Plastik-abbauendes Bakterium entdeckt

Plastikmüll am Strand des Roten Meeres. © public domain.

Plastikmüll am Strand des Roten Meeres. © public domain.

Auf dem Gelände einer Recyclingfirma haben Forscher ein Bakterium entdeckt, das sich von Plastik ernährt. Zu diesem Zweck hat Ideonella sakaiensis zwei neue Enzyme entwickelt, mit deren Hilfe es PET in zwei Schritten in umweltverträgliche Abbauprodukte zerlegt. Diese nutzt es als Energie- und Kohlenstoffquelle. Für den Abbau einer dünnen PET-Folie benötigt es sechs Wochen.

Die zunehmende Verseuchung mit Plastikmüll stellt ein gewaltiges Umweltproblem dar: Nach 70 Jahren Plastikproduktion durch den Menschen hat sich das massiv abbauresistente Material über unseren gesamten Planeten verteilt. Zwar verwittert es mit der Zeit und zerfällt in kleinste Mikroplastik Teilchen. Doch diese kleinen Partikel werden von vielen Tieren für Nahrung gehalten und gefressen, so dass sie sich zunehmend in der Nahrungskette anreichern.

Lignin. © Karol Głąb. CC BY-SA 3.0.

Lignin zu knacken ist eine mindestens ähnlich harte Nuss, wie PET. Allerdings können sich die Bakterien an Holz besser anhaften. © Karol Głąb. CC BY-SA 3.0.

Forscher am Kyoto Institute of Technology in Japan haben nun bei einer Recyclingfirma aus 250 Proben ein Bakterium isoliert, das dazu in der Lage ist auf Folien aus Polyethylenterephthalat, kurz PET, zu wachsen. Offensichtlich ist es ihm gelungen die weit verbreitete Energie- und Kohlenstoffquelle PET zu erschließen. Das es einem Organismus früher oder später gelingen würde, diese Ressource zu nutzen war zu erwarten. Schließlich gibt es in der Natur noch andere, schwer zu knackende Rohstoffe, wie etwa das Lignin im Holz, die von verschiedenen Mikroorganismen zum Wachstum genutzt werden. Auch als die ersten Mikroorganismen im Präkambrium vor etwa 2,4 Milliarden gewaltige Mengen an damals noch für die meisten Organismen toxischem Sauerstoff gebildet hatten und damit die Große Sauerstoffkatastrophe auslösten entwickelte sich eine Vielzahl an Lebewesen, die sich den Sauerstoff zu Nutze machten. Demnach ist es nur eine Frage der Zeit, wann sich im Lauf der Evolution neue Lebensformen herausbilden, die neu entstandene Möglichkeiten nutzen. Davor kann es freilich zu einer gewaltigen Dezimierung von Arten kommen, die an die neuen Bedingungen (noch) nicht angepasst sind.

PET Strukturformel. © Jü. CC BY-SA 4.0

Ideonella sakaiensis baut PET zu den umweltverträglichen Substanzen…. © Jü. CC BY-SA 4.0

Doch nun zurück zu den PET abbauenden Mikroorganismen: Wie die Forscher herausfanden, heften sie sich an die Oberfläche der Plastikfasern und scheiden dort ein Enzym aus, das die Forscher PETase tauften. Es zersetzt PET in Mono(2-hydroxyethyl)therephtalsäure, abgekürzt MHET. Dieses Zwischenprodukt nehmen die Bakterien auf und zerlegen es mit Hilfe eines weiteren Enzyms, der MHETase, in die beiden umweltverträglichen Produkte Ethylenglycol (Alkohol) und Terephtalsäure. Diese Substanzen nutzt Ideonella sakaiensis zur Energiegewinnung und als Kohlenstoffquelle. Wobei es jedoch 75% des darin vorhandenen Kohlenstoffs wieder als CO2 frei setzt.

Ethylenglykol. © public domain.

…. Ethylenglykol, also Alkohol und….. © public domain.

Bei einer optimalen Temperatur von 30 Grad Celsius benötigen die Bakterien rund sechs Wochen, um ein PET-Stück von der Dicke eines Tesafilmstreifens abzubauen. Ob die Mikroorganismen Plastik auch bei niedrigeren Temperaturen abbauen können und wie schnell ihnen dies gelingt ist bisher noch völlig unklar.

Terephtalsäure. © public domain.

Terephtalsäure ab. Beide Substanzen verwertete es weiter als Energie- und Kohlenstoffquelle. © public domain.

Gegenwärtig kennt man kaum Enzyme, die dazu in der Lage sind PET zu zersetzen. Darüber hinaus verfügen sie nur über eine sehr geringe Aktivität und haben ihr Optimum bei ziemlich hohen Temperaturen zwischen 50 und 70 Grad Celsius. Eines der wichtigsten Probleme beim Abbau von PET besteht darin, sich die glatte Oberfläche zugänglich zu machen. Ideonella sakaiensis muss hierfür einen besonderen Mechanismus entwickelt haben, den das japanische Forscherteam jedoch bislang noch nicht genauer untersucht hat.

Man könnte Ideonella sakaiensis direkt dazu nutzen PET umweltfreundlich zu entsorgen. Dabei wurden jedoch wieder große Mengen an CO2 frei gesetzt. Das von den Bakterien gebildete Zwischenprodukt Terephthalsäure stellt jedoch auch einen begehrten Ausgangsstoff für die PET-Synthese dar. Deshalb wäre es auch denkbar die beteiligten Enzyme in einem technischen Verfahren einzusetzen, um PET-Abfällen wieder neues PET herzustellen. Bisher muss Terephthalsäure noch aus Erdöl gewonnen werden. Ein solches Verfahren würde zum einen ein umweltschonendes Recycling von PET erlauben, zum anderen die knappe Ressource Erdöl schonen und gleichzeitig eine CO2-neutrale Herstellung ermöglichen.

Ideonella sakaiensis hat seine beiden hochspezifischen Enzyme PETase und MHETase aus evolutionsbiologischer Sicht vermutlich in relativ kurzer Zeit entwickelt. Denn der Kunststoff PET wird erst seit rund 70 Jahren vom Menschen hergestellt und in die Umwelt freigesetzt. Es wäre interessant zu untersuchen, wie es dem Bakterium in diesem kurzen Zeitraum gelungen ist die hochspezifischen Enzyme zu entwickeln. Denkbar wäre etwa, dass es bereits über Enzyme verfügte, die nur an ein paar wenigen Stellen angepasst werden mussten, um ihre neue Aufgabe zu erfüllen.

von Ute Keck

Originalpublikation:

Shosuke Yoshida, Kazumi Hiraga, Toshihiko Takehana, Ikuo Taniguchi, Hironao Yamaji, Yasuhito Maeda, Kiyotsuna Toyohara, Kenji Miyamoto, Yoshiharu Kimura, Kohei Oda1. A bacterium that degrades and assimilates poly(ethylene terephthalate). Science 11 Mar 2016: Vol. 351, Issue 6278, pp. 1196-1199. DOI: 10.1126/science.aad6359

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