Die körpereigene Virenabwehr kann Hämorrhagisches Fieber auslösen

Weibliche Gelbfiebermücke. © James Gathany. public domain.

Weibliche Gelbfiebermücke.
© James Gathany. public domain.

Jährlich infizieren sich Millionen von Menschen mit den Erregern hämorrhagischer Fieber. Aber nur bei einem Bruchteil der Infizierten kommt es zu einem schweren Verlauf der Krankheit. Schon lange rätseln Forscher, woran das liegt. Nun haben Wissenschaftler herausgefunden, dass eine Überreaktion des eigenen Immunsystems für die typischen Symptome dieser Viruserkrankungen verantwortlich sein könnte.

Der Name Hämorrhagisches Fieber kommt vom altgriechischen αἷμα haima „Blut“ und ῥήγνυμι rhēgnymi „zerreißen, zerbrechen“. So erklärt sich auch die alte, deutsche Bezeichnung blutbrechende Fieber. Hämorrhagische Fieber sind hochgradig ansteckende Fiebererkrankungen, bei denen es als Komplikation zu massiven Blutungen kommen kann. Sie werden durch Viren, wie etwa dem Lassa-, Dengue-, Ebola-, Gelbfieber- oder Hantavirus ausgelöst. Die Erreger dieser Fiebererkrankungen sind weltweit verbreitet und führen jedes Jahr zu Million von Krankheitsfällen, mit zum Teil tödlichem Ausgang. Am häufigsten kommen diese Viren in Afrika, Südamerika oder Südostasien vor. In Mitteleuropa und Nordamerika kommt es nur selten zu Infektionen mit dem Hantavirus. Noch seltener werden solche Viren durch Reisende bei uns eingeschleppt. Dennoch stehen zur Behandlung dieser extrem infektiösen Erkrankungen in mehreren Deutschen Krankenhäusern Sonderisolierstationen bereit.

Die Krankheitserreger dieser Fieber vermehren sich natürlicherweise in Tieren und gehören damit zu den Zoonosen. Nur versehentlich werden sie von Tieren auf den Menschen übertragen und lösen dort, weil sie an den Menschen als Wirt bisher nicht gut angepasst sind, zum Teil schwere Erkrankungen aus. Zu den Krankheitsüberträgern gehören Haustiere genauso, wie Nagetieren und Affen, aber auch Stechmücken, sowie Zecken. Die Viren werden unter anderem durch Kontakt mit Kot oder Urin der eigentlichen Wirtstiere dieser Viren auf den Menschen übertragen. Zwischen der Ansteckung und dem Ausbruch der Krankheit vergeht meist etwa eine Woche. Die Inkubationszeit kann allerdings auch, wie beispielsweise beim Ebolafieber zwischen 2 und 21 Tagen schwanken. Einige Hämorrhagische Fieber können auch direkt von Mensch zu Mensch übertragen werden. Das kann durch Tröpfcheninfektion, Kontakt mit Blut oder Körperausscheidungen, wie Stuhl, Urin, Erbrochenem und Schweiß geschehen. Die Infektiosität dieser Krankheiten ist dann am höchsten, wenn der Patient die größte Zahl an Viren in sich trägt, meist also, wenn der Patient die schwersten Krankheitssymptome zeigt.

Symptome dieser Krankheiten sind hohes Fieber, sowie Leber und Nierenfunktionsstörungen. Bei einigen Patienten kann es zu den gefürchteten inneren Blutungen kommen. Oft sind selbst Stuhl und Urin der Patienten blutig. Die Patienten können Schockzustände, Kreislaufzusammenbrüche, Krämpfe und Lähmungserscheinungen entwickeln. Bei einem besonders schweren Krankheitsverlaufs kann es außerdem noch zu Störungen der Gehirnfunktion kommen. Das kann bleibende Schäden des Nervensystems zur Folge haben, wie etwa einen Gehörschaden.

Rötelmaus. ©  Soebe. CC BY-SA 3.0.

Rötelmaus. © Soebe. CC BY-SA 3.0.

Hantaviren in Deutschland

In Deutschland kommt das Puumala-Virus vor, das leichte bis mittelschwere Krankheitsverläufe verursachen kann. 2012 gab es in Deutschland 2 824 Fälle von Hantavirus-Erkrankungen. Tendenz steigend. Zum Glück sind die in Deutschland auftretenden Hantavirus-Varianten vergleichsweise harmlos. Die in Nordamerika vorkommenden Hantaviren sind dagegen wesentlich aggressiver. Bei ihnen beträgt die Sterblichkeit 35%.
Übertragen wird die Krankheit in Deutschland durch die Rötelmaus. Die Infektion mit dem Puumala-Virus äußert sich durch abrupt einsetzendes Fieber, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Blutdruckabfall, Blutbildveränderungen (Abnahme der Blutplättchen), neurologische Symptome (Sehstörungen), Nierenschädigung (Anstieg des Serum-Kreatinins, Mikrohämurie, Proteinurie). Akute Glaukomanfälle, eine Beteiligung des zentralen Nervensystems, Herzmuskelentzündungen und Darmblutungen können als Komplikationen hinzu kommen. Die meisten Hantaviruserkrankungen heilen folgenlos aus. Bei einem schweren Verlauf müssen diese Erkrankungen jedoch im Krankenhaus behandelt werden, sonst können sie zum Tode führen. Hantavirenerkrankungen sind in Deutschland meldepflichtig.

Ein Mausmodell hilft Hämorrhagische Fieber zu verstehen

Bisher gibt es gegen diese Fiebererkrankungen kaum wirksame Medikamente. Auch ist bislang nicht bekannt, warum diese Krankheiten nur bei machen der Infizierten zum Ausbruch kommen und bei anderen unproblematisch verlaufen. Nun haben Wissenschaftler einen wesentlichen Hinweis zur Lösung dieses Rätsels gefunden. Baccala, Oldstone und ihr Team vom Scripps Research Institute (TSRI)
in den USA konnten zeigen, dass möglicherweise die körpereigene virale Immunabwehr für den schweren Krankheitsverlauf dieser Fiebererkrankungen verantwortlich ist. Die Forscher untersuchten die Entwicklung von Hämorrhagischem Fieber an einer Virusinfektion bei Mäusen, die dem Lassafieber beim Menschen ähnelt.

Verantwortlich für die Überreaktion des Immunsystems sind Typ I Interferone, Proteine die eigentlich für eine effektive Virenabwehr sorgen sollen. Deswegen werden sie auch oft zur Therapie chronischer Virusinfektionen eingesetzt. Die neuen Forschungsergebnisse lassen sie jedoch in einem andern Licht erscheinen und legen nahe, dass sie manchmal mehr Schaden als Nutzen anrichten können. Denn die Forscher konnten die Ausprägung der Krankheitssymptome des hämorrhagischen Fiebers verhindern, indem sie den Signalweg der Typ I Interferone hemmten. Mäuse, die sonst an inneren Blutungen gestorben wären blieben nach dieser Behandlung gesund. Das Blockieren des Signalwegs der Typ I Interferone könnte also ein wirksamer Angriffspunkt im Kampf gegen Hämorrhagische Fieber sein.

Massiver Einfluss von Typ I Interferonen auf den Krankheitsverlauf

Die Wissenschaftler wählten für ihre Versuche einen Inzuchtstamm von Mäusen, dessen Immunsystem so überaktiv ist, dass sie im mittlerem Alter eine Autoimmunkrankheit entwickelt, bei der sich ihr Immunsystem gegen ihren eigenen Körper richtet. Um herauszufinden, wie die Mäuse in jungen Jahren mit einer Virusinfektion fertig werden infizierten die Forscher die Tiere mit dem gut untersuchten Mäusevirus Lymphocytischer Choriomeningitis Virus (LCMV). Das normale Virus LCMV Klone 53b löste keine Symptome aus und wurde von den Mäusen schnell aus dem Blut beseitigt. Ganz anders verlief dagegen eine Infektion mit LCMV Klon 13. Diese Virenvariante verursachte eine chronische Infektion. Die Mäuse mit dem überaktiven Immunsystem erkrankten schwer an dieser Infektion und alle Tiere starben nach sieben bis acht Tagen. Bei den meisten anderen Mäusestämmen verursacht dagegen auch diese Virenvariante nur schwache Krankheitssymptome. Ein überaktives Immunsystem ist also anscheinend eine Voraussetzung für die Ausprägung der schweren Symptome bei den Mäusen.

Bei genauerer Untersuchung der an Klon 13 erkrankten Mäuse mit überaktivem Immunsystem stellten die Forscher fest, dass deren Blutgefäße undicht geworden waren und sich in der Lunge Flüssigkeit und Immunzellen angesammelt hatten, die gegen das Virus gerichtet waren. Die Zahl der Blutplättchen war erniedrigt und die Tiere wiesen weitere für Hämorrhagisches Fieber typische Symptome auf.

LCMV gehört zur selben Virusfamilie, wie das Lassa-Virus, das eines der am weitesten verbreiteten Auslöser für Hämorrhagisches Fieber ist. Beide Viren benutzen den selben Rezeptor als Eintrittspforte über den sie in den selben Zelltyp eindringen. Das Lassa-Virus infiziert jedes Jahr circa 100.000 – 300.000 Menschen. Etwa 2% der in Dörfern lebenden Infizierten, 15-16% der Lassa-Virus-Patienten in den Krankenhäusern und 30-50% der infizierten schwangeren Frauen sterben an dem Fieber.

Der Grund für die vergleichsweise hohe Sterblichkeitsrate des Lassafiebers liegt vermutlich darin, dass das Virus noch nicht gut an den Menschen angepasst ist. Ein gut an seinen Wirt angepasstes Virus führt normalerweise nicht zu einer solch hohen Sterblichkeit, da das Virus seinen Wirt schonen muss, um sich in ihm möglichst gut vermehren zu können. Viele Westafrikaner haben jedoch Antikörper gegen das Lassa-Virus in ihrem Blut ohne, dass die Krankheit bei ihnen ausgebrochen ist. Das könnte darauf hin weisen, dass sich das Virus in dieser Region doch bereits an den Menschen als Wirt angepasst hat.

Ein anderes Hämorrhagisches Fieber, das Denguefieber, führt ebenfalls nur bei einer kleinen Gruppe von Patienten zu einem schweren Krankheitsverlauf. Viele Patienten entwickeln bei einer Infektion mit dem Dengue-Virus nur unspezifische Symptome. Bei anderen ähnelt der Krankheitsverlauf einer schweren Grippe. Nur bei wenigen Patienten kommt es zu den gefürchteten Symptomen, wie inneren Blutungen, die dann zum Tode führen können. Jährlich infizieren sich etwa 390 Millionen Menschen mit dem Dengue-Virus, wovon c.a. 500.000 Patienten einen schweren Krankheitsverlauf durchleiden, an dem dann rund 22.000 Patienten sterben. Dabei haben sich die Fallzahlen von 1960 bis 2010 verdreißigfacht. Deshalb wird das Denguefieber oft auch als emerging disease (sich ausbreitende Krankheit) bezeichnet.

Da der Infektionsverlauf des Mäusevirus LCMV Klon 13 bei den Mäusen mit überaktivem Immunsystem ähnlich verläuft, wie das Denguefieber bei Patienten mit einem schweren Krankheitsverlauf, könnte es als Modellsystem für menschliche Hämorrhagische Fieber dienen. Man könnte an diesem Modellsystem lernen, was die Ursache für einen schweren Krankheitsverlauf bei diesen Fiebern ist und wie man sie therapieren kann.

Ein neuer Angriffspunkt gegen hämorrhagische Fiebererkrankungen

Baccala und sein Team entdeckten schnell Hinweise dafür, dass die überaktiven, antiviralen, cytotoxischen Immunzellen für die Ausprägung des Hämorrhagischen Fiebers verantwortlich waren. Die Forscher fanden eine erhöhte Anzahl dieser Zellen in den betroffenen Mäusegeweben. Außerdem trugen diese Zellen mehr immunstimulatorische Proteine auf ihrer Oberfläche. Die überaktiven Immunzellen hatten die Endothelzellen zerstört, die die Blutgefäße der Lunge auskleiden. Das war der Grund dafür, dass die Gefäße der Mäuse durchlässig wurden und es zu der fatalen Flüssigkeitsansammlung in der Lunge kommen konnte.

Typ I Interferone galten bisher immer als zentrale Bestandteile der antiviralen Abwehr des Immunsystems. Als Baccala und seine Mitarbeiter jedoch den Signalweg der Typ I Interferone bis zu einem Tag nach der Infektion hemmten wurden keine cytotoxischen Immunzellen aktiviert. Da nun die Zellen, die normalerweise die Viren abwehren fehlten stieg der Viruspiegel im Blut der Tiere massiv an. Aber erstaunlicherweise entwickelten die Mäuse unter diesen Bedingungen keinerlei Krankheitssymptome. Im Gegenteil konnten sie die hohe Zahl der Viren anscheinend problemlos tolerieren. Das lässt vermuten, dass das Virus selbst harmlos ist und nur die von ihm ausgelöste massive Immunreaktion die beobachteten Krankheitssymptome hervorruft. Als nächstes wollen die Forscher herausfinden, ob es besser ist die Typ I Interferone selbst auszuschalten oder die von ihnen aktivierte Signalkette weiter unten zu blockieren.

Von Ute Keck

 

Literatur:

Baccala R1, Welch MJ2, Gonzalez-Quintial R2, Walsh KB2, Teijaro JR2, Nguyen A2, Ng CT2, Sullivan BM2, Zarpellon A3, Ruggeri ZM3, de la Torre JC2, Theofilopoulos AN2, Oldstone MB1. Type I interferon is a therapeutic target for virus-induced lethal vascular damage. Proc Natl Acad Sci U S A. 2014 Jun 17;111(24):8925-30. doi: 10.1073/pnas.1408148111.

Krüger, Detlev H.; Ulrich, Rainer G.; Hofmann, Jörg. Hantaviren als zoonotische Krankheitserreger in Deutschland. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(27-28): 461-7; DOI: 10.3238/arztebl.2013.0461

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