P. Halstead, Paliambela Excavation Project Archive

Menschliches Skelett von einer Ausgrabung im nördlichen Griechenland. ©: K. Kotsakis und P. Halstead, Paliambela Excavation Project Archive

Lange war unklar, wie sich die Bauernkultur in Europa ausbreitete. Begannen die europäischen Jäger-und-Sammler-Gesellschaften sich durch vorwiegend kulturelle Kontakte nach und nach auf den Ackerbau umzustellen? Oder wanderten Bauern und Viehzüchter aus Südosteuropa ein und verbreiteten ihre neue Kultur auf diese Weise? Forscher haben dieses Rätsel nun gelöst, indem sie das Erbgut von archäologischen Skeletten aus Griechenland und der Türkei analysierten. Demnach besiedelten vor rund 8.000 Jahren Bauern aus der nördlichen Ägäis und dem Marmarameer verschiedene Teile Europas. Sie zogen aus dem Norden Griechenlands und der nordwestlichen Türkei nach Mitteleuropa und Spanien und brachten ihre sesshafte Lebensweise und landwirtschaftliche Techniken mit. Dort trafen sie auf die jungsteinzeitlichen Jäger-und-Sammler-Gesellschaften, die damals dort lebten. Den Forschern zufolge zogen die neolithischen Siedler entlang einer Balkanroute nach Mitteleuropa. Etwa zur gleichen Zeit gelangten prähistorische Bauern aus dem ägäischen Raum über das Mittelmeer auf die iberische Halbinsel.

Die neolithischen Siedler waren die ersten sesshaften Ackerbauern, die nach Europa kamen. Sie brachten Hausbau, Landwirtschaft und Viehzucht mit in ihr neues Siedlungsgebiet. Im Laufe ihrer Ausbreitung trafen sie auf die Jäger und Sammler, die seit der Eiszeit in Europa lebten. Laut den Forschern vermischten sich die beiden Bevölkerungsgruppen zunächst kaum. „Man tauschte Kulturgüter und Kenntnisse aus, aber nur selten Ehepartner“, beschreibt Joachim Burger von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz die ersten Kontakte. „Erst nach Jahrhunderten stieg die Zahl der Partnerschaften an.“ Der Grund für die zunächst zögerlichen Kontakte dürfte in den kulturellen Unterschieden der beiden Gruppen liegen.

Unsere bäuerlichen Vorfahren wanderten aus der Ägäis in andere Regionen Europas ein. © public domain.

Unsere bäuerlichen Vorfahren wanderten aus der Ägäis und dem Marmarameer in andere Regionen Europas ein. © public domain.

„Die migrierenden Bauern brachten nicht nur eine völlig fremde Kultur mit, sondern sahen sicherlich auch anders aus und sprachen eine unterschiedliche Sprache“, fügt Christina Papageorgopoulou von der Demokritus-Universität Thrakien hinzu.

Die Studie klärt eine langjährige Debatte über die Herkunft der ersten europäischen Bauern. Wie die Genomanalysen zeigen, lässt sich die Ahnenliste von Zentral- und Südwesteuropa nach Griechenland und in das nordwestliche Anatolien zurückverfolgen. „Es gab die Auffassung, dass die Landwirtschaft rein durch Ideentransfer nach Europa kam, ohne oder mit nur geringer Migrationsbewegung. Diese Ansichten können nun ad acta gelegt werden“, so Burger. Durch die Analysen alter DNA hat sich das Verständnis der neolithischen Revolution in den letzten sieben Jahren grundlegend geändert.

Fruchtbarer Halbmond. © public domain.

Fruchtbarer Halbmond. © public domain.

Sesshaftigkeit, Ackerbau und Viehzucht haben sich bereits vor 10.000 Jahren im sogenannten Fruchtbaren Halbmond entwickelt. Dieses halbmondförmige Gebiet umfasst Regionen, die heute zur Türkei, Syrien, Iran und dem Irak gehören. Zuzana Hofmanová, eine der Erstautorinnen, führt dazu aus: „Ob die ersten Ackerbauern letztendlich aus dieser Gegend kamen, ist noch nicht bewiesen. Aber mit Sicherheit konnten wir feststellen, dass sie samt ihrer revolutionären neolithischen Kultur weite Teile Europas über die nördliche Ägäis in nur kurzer Zeit besiedelt haben.“

Es sollte nicht die letzte große Migration nach Europa sein: Vor etwa 5.000 Jahren zogen die Jamnaja, Bewohner der osteuropäischen Steppe, nach Mitteleuropa und gingen in den Gesellschaften ehemaliger Jäger und Sammler und früher Bauern auf. Die heutige Bevölkerung Europas entstand im Wesentlichen aus einer Mischung dieser drei Gruppen.

Universität Mainz, 6. Juni 2016

Originalpublikation:

Z. Hofmanová, S. Kreutzer et al., Early farmers from across Europe directly descended from Neolithic Aegeans, Proceedings of the National Academy of Sciences, 8. Juni 2016 DOI: 10.1073/pnas.1523951113

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