Aktivierte Immunzellen können Darmkrebs nach einer Operation anscheinend in Schach halten

T-Zellen im Kontakt mit einer dendritischen Zelle (groß, im Zentrum)  © DKFZ / Markus Feuerer

T-Zellen im Kontakt mit einer dendritischen Zelle (groß, im Zentrum) © DKFZ / Markus Feuerer

Aktivierte zytotoxische T-Zellen, auch „Killerzellen“ genannt, produzieren den Immunbotenstoff Tumornekrosefaktor alpha. Wissenschaftler wiesen nun nach, dass die Anzahl der sich im Tumorgewebe befindenden aktivierten und gegen den Tumor gerichteten Killerzellen umso höher ist, je mehr TNF alpha sich in dem Gewebe nachweisen lässt. Hohe TNF alpha-Spiegel im Tumor sind daher ein unabhängiger prognostischer Marker für einen günstigen Verlauf der Krebserkrankung.

Seit einigen Jahren untersucht man nach einer Darmkrebsoperation das Tumorgewebe auf eingewanderte Immunzellen. Findet der Pathologe darin viele der als „Killerzellen“ bezeichneten zytotoxischen T-Zellen, so ist ein günstiger Verlauf der Erkrankung wahrscheinlich und das Risiko für Metastasen niedriger.

Unklar war bisher, ob es sich bei den T-Zellen im Tumorgewebe um eine zufällige Begleiterscheinung eher gutartiger Tumore handelt oder ob die günstigere Prognose tatsächlich darauf zurückzuführen ist, dass sich die Immunzellen spezifisch und aktiv gegen den Krebs richten. Die alleinige Gegenwart der Killerzellen im Tumor garantiert noch nicht, dass sich die Immunzellen tatsächlich gegen das bösartige Gewebe wenden, denn Tumoren sind dazu in der Lage Immunzellen auf verschiedenste Weise ruhigzustellen.

Der Immunologe Philipp Beckhove vom Deutschen Krebsforschungszentrum untersuchte nun gemeinsam mit Chirurgen aus den Universitätskliniken Heidelberg und Dresden, ob die T-Zellen in Darmtumoren tatsächlich aktiv gegen die Tumorzellen vorgehen.

Zytotoxische T-Zellen, die ein spezifisches Merkmal des Tumors, ein sogenanntes „Tumorantigen“ erkennen und dadurch aktiviert werden, produzieren eine Kombination von drei Immunbotenstoffen. Besonders charakteristisch für aktivierte Killerzellen ist die Produktion von Tumornekrosefaktor (TNF) alpha. Die Forscher fanden nur bei den Patienten, aus deren Blut oder Knochenmark sie gegen den Tumor gerichtete Gedächtnis-T-Zellen isolieren konnten auch hohe TNF alpha-Spiegel in den Darmtumoren. Gedächtnis-T-Zellen sind eine Untergruppe von T-Zellen, die als immunologisches Gedächtnis dienen und den Organismus vor einer erneuten Infektion mit einem bereits bekannten Erreger schützen sollen. Solche gegen den Tumor spezifische Gedächtnis-T-Zellen könnten das Auftreten von Metastasen verhindern.

Als die Wissenschaftler die aus dem Blut oder Tumorgewebe isolierten zytotoxischen T-Zellen untersuchten, stellten sie fest, dass nur solche T-Zellen TNF alpha bilden, die gleichzeitig durch spezifische Proteinmerkmale des Tumors aktiviert waren. Die Gesamtmenge des im Tumor vorhandenen TNF alpha korreliert wiederum mit der Anzahl der TNF alpha-produzierenden Killerzellen im Tumor.

Diese Ergebnisse hatten die Forscher aus Gewebeproben von 88 Darmkrebs-Patienten gewonnen. An Proben von weiteren 102 Darmkrebs-Patienten überprüften sie anschließend den Vorhersagewert ihrer Ergebnisse. Sie wollten herausfinden, wie gut sich der TNF alpha-Spiegel im Tumor als unabhängiger Biomarker für die Prognose der Erkrankung eignet.

Dazu verglichen sie die TNF-alpha-Spiegel mit anderen Merkmalen des Tumors, die Einfluss auf den Verlauf der Krebserkrankung haben könnten: die klassische TNM-Klassifikation (Einteilung der Tumoren nach Größe, Differenzierungsgrad und Metastasierung), die Anzahl regulatorischer T-Zellen, die Anzahl von Entzündungszellen, die das Tumorwachstum fördern und die Konzentration eines Botenstoffs, der die Immunantwort unterdrückt.

Die 102 Gewebeproben stammten von Patienten, deren Darmkrebsdiagnose bereits längere Zeit zurücklag. Daher war der Verlauf der einzelnen Erkrankungen bekannt. Wie die Wissenschaftler entdeckten, lassen sich die Patienten, die ihre Diagnose zehn Jahre überleben und daher als geheilt gelten am besten anhand eines hohen TNF-alpha-Spiegels identifizieren.

„Die Konzentration von TNF alpha im Tumorgewebe entspricht der gegen die Krebszellen gerichteten Aktivität der zytotoxischen T-Zellen. Das ist ein sehr starker Beleg dafür, dass es bei der Prognose von Darmkrebs tatsächlich auf eine aktive T-Zellantwort gegen die Tumorzellen ankommt“, sagt Phillip Beckhove. „Wir können den Krankheitsverlauf präziser vorhersagen, wenn wir die TNF alpha-Spiegel bestimmen, als wenn wir einfach die T-Zellen im Tumorgewebe zählen.“

Und noch aus einem weiteren Grund freut sich der Immunologe über das Ergebnis „Wenn die zytotoxischen T-Zellen, die den Tumor bekämpfen, ein Indikator für eine gute Prognose sind, dann ist das ein ermutigender Hinweis darauf, dass auch T-Zell-Immuntherapien gegen Darmkrebs gute Erfolgsaussichten haben“. Genau solche Immuntherapien wollen Beckhove und seine Kollegen langfristig entwickeln.

Deutsches Krebsforschungszentrum, 29.01.2015

 

Originalpublikation:

Christoph Reissfelder, Slava Stamova, Christina Gossmann, Marion Braun, Andreas Bonertz, Ute Walliczek, Mario Grimm, Nuh N. Rahbari, Moritz Koch, Maral Saadati, Axel Benner, Markus W. Büchler, Dirk Jäger, Niels Halama, Khashayarsha Khazaie, Jürgen Weitz, and Philipp Beckhove: Tumor-specific cytotoxic T lymphocyte activity determines colorectal cancer patient prognosis. Journal of Clinical Investigation 2014, DOI: 10.1172/JCI74894

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