Jeden Herbst wandern Millionen von Monarchfaltern bis zu 3500 Kilometer von ihren Brutgebieten im Osten der USA und Kanada in ihre Winterquartiere in Zentralmexiko. Dort überwintern die Tiere in den Vulkanbergen der Sierra Nevada. Forscher haben nun herausgefunden, wie sich die Schmetterlinge bei ihrer langen Wanderung orientieren.
Ein farbenprächtiges Schauspiel: Die Wanderung der Monarchfalter
Wenn gegen Ende des Sommers die Tage kürzer werden und die Temperaturen sinken spielt sich jedes Jahr das gleiche faszinierende Schauspiel ab: Gruppen von Hunderten orange-schwarz gezeichneten Monarchfaltern (Danaus plexippus) schwärmen aus und brechen zur Wanderung in ihr Winterquartier auf. Unterwegs rasten die Schmetterlinge immer wieder an den gleichen Plätzen, wo sie zum Übernachten große Kolonien bilden. Da sie bei Temperaturen unter 10°C und starkem Wind nicht fliegen können müssen sie ihre Wanderungen bei schlechtem Wetter unterbrechen. Dann sitzen sie dicht gedrängt in riesigen Kolonien auf den Bäumen ihrer Rastplätze, um sich gegenseitig vor den Naturgewalten zu schützen. Sobald die Sonne wieder scheint und die Temperatur steigt erwachen die kleinen Kerlchen zu neuem Leben und ein riesiger, bunter Schwarm an Faltern erhebt sich erneut in die Lüfte. Auf ihrer Reise sind die filigranen Schmetterlinge bis zu zehn Wochen unterwegs in denen sie pro Tag etwa 80 km zurücklegen.
Sobald die ersten Falter im Winterquartier in den Bergen der Sierra Nevada angekommen sind suchen sie gezielt nach einem geeigneten Platz für die Überwinterung. Dazu fliegen sie umher und prüfen die Windrichtung. Sobald sie eine windgeschützte Heilige Tanne (Abies religiosa) gefunden haben lassen sie sich dort nieder. Später ankommende Falter setzen sich neben die bereits früher eingetroffenen Schmetterlinge und vertrauen auf deren gute Wahl des Überwinterungsplatzes. So bedecken bald dichte Trauben von Faltern die Bäume der Oyamel Kieferwälder im Hochland der Sierra Nevada. Dort überwintern jedes Jahr mehrere 100 Millionen Tiere dicht gedrängt in einem Gebiet von weniger als 20 Hektar. Bei der eisigen Kälte im Winter auf etwa 3000 Höhenmetern verfallen die Tier in eine Kältestarre.
Gefahren bei eisiger Kälte
Einen windgeschützten Überwinterungsplatz zu ergattern ist für die Tiere überlebenswichtig. Denn wenn sie bei Winterstürmen vom Baum fallen ist ihr Schicksal besiegelt. Wegen der Kältestarre sind sie nicht in der Lage, ihren alten Platz am Baum wieder einzunehmen. Jedes Jahr fallen bei den von Ende Dezember bis Anfang Januar auftretenden Stürmen ganze Trauben von Faltern von den Bäumen und verenden am Boden.
Sobald die Temperaturen im Februar wieder steigen erwachen die Schmetterlinge zu neuem Leben. Dann wandern sie von den Gipfeln der Sierra Nevada hinunter in die Täler und sammeln sich an Bäumen, die auf ihrer Route liegen zu kleinen, lockere Trauben. Unterwegs steuern die Falter immer wieder kleine Pfützen an, um dort Flüssigkeit aufzunehmen. Um wieder zu Kräften zu kommen besuchen sie nun auch wieder nektarreiche Blüten. Sobald es warm genug ist verlassen sie ihr Winterquartier in Mexiko und ziehen wieder gen Norden.
Jeder Schmetterling kann jedoch nur einen kleinen Teil dieser Wanderung selbst zurücklegen. Denn die Wanderung dauert deutlich länger, als die einzelnen Tiere leben. Deswegen legen die Weibchen unterwegs immer wieder Eier aus denen Larven schlüpfen, die sich nach einiger Zeit verpuppen, um als nächste Generation von Monarchfaltern die Reise nach Norden fortzusetzen. Dieser Generationszyklus wiederholt sich im Laufe der Wanderung nach Norden dreimal bis die ersten Schmetterlinge im späten Frühjahr wieder in der nördlichen USA und Kanada eintreffen.
Sobald der Sommer sich dann wieder seinem Ende entgegen neigt tritt die letzte Faltergeneration in eine sogenannte Diapause ein. In diesem Zustand vermehren sich die Falter nicht. Dafür können sie aber sieben Monate und länger leben. Diese lange Lebensspanne ermöglicht der letzten Sommergeneration der Schmetterlinge den langen Rückflug in ihr Überwinterungsquartier zu überleben und dort zu überwintern. Diese Generation vermehrt sich erst wieder, wenn sie im Februar oder März ihr Winterquartier verlässt.
Ausgeklügelter Orientierungssinn
Bisher wusste man, dass die Monarchfalter ihr Ziel auf ihrer langen Wanderung mit Hilfe eines zeitkompensierten Sonnenkompasses in ihren Antennen finden. Darin gleichen sie Zugvögeln und anderen Wanderfaltern, die von Afrika nach Europa ziehen. Ein solcher Kompass funktioniert nur an klaren, sonnigen Tagen. Bei bedecktem Himmel funktioniert er dagegen nicht. Zur Überraschung der Wissenschaftler wurden aber wandernde Monarchfalter auch bei bewölktem Himmel beobachtet.
Lange rätselten Forscher, wie die Schmetterlinge unter diesen Verhältnissen ihren Kurs beibehalten können. Einige Zeit vermutete man, dass sich die Tier an geographischen Landmarken orientieren. Eine Suche nach einem magnetischen Kompass bei Monarchfaltern verlief zunächst erfolglos. Möglicherweise, lag das daran, dass die Forscher, die diese Experimente durchführten nicht damit rechneten, dass der magnetische Kompass von ultraviolettem Licht, das die Wolken durchdringen kann, abhängig sein könnte.
Vor kurzem wurde bei der von Biologen sehr geschätzten Fruchtfliege Drosophila ein magnetischer Kompass entdeckt, in dem für ultraviolettes Licht empfindliche Cryptochrom Proteine zum Einsatz kommen. Da auch der Monarchfalter Cryptochrome besitzt haben Reppert und sein Team an der University of Massachusetts Medical School in den USA vermutet, der Monarchfalter könnte diese Proteine ebenfalls für eine Orientierung am Erdmagnetfeld nutzen.
Um diese Frage zu klären untersuchte der Postdoktorand Patrick Guerra aus Repperts Arbeitsgruppe das Flugverhalten der Schmetterlinge in einem Flugsimulator mit künstlichem Magnetfeld. Wie erwartet orientierten sich die Falter auch bei diffusem, weißem Licht nach Süden. Wenn der Forscher dagegen das künstliche Magnetfeld umkehrte wechselten auch die Falter ihre Orientierung. Sie richteten ihre Flugrichtung nach Norden aus. Das ist ein eindeutiger Beweis dafür, dass sich die Tiere am Neigungswinkel des Erdmagnetfeldes orientieren.
Als nächstes untersuchte Patrick Guerra die Abhängigkeit des magnetischen Kompasses der Monarchfalter vom Licht. Dazu setzte er Filter auf die Lichter des Simulators, die Licht unterschiedlicher Wellenlänge blockierten. Bei einer Beleuchtung mit Wellenlängen größer als 420 nm bewegten sich die Schmetterlinge orientierungslos im Kreis. Wogegen sie bei Wellenlängen zwischen 380 und 420 nm Wellenlänge, die dem UV-Bereich angehören, zielgerichtet flogen.
Grundlage für das Kompasssystem der Schmetterlinge sind vermutlich lichtempfindliche Magnetsensoren, die sich in den Antennen der Tiere befinden. Wenn die Forscher diese schwarz übermalten konnten sich die Falter nicht mehr orientieren.
Monarchfalter besitzen einen lichtabhängigen Inklinationskompass
Die Versuchsergebnisse belegen, dass der Monarchfalter zur Orientierung auf seiner langen Reise einen lichtabhängigen Inklinationskompass besitzt. Damit kann er die Inklination wahrnehmen, den Neigungswinkel der Linien des Erdmagnetfeldes gegenüber der Erdoberfläche. Das Erdmagnetfeld verläuft ungefähr längs der Rotationsachse der Erde. Wobei die Linien des Magnetfeldes die Erde im Süden verlassen, sie umspannen und im Norden wieder in sie eintreten. So kommt es, dass sie am Äquator parallel zur Erdoberfläche verlaufen und an den Polen senkrecht in den Boden weisen. Ein Inklinationskompass liefert Informationen über den Verlauf der Magnetfeldlinien entlang der Nord-Süd-Achse und deren Neigungswinkel im Verhältnis zur Schwerkraft. Auf beiden Erdhalbkugeln weist die Öffnung des Inklinationswinkels immer in Richtung des am nächsten liegenden Pols, während seine Spitze zum Äquator zeigt. Deshalb könnte der Inklinationskompass auf beiden Erdhalbkugeln gleich gut funktionieren. Tatsächlich hat man inzwischen Monarchfalter auch auf der südlichen Erdhalbkugel in Australien gesichtet. Ob sie dort auch wandern ist aber noch nicht bekannt. Der Monarchfalter ist das erste Insekt bei dem ein Inklinationskompass nachgewiesen wurde.
Für wandernde Monarchfalter könnte der Inklinationskompass ein wichtiges Reservesystem sein, das immer dann zum Einsatz kommt, wenn der Himmel bewölkt ist. Der Monarchfalter könnte ihn aber auch bei seinen Wanderungen als gleichberechtigte Ergänzung zu dem zeitkompensierten Lichtkompass einsetzen.
Als nächstes wollen die Wissenschaftler untersuchen, wie die Magnetsensoren des Monarchfalters im Detail funktionieren.
von Ute Keck
Vierteiliges Video über die Reise der Monarchfalter:
Die Reise des Schmetterlings Teil 1
Die Reise des Schmetterlings Teil 2
Die Reise des Schmetterlings Teil 3
Die Reise des Schmetterlings Teil 4
Originalpublikation:
Guerra PA1, Gegear RJ2, Reppert SM1. A magnetic compass aids monarch butterfly migration. Nat Commun. 2014 Jun 24;5:4164. doi: 10.1038/ncomms5164.