Zukunftsmusik: Neues Verfahren wandelt Stickoxide aus Abgasen in Farbstoffe und Arzneimittel um

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Stickoxide fallen sowohl im Autoverkehr, als auch bei einigen industriellen Herstellungsprozessen als Abgase an und müssen in der Industrie aufwändig neutralisiert werden. Denn Stickoxide tragen nicht nur zur Bildung sauren Regens und Ozonsmogs bei, sondern beeinträchtigen auch die Lungenfunktion. Chemiker haben nun ein Verfahren entwickelt, mit dem Stickoxide, die in der Industrie anfallen, für die Herstellung von Farbstoffen und Arzneimitteln genutzt werden können. Dank dieser Methode könnten Unternehmen künftig die Entgiftung von Abgasen mit der Produktion neuer Stoffe verbinden.

Stickoxide (Abkürzung NOx) stellen eines der wichtigsten Umweltgifte dar. Die reaktiven Verbindungen aus Stickstoff und Sauerstoff entstehen bei Verbrennungsprozessen, wie sie etwa in den Motoren unserer Autos, aber auch in Gas- und Kohlekraftwerken, oder bei anderen thermischen und chemischen Prozessen in der Industrie auftreten. Um die Abgase von diesen aggressiven Verbindungen zu reinigen, benutzt man entweder Nachverbrennungen oder eine katalytische Reduktion. Beide dieser Verfahren sind jedoch vergleichsweise aufwändig und haben einige Nachteile. Doch Stickoxide sind nicht nur umweltgefährdende Gifte. Vielmehr könnten sie auch als wertvoller Rohstoff für die chemische Synthese hochwertiger Produkte genutzt werden.

Umweltgift als wertvolle Rohstoff nutzen

Stickoxide in Abgasen könnten dazu genutzt werden Balsalazide und … © public domain,. Wikimedia Commons.

Ein Forscherteam um Markus Heinrich an der Universität Erlangen-Nürnberg hat nun ein hocheffizientes Verfahren entwickelt, mit dem Stickoxiden aus Abgasen als Rohstoff eingesetzt werden können. In ihrer Modellanlage simulierten die Forscher ein in der Industrie weit verbreitetes Verfahren zur Umwandlung von Kupfer in Kupfernitrat. „Kupfernitrat wird als Farbstoff, Korrosions- und Holzschutzmittel sowie als Oxidationsmittel in der Synthesechemie verwendet“, erklärt Markus Heinrich. „Das beim Herstellungsprozess entstehende Stickstoffdioxid können wir unmittelbar mit der Synthese von Balsalazid und Sulfasalazin kombinieren – zwei zu den Azoverbindungen zählende Arzneistoffe, die zur Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen eingesetzt werden.“

Sulfasalazine herzustellen. Sie werden zur Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen eingesetzt. © public domain. Wikimedia Commons.

Abgase fast vollständig von Stickoxiden befreit

Das Herzstück der Modellanlage bildet ein röhrenförmiger Gaswäscher, mit dem die Forscher die Stickstoffdioxidkonzentration im Abgasstrom um 99,7 Prozent senken konnten. „Das ist ein sensationeller Wert, den wir allerdings unter Laborbedingungen erreichen“, schränkt Markus Heinrich ein. „Wir gehen jedoch davon aus, dass unsere Methode auch in der industriellen Anwendung einen guten Wirkungsgrad erzielen wird.“ Dabei gelang es den Pharmachemikern ihre neue Anlage so zu optimieren, dass sie selbst bei geringer Stickoxid-Konzentration und Schwankungen des Abgasstroms zuverlässig arbeitet.

Kupfernitrat kann gewonnen werden, indem man halbkonzentrierte Salpetersäure auf metallisches Kupfer gießt und dort einwirken lässt. Dabei entsteht am Kupfer gasförmiges Stickstoffmonoxid (NO). Gleichzeitig verfärbt sich die Lösung mit zunehmender Salzkonzentration analog zum Kupfer(II)-chlorid von Blau nach Grün. © public domain, Wikimedia Commons.

Ausgangsstoffe für verschiedene Einsatzgebiete

Die Herstellung von Kupfernitrat ist nur ein Beispiel für industrielle Verfahren, bei denen Stickoxide bislang aufwändig neutralisiert werden, anstatt sie für gewinnbringende Syntheseprozesse zu nutzen. Heinrich: „Überall dort, wo wir es mit überschaubaren Ausgangsstoffen zu tun haben, dazu zählt beispielsweise auch das Ätzen von Leiterplatten in der Elektronikindustrie, können wir Stickoxide als Nebenprodukt für die Herstellung von Arzneistoffen verwenden. Anders sieht es zum Beispiel bei Kraftwerken oder Müllverbrennungsanlagen aus: Aus diesem Cocktail an Giften und Schwermetallen sollten wir besser keine Medikamente gewinnen. Aber es ist möglich und sinnvoll, die im Abgas befindlichen Stickoxide für die Herstellung bestimmter Farbstoffe auf der Basis von Azoverbindungen zu verwenden.“

Universität Erlangen-Nürnberg, 7. Februar 2017

Originalpublikation:

Hofmann D, Gans E, Krüll J, Heinrich MR. Sustainable Synthesis of Balsalazide and Sulfasalazine Based on Diazotization with Low Concentrations of Nitrogen Dioxide in Air. Chemistry. 2017 Jan 5. doi: 10.1002/chem.201605359. [Epub ahead of print]

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