Die Gefahren der hohen Feinstaubbelastung zum Jahreswechsel in Deutschland wurden von der Presse stark übertrieben. Unsere Unstatistik setzt sie ins richtige Verhältnis.
Als vermeintliche Umweltsünder ins neue Jahr: Mit Sätzen wie „Die Deutschen haben ihre Luft an Silvester mit Lust und Vorsatz vergiftet“ geißelten Medien wie die Süddeutsche Zeitung oder Focus Online in den ersten Januartagen die private Böllerei. Was für viele Menschen in Deutschland als gute Tradition zum Jahreswechsel gilt, gehöre angesichts der Feinstaubbelastung als „nicht mehr zeitgemäßes Vergiften der Luft“ verboten, wird etwa der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) Jürgen Resch zitiert. Die Medien beriefen sich in ihren Artikeln auf die hohen Feinstaubkonzentrationen um 1 Uhr nachts, also unmittelbar nach dem Böller-Höhepunkt. Zu dieser Zeit wurden etwa in Berlin und Leipzig Spitzenwerte erreicht, die den EU-Tageshöchstrichtwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter um ein Vielfaches überschritten. Gleichzeitig wiesen die Artikel auf die negativen Folgen für Atemwege und Herz-/Kreislauferkrankungen hin.
Haben die Deutschen sich also an Silvester vorsätzlich schweren gesundheitlichen Risiken durch Feinstaubbelastung ausgesetzt? Nein, die Medien-Hysterie vom Jahresanfang war deutlich übertrieben. Das zeigen drei Gründe:
Punktuelle Feinstaubbelastung wirkt anders als dauerhafte Feinstaubbelastung
Bisher gibt es keine Belege für gesundheitliche Risiken durch punktuell sehr hohe Feinstaubbelastungen bei gesunden Menschen. Der EU-Richtwert bezieht sich vielmehr auf Tagesdurchschnitte. Diese steigen durch die private Knallerei natürlich an. Ihre Auswirkung verliert auf 24 Stunden verteilt aber viel von ihrem erschreckenden Ausmaß. So steht etwa dem um 1 Uhr nachts gemessenen Spitzenwert für Leipzig von 1.860 Mikrogramm pro Kubikmeter ein Durchschnitt von 133 Mikrogramm pro Kubikmeter am 1. Januar entgegen. Für Berlin betrugen die entsprechenden Werte aus der Silvesternacht 647 respektive 47 Mikrogramm pro Kubikmeter für den Tagesdurchschnitt.
Feinstaub verflüchtigt sich schnell
Bereits am 2. Januar wurden selbst in Städten, die wie Berlin und Leipzig in der Silvesternacht extrem hohe Feinstaubbelastungen aufwiesen, keine Grenzwertüberschreitungen mehr festgestellt. Haupteinflussfaktor für die Beständigkeit von Feinstaub ist das Wetter: Weht beispielsweise wenig Wind, bleibt die Feinstaubkonzentration in betroffenen Gebieten länger hoch. Das hat bei anhaltender Feinstaubzufuhr wie etwa durch innerstädtischen Verkehr viel verheerendere Auswirkungen als zeitlich begrenzte Aktivitäten wie die Silvesterböllerei.
Richtwerte für das gesamte Jahr
Der EU-Richtwert ist mit 50 Mikrogramm pro Kubikmeter darüber hinaus sehr vorsichtig bemessen und in die Grundregel eingebettet, dass dieser nicht mehr als 35 Mal im Jahr überschritten werden darf. Zum Vergleich: Für drei Milliarden Menschen in Entwicklungsländern, die ihre Mahlzeiten mangels Strom und Gas mit Feuerholz zubereiten, sind durchschnittliche Feinstaubbelastungen von etwa 900 Mikrogramm pro Kubikmeter tagtäglich Realität. Dies sind die Missstände, die etwa die Weltgesundheitsorganisation bei ihrem Kampf für saubere Luft vor allem im Auge hat. In Deutschland sorgt das Böllern an Neujahrstagen zwar immer mal wieder für einen Tag der Grenzwertüberschreitung, doch allein eine veränderte Wetterlage „verbraucht“ in den meisten Jahren mehrere der verbliebenen 34 Tage. Nur an wenigen Orten Deutschlands kommt es tatsächlich an mehr als 35 Tagen im Jahr zu Überschreitungen und dies ist dann meist dem Straßenverkehr zuzuschreiben.
Fazit: Auch wenn das private Silvesterfeuerwerk einmal im Jahr zu einer Grenzwertüberschreitung beiträgt und die Lärm- und Geruchsbelästigung zurecht nicht jedem gefällt, ist weder das Böllern selbst besonders giftig, noch hat es im Jahresverlauf große Auswirkungen. Der Feinstaubhysterie muss diese Tradition also nicht zum Opfer fallen.
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, 31. Januar 2017