Unsere Lebensdauer hängt weniger von unseren Genen ab als gedacht

Dösende alte Frau. Nicolaes Maes (1634–1693) © public domain.

Bisher waren Forscher davon überzeugt, dass unsere Lebensdauer massiv von unseren Genen bestimmt wird. Doch eine Analyse der Lebensspanne von 400 Millionen Menschen aus einer Verwandtschaftsdatenbank relativiert diese Annahme.

Auf zwischen 15 und 30% schätzten Forscher den Einfluss der Gene auf unsere Lebensdauer. Das hatte die Untersuchung von verschiedenen Datensätzen ergeben. Doch zur Verwunderung der Forscher lebten nicht nur Blutsverwandte ähnlich lang, sondern auch deren Partner. Um diesem merkwürdigen Phänomen auf den Grund zu gehen haben Forscher von der Firma Calico Life Sciences in den USA die Daten von 400 Millionen Nutzern der Verwandtschaftsdatenbank Ancestry.com untersucht. Dieser Datensatz war so groß, dass sie zur Auswertung das Strukturgleichungsmodell anwenden konnten. Ein statistisches Verfahren, das bisher wegen der zu kleinen Datensätze nicht eingesetzt werden konnte. Es ermöglicht korrelative Zusammenhänge zu schätzen und zu testen und zwischen abhängigen Variablen und unabhängigen Variablen zu unterscheiden.

Zunächst schauten die Forscher nur auf die Korrelation zwischen Lebensdauer und Erblichkeit in dem großen Datensatz und kamen zu dem aus der Literatur bereits bekannten Ergebnis von 15 bis 30%.

Doch die Forscher fanden eine vergleichbar hohe Korrelation der Lebensdauer zwischen angeheirateten Verwandten. Hierfür müssten Faktoren verantwortlich sein, die nicht genetisch bedingt, sondern etwa soziokultureller Natur sind. Auch sie werden von einer Generation zur nächsten weitergegeben.

Nur wegen des großen Datensatzes konnten die Forscher die Weitergabe der nicht genetisch bedingten, sondern angeheirateten Eigenschaften gut nachvollziehen. Das war anderen Forschern bisher nicht gelungen, weil sie nicht über so viele Daten verfügten.

Bei der Verfolgung von Verwandtschaftsverhältnissen, wie deines Verwandten’s Partner’s Verwandter oder deines Partner’s Verwandten’s Partner fanden die Forscher heraus, dass auch diese Personen, die nicht miteinander verwandt waren und auch nicht im selben Haushalt lebten dennoch eine vergleichbar lange Lebensdauer hatten.

Laut den Forscher kann hierfür eine entsprechende Partnerwahl verantwortlich gemacht werden. Natürlich kann jemand, der einen Partner heiratet nicht im vorhinein wissen, wie lange dieser leben wird. Doch für die Auswahl könnten viele Faktoren verantwortlich sein: Wie etwa, wenn Menschen mit vergleichbarer Intelligenz, einem ähnlichem Bildungsniveau oder sozialen Status eher heiraten und gleich lange leben, dann kann die Korrelationen der Lebensdauer hiermit erklärt werden. Gleiches gilt für andere Eigenschaften, die bei der Partnerwahl eine Rolle spielen und gleichzeitig die Lebensdauer beeinflussen könnten.

Durch ihre Analyse kommen die Forscher zu dem Schluss, dass die Gene zur Lebensspanne nur etwa 7% beitragen. Wie lange wir leben ist demnach weniger in unseren Genen festgelegt. Sondern es hängt vielmehr von anderen Faktoren ab, wie unserer Lebensweise und den Umwelteinflüssen denen wir ausgesetzt sind.

von Ute Keck, 15. Oktober 2018

Originalpublikation:

J. Graham Ruby et al. Estimates of the Heritability of Human Longevity Are Substantially Inflated due to Assortative Mating. GENETICS November 2018. 210(3): 1109-1124. DOI: 10.1534/genetics.118.301613

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