Veränderungen im Monsun führten zu Untergang der Indus-Kultur

Die Indus-Kultur ist eine der frühen bronzezeitlichen Hochkulturen, die sich vor rund 4500 Jahren entlang großer Flüsse entwickelten. Sie fasziniert Forscher noch heute wegen ihres ausgeklügelten Wassermanagements, das sogar Wasserklosetts, Bäder und eine Kanalisation umfasste. Diese vermutlich friedliche Kultur, die auf Landwirtschaft und Handel beruhte florierte rund 700 Jahre. Danach verließen die Menschen die zahlreichen Städte und zogen in andere Gebiete. Lange rätselten Forscher, was zum Untergang dieser Hochkultur führte.

Lage der Indus-Kultur. © Avantiputra7. CC BY-SA 3.0.

In der Bronzezeit gehörten rund 10% der damaligen menschlichen Bevölkerung zur Indus-Kultur. Die Mitglieder der auch als Harappa-Kultur bezeichneten Menschen siedelten entlang der Flüsse Indus und Ghaggra-Hakra in einer Region, die fast das gesamte heutige Pakistan, sowie Teile Indiens und Afghanistans umfasste, auf einer Fläche von 1.250.000 km². Damit war das von der Indus-Kultur bewohnte Gebiet größer, als die des alten Ägyptens und Mesopotamiens zusammen.

Tanzendes Mädchen von Mohenjo-Daro. © Joe Ravi. CC BY-SA 3.0

Archäologen haben bisher 1022 Siedlungen dieser Kultur entdeckt. Davon liegen 406 in Pakistan und 660 in Indien. Zu ihren bedeutensten Städten am Indus gehören Harappa und Mohenjo-Daro. Während die bisher größte Stadt dieser Kultur Rakhigarhi an den Ufern des heute ausgetrockneten Flusses Ghaggra-Hakra liegt, an den noch heute ein altes indisches Volkslied erinnert. Bisher streiten sich die Gelehrten noch, ob es sich bei diesem Fluss um den legendären Sarasvati handelt, der in den Veden erwähnt wird und von dem berichtet wird, dass er dereinst in der Wüste versandete. An seiner ehemaligen Mündung lag Dholavira, eine weitere wichtige archäologische Grabungsstätte dieser Kultur.

Wasserleisysteme in Lothal. © Sanjeev.singh3. CC BY-SA 3.0.

Die Menschen der Harappa-Kultur planten ihre Städte systematisch, bauten ihre Gebäude mit gebrannten Lehmziegeln, pflasterten ihre Straßen und versahen sie mit Rinnen für das ablaufende Wasser. Ihre Häuser verfügten bereits über Wasserklosetts und Bäder, die in gemauerte Entwässerungskanäle mündeten: Eine der ältesten Kanalisationen der Welt. Auch sonst waren die Mitglieder der Indus-Kultur wahre Meister des Wassermanagements: Da der Monsun nur im Sommer genügend Regen brachte mussten sie das Wasser in riesigen, offenen Becken speichern, in das sie das über den Fluss herangetragene Wasser einleiteten. Solche gewaltigen Wasserbecken umgaben etwa Dholavira und prägten sein Stadtbild. So konnten die Menschen das ganze Jahr über ihre Felder bestellen. Trinkwasser gewannen sie aus tiefen Brunnen, die sich aus dem Grundwasser speisten. Die besondere Bedeutung, die diese Kultur dem Wasser beimaß, zeigt sich auch an ihren öffentlichen Bädern, die wohl kultische Bedeutung hatten. So könnte sich aus der Verehrung der Flussgöttin Sarasvati die indische Göttin der Weisheit und Gelehrsamkeit entwickelt haben, die noch heute eine der populärsten hinduistischen Göttinnen ist. Die Praxis des rituellen Bades hat sich jedenfalls in Indien bis zur heutigen Zeit erhalten.

Siegel der Indus-Kultur. © gemeinfrei.

Eine der besonderen Leistungen der Indus-Kultur bestand in ihren einheitlichen Gewichtsmaßen, die in allen Städten gleichermaßen galten und den Handel wesentlich erleichtert haben dürften. Ein vergleichbares Maßsystem fehlte etwa in Mesopotamien. Da die Archäologen bisher kaum Waffen, dafür aber sehr viel Kinderspielzeug bei ihren Ausgrabungen fanden, geht man davon aus, dass diese Kultur vermutlich sehr friedlich war. Zur gleichen Zeit führten die verschiedenen Stadtstaaten in Mesopotamien zahllose Kriege gegeneinander und kämpften untereinander um die Vorherrschaft in der Region.

Keramik der Indus-Kultur. © gemeinfrei.

Vermutlich herrschten eine oder mehrere Familien in einer Stadt der Indus-Kultur. Anders als die normale Bevölkerung wurden die Mitglieder dieser Familien in Gräbern bestattet. Die dort beigesetzten Frauen waren untereinander vermutlich verwandt, wie Analysen der Knochen von Gräbern aus Harappa ergaben. Dies traf auf die Männer nicht zu. Demnach dürften die Männer vermutlich die Ehepartner der Frauen gewesen sein. Als Schmuck waren in dieser Kultur Armreife besonders beliebt, die von Männern, wie Frauen gleichermaßen gerne getragen wurden. Im Laufe der Zeit wurden die Armreife der bestatteten Frauen in Harappa immer kleiner, was darauf schließen lässt, dass diese Frauen keiner physischen Arbeit nachgingen, weil ihre Arme dafür zu schlank waren. Es handelte sich bei ihnen nicht um junge sonder recht alte Frauen, die wohl gut versorgt wurden und einen hohen Status hatten.

Topf der Indus-Kultur mit typischem Motiv von Blättern der noch heute von Indern als heilig betrachteten Pappelfeige (auch Bodhibaum genannt). © Auckland Museum. CC BY 4.0.

Die Städte waren durch Stadtmauern befestigt. Doch keine der bisher ausgegrabenen Siedlungen wiesen ein Einwirken von Gewalt auf, wie Zerstörungen, Brände oder Ähnliches. Die Städte wurden demnach nie durch Kriege eingenommen, wie etwa in Mesopotamien. Auch fand man keine Anzeichen dafür, dass diese Kultur über eine Armee verfügte. So dienten die Stadtmauern wohl eher der Kontrolle des Warenaustausches und zur Sicherung der Steuern. Eine Ausnahme könnte das an der Mündung des Ghaggra-Hakra gelegene Dholavira sein, das über besonders starke Befestigungsmauern verfügt. Sie könnten als Schutz vor Piraten gedient haben.

Kultgefäß. © gemeinfrei.

Siegel zur Kennzeichnung von Waren sind eines der am häufigsten gefundenen Objekte. Diese Siegel waren sowohl mit Tiermotiven, Menschen und sehr oft auch mit Einhörnern und Schriftzeichen versehen. Da man bisher jedoch noch keinen Stein von Rosetta für die Industal-Schrift gefunden hat, konnte sie noch nicht entziffert werden.

In den Städten fand man weder Tempel, noch Prunkbauten, wie sie etwa für königliche Herrscher typisch sind. Dennoch sind die Häuser unterschiedlich groß und verschieden ausgestattet. Vermutlich handelte es sich bei der Bevölkerung um eine bunte Mischung verschiedener Völker der Region, die möglicherweise auch ihre eigenen Sprachen und Kulturen mitbrachten. Dann wäre die Indus-Kultur ein Schmelztiegel vieler verschiedener Volksgruppen gewesen.

Figur einer Frau. © Ismoon. public domain.

Die Flüsse dienten den Menschen als Transportwege für ihre Güter. Noch heute sehen die Schiffe der Pakistaner, die auf dem Indus fahren denen auf den Rollsiegeln der antiken Händler der Indus-Kultur zum Verwechseln ähnlich. Doch die Händler aus dem Industal waren mit ihren Schiffen nicht nur auf den Flüssen von Indus und Ghaggra-Hakra unterwegs. Ihre Handelsbeziehungen reichten sogar über Bahrain und Oman bis nach Mesopotamien. In Bahrain und Oman fand man die für das Industal typischen Ketten aus Karneol. Auch Keramiken der Induskultur gelangten dorthin. Noch heute zeugen über 80.000 Gräber in Bahrain von Händlern, die wohl zur Indus-Kultur gehörten von den engen Handelsbeziehungen der damaligen Zeit. Die Sumerer aus Mensopotamien nannten das Land am Indus auf ihren Tontäfelchen Meluha und gaben ihm den Beinamen „Land des Karneols“. Sie verbanden das Land mit Reichtum und Frieden. Indische Händler reisten sogar bis Mesopotamien selbst. Davon zeugen Siegel und Gewichtsmaße aus dem Industal, die in mesopotamischen Städten gefunden wurden. Aus Meluha bezogen die Mesopotamier unter anderem Zinn, Lapislazuli, Karneol und Gold sowie weitere Luxusartikel, aber auch Bauholz für einen Tempelbau.

Figur eines Mannes, der ein Priesterkönig sein könnte, oder auch etwas ganz anderes. Die Figur war zerstört. © Mamoon Mengal. CC BY-SA 1.0.

Die Bauern der Indus-Kultur bauten Weizen, Gerste, Linsen, Kichererbsen, Erbsen, Hirse, Baumwolle, Leinsamen, Sesam und Flachs an. Ihre Vorgänger hatten bereits den Wasserbüffel domestiziert und den Pflug erfunden. Die Landwirtschaft muss sehr effektiv gewesen sein, sonst hätten die tausenden von Menschen in den Städten, die nicht in der Landwirtschaft tätig waren, nicht ernährt werden können. Möglich wurde dies vermutlich durch den fruchtbaren Flussschlamm, wie dies etwa auch am Nil der Fall war. Ausgrabungen entlang des inzwischen ausgetrockneten Ghaggra-Hakra ergaben, dass sich die einzelnen Siedlungen auf ein oder mehrere, wenige Produkte spezialisierten. So baute etwa ein Ort im wesentlichen Baumwolle an und verarbeitete sie zu Textilien, während sich andere auf die Verarbeitung von Metallen spezialisiert hatten.

Sarasvati, die Göttin der Weisheit, des Wissens, der Musik und der Kunst, ist bis heute eine der beliebtesten Göttinnen des Hinduismus. AKS.9955. CC BY-SA 4.0.

Um 1800 v. Chr. hörten die Berichte der Mesopotamier über Meluha auf. Und auch die Archäologen fanden, dass die antiken Städte der Indus-Kultur zu diesem Zeitpunkt verlassen wurden. Ein möglicher Grund könnte eine Klimaveränderung gewesen sein, die das Verhalten des Monsuns beeinflusste, der die beiden Flüsse Ghaggra-Hakra und Indus mit Wasser füllte. Der Sommermonsun ließ nach und statt dessen verstärkte sich der Wintermonsun in den Gebieten des Vor-Himalaya. Daher zogen die Menschen aus den Flusstälern nach Norden, an den Fuß des Himalaya. So ließe sich das Phänomen erklären, das in den Veden beschrieben ist: Der Ghaggra-Hakra oder Sarasvati bekam nicht mehr genügend Wasser und floss daher nur noch unterirdisch. Erst vor einigen Jahren hat man erkannt, dass unter dem ausgetrockneten Flussbett Wasser fließt, das sich für die Landwirtschaft nutzen lässt.

von Ute Keck, 23. November 2018

Quellen:

Das Auffrischen des Wintermonsuns

Indus Valley Civilisation: It’s Economy

The Unicorn Seal

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