Seit 40 Jahren nutzen Forscher aus Biologie und Medizin die Durchflusszytometrie, eine Art »Zellzähler« für die Krebsanalyse. Doch bisher sind die Geräte groß, teuer und nur von Experten zu bedienen. Das nun von Fraunhofer-Forschern entwickelte Zytometer PoCyton dagegen ist preisgünstig, klein wie ein Schuhkarton und automatisiert.
Ob Chemotherapie oder Bestrahlung – Krebstherapien sind belastend für den Körper. Umso wichtiger wäre es zu wissen, ob die Behandlung wie gewünscht anschlägt. Bislang können Ärzte dies nur über eine Computertomographie feststellen. Schon in etwa zwei Jahren könnte das schneller und einfacher gehen: Dann reicht es, dem Patienten Blut abzunehmen und dieses in das Durchflusszytometer PoCyton zu geben. Ohne weiteres Zutun zeigt das Gerät dem Arzt wenig später automatisch an, wie viele zirkulierende Tumorzellen im Blut schwimmen. Die Zellen werden von den Krebsgeschwüren an das Blut abgegeben und lassen einen direkten Rückschluss auf die Wirkung der Therapie zu: Sinkt ihre Anzahl im Laufe der Behandlung, ist das ein Zeichen, dass sie wirkt.
Schneller, kleiner und leicht zu bedienen
Es gibt bereits Durchflusszytometer, mit denen man die Menge der im Blut zirkulierenden Tumorzellen messen kann. Der Haken: Diese Geräte kosten oftmals bis zu 300.000 Euro und benötigen etwa so viel Platz wie ein bis zwei Waschmaschinen. Zudem nimmt die Untersuchung mehrere Stunden in Anspruch – das Verfahren ist für den Klinikalltag zu teuer und zu zeitintensiv. Ein weiteres Manko: Die Zytometer lassen sich nur von Experten bedienen und müssen täglich kalibriert werden. Anders das PoCyton-Gerät, das Forscher am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie, Institutsteil IMM in Mainz entwickeln. »Mit unserem Durchflusszytometer können wir solche Untersuchungen etwa zwanzigmal schneller durchführen«, sagt Dr. Michael Baßler, Wissenschaftler am ICT-IMM. »Auch die Anschaffungskosten liegen mit wenigen tausend Euro in einer ganz anderen Größenordnung. Damit werden die Geräte für den Klinikbetrieb rentabel.« Weitere Vorteile: Die Forscher haben ihr Durchflusszytometer miniaturisiert, es ist nicht größer als ein kleiner Schuhkarton. Die Messung erfolgt automatisch, eine Kalibrierung ist nicht nötig.
Das Prinzip der Durchflusszytometrie: In das Blut wird ein Fluoreszenzfarbstoff gegeben. Diese Farbstoffmoleküle setzen sich gezielt auf die Tumorzellen, alle anderen Zellen bleiben unmarkiert. Während der Arzt den Farbstoff bisher per Hand in die Blutprobe geben musste, läuft dies bei PoCyton automatisch: Das Blut fließt durch eine Engstelle – alle darin umher schwimmenden Zellen werden somit einzeln an einem Laserspot vorbeigeführt. Dieser lässt die Zellen, die den Farbstoff huckepack tragen – die Tumorzellen – leuchten, das Gerät kann sie erkennen und zählen. Der Clou von PoCyton liegt in diesem »Nadelöhr«. »Wir haben diese Engstelle so ausgelegt, dass der Durchsatz gegenüber der herkömmlichen Zytometrie um den Faktor 20 steigt«, sagt Baßler. Die Geometrie des Nadelöhrs haben die Forscher dabei so gewählt, dass nach wie vor keine Zelle über eine andere passt. So stellen die Wissenschaftler sicher, dass das System jedes vorbeischwimmende Objekt registriert – und sich keine Zelle unter einer anderen verstecken kann. Denn das wäre fatal: Schließlich schwimmen etwa eine Milliarde Objekte in zehn Millilitern Blut. Selbst bei einem schwer erkrankten Patienten sind nur etwa fünf davon zirkulierende Tumorzellen. Die einzelnen Schritte wie eine ausreichende Sensitivität, die automatische Probenvorbereitung und die Auswertung haben die Forscher bereits im Griff. Nun setzten sie diese Einzelprozesse zu einem Gesamtdemonstrator zusammen. Im Sommer 2015 soll er fertig sein.
Legionellengefahr? Wasserqualität vor Ort überprüfen
Das Potenzial von PoCyton geht über die Messung der Tumorzellen hinaus. Ein Beispiel: Gemeinsam mit den Kollegen der Schweizer Firma rqmicro wollen sie mit dem Gerät im Trinkwasser Legionellen aufspüren. Diese stäbchenförmigen Bakterien können die Legionärskrankheit verursachen – eine Lungenentzündung, die tödlich enden kann. Möchte man überprüfen, wie es um das Trinkwasser in den eigenen vier Wänden bestellt ist, heißt es bislang: Eine Wasserprobe ins Labor schicken und etwa zehn Tage auf das Ergebnis warten. Denn so lange brauchen die Bakterien, die im Wasser enthalten sind, um sich in einer Petrischale ausreichend zu vermehren und gemessen zu werden. »Mit unserem Durchflusszytometer erhalten wir die Analyse in einer Stunde«, so Baßler. Der Handwerker kann das Gerät mitnehmen und das Wasser direkt vor Ort untersuchen. Im Alltag heißt das für ihn: Wasser in das Gerät geben, den Prozess starten, fertig. In etwa zwei Jahren, so der Plan, dürfte die Firma rqmicro das Gerät auf den Markt bringen.
Frauenhofer Gesellschaft, 4.5.2015