Wie wir uns gute Gewohnheiten zu- und schlechte ablegen

Gute Gewohnheiten können unser Leben leichter machen, weil sie unbewusst ablaufen und uns keine Energie kosten. © Photo Dharma. CC BY 2.0. Wikimedia Commons.

Viele Dinge, die wir täglich tun werden von unserem Unbewussten gesteuert. Das kann positiv sein, wenn wir uns gute Gewohnheiten zugelegt haben. Kann aber ebenso schlecht sein, wenn wir immer wieder automatisch Dinge tun, die wir eigentlich vermeiden wollen. Viele unserer unbewusst ausgelösten Verhaltensweisen werden von äußeren Reizen getriggert, die in unserer Umwelt auftreten. Diese Tatsache kann man sich zunutze machen, um sich an etwas zu erinnern, was man nicht vergessen will. Es kann einem dabei helfen, gute Gewohnheiten zu entwickeln. Umgekehrt kann das Entfernen von Reizen, die unsere schlechten Gewohnheiten auslösen, uns dabei helfen diese abzulegen.

Wer kennt Die Situation nicht? Eben hatten wir noch im Kopf, was wir gerade machen wollten und dann verlassen wir den Raum, denken kurz an etwas anderes und wissen nicht mehr, was wir gerade noch vor hatten. Ein wirksamen Mittel, um sich zu erinnern, liegt darin, in den Raum zurückzugehen. Offenbar ist unsere Erinnerung in diesem Fall mit einem Reiz gekoppelt, der sich in dem Raum befand. Wir haben etwa ein Urlaubsbild an der Wand gesehen, das uns daran erinnerte, dass wir noch den Mietwagen für den Urlaub reservieren wollten. Ein unbewusster Prozess, denn wir haben nicht bewusst darüber nachgedacht, was wir noch alles für den Urlaub brauchen, sondern unser Gehirn war entspannt und hat beim betrachten des Bildes einfach assoziativ die Verbindung zum Mietwagen hergestellt. Doch was in diesem Fall Zufall war kann man sich auch bewusst zunutze machen: Das Koppeln eines Zieles mit einem bewusst gewählten Reiz.

Etwa wenn wir, sobald wir nach Hause kommen, etwas bestimmtes tun möchte, das wir keinesfalls vergessen dürfen. Wie das Obst, das noch im Kühlschrank liegt herauszunehmen und sich aufwärmen zu lassen. Hierzu kann man sich genau vornehmen, das man sobald man die Tür aufschließt daran denkt, das Obst aus dem Kühlschrank herauszunehmen, was man dann auch sofort tut, wenn man zur Tür herein kommt. Psychologen nennen diese Technik Realisierungintention oder Implementation Intentions. Sie wurde von Peter M. Gollwitzer entwickelt. Und ich kann selbst bestätigen, dass diese Technik zumindest für diesen einfachen Fall funktioniert, denn ich habe sie bereits selbst erfolgreich angewandt, ohne zu wissen, dass es sich dabei um eine wissenschaftlich erforschte Technik zur Selbstkontrolle handelt.

Der entscheidende Punkt bei der Realisierungsintention besteht darin, sich konkret vorzustellen, wo (die eigene Wohnungstür), man was (das Obst aus dem Kühlschrank nehmen), wann (sobald man nach Hause kommt) tun will. Diese Technik funktioniert jedoch nicht nur zuverlässig, um sich an etwas einmalig zu erinnern, sondern man kann sie auch gut dazu benutzen sich gute Gewohnheiten anzueignen. Etwa, wenn man zwar schon immer gerne mehr Sport treiben wollte, sich aber bisher nie dazu aufraffen konnte. Solche vagen Motivationen funktionieren genau deswegen oft nur sehr schlecht, weil wir uns keine konkreten Pläne gemacht haben, wann wir wo was machen wollen. Besser klappen kann dies, wenn wir uns etwa vornehmen, immer nach dem Abendessen noch einen Abendspaziergang zu machen. Dann verbinden wir mit dem Ort, wo wir zu Abend essen und dem Zeitpunkt, an dem wir mit dem Essen fertig sind die Absicht, noch einen Abendspaziergang zu machen. Anfangs mag dies noch eine gewisse Überwindung kosten. Aber nach einigen Tagen oder Wochen wird uns dieses Verhalten zur Gewohnheit und dann brauchen wir gar nicht mehr darüber nachzudenken, ob wir einen Spaziergang machen wollen oder nicht. Wir tun es einfach, weil wir es gewohnt sind. Es kostet uns gar keine Kraft mehr. Und unser Körper will es dann sogar gerne tun.

Das umgekehrte gilt, wenn wir uns schlechte Angewohnheiten abgewöhnen wollen. Dann müssen wir versuchen, die Reize aus unserer Umgebung zu verbannen, die uns in Versuchung führen, etwa Süßigkeiten zu essen, Alkohol zu trinken oder zu viel einzukaufen. Tatsächlich haben es sich Menschen, die über eine bessere Selbstkontrolle verfügen geradezu zur zweiten Natur gemacht, Reize zu meiden, die sie zum vermehrten Naschen, Alkohol trinken oder einkaufen verführen. Wenn sie Torten sehen, sagen sie sich etwa „Das ist mir zu viel Zucker!“ und lassen sie links liegen. Oder sie kaufen statt Spirituosen lieber Säfte oder Mineralwasser, so dass sie zu Hause gar keine Gelegenheit haben, etwas zu sich zu nehmen, dass sie meiden wollen. Oder sie sagen sich, wenn sie in Versuchung geraten, etwas zu kaufen, das sie nicht wirklich brauchen „Davon habe ich schon genug. Ich will mein Geld lieber sparen.“ Diese Denkweise ist für sie so selbstverständlich geworden, dass sie unbewusst abläuft und sie keinerlei Energie kostet.

Daher kann man sich auf diese Weise schlechte Angewohnheiten abgewöhnen: Indem man sich noch bevor man in die fragliche Situation oder an den Ort gerät vornimmt: „Wenn ich Schokolade sehe, sage ich mir, dass ich sie nicht essen möchte, weil ich Diät halten will.“ Hält man sich an diese Art der Realisierungintention über einen längeren Zeitraum, so wird der Wunsch, die schlechte Gewohnheit auszuführen mit der Zeit immer schwächer.

So geht etwa der Rückgang der Zahl der Raucher in den letzten Jahren auch  darauf zurück, dass in der Öffentlichkeit immer weniger Menschen rauchen und weniger Werbung für Zigaretten gemacht wird. Auf diese Weise hat die Zahl der Reize abgenommen, die zum Rauchen animieren könnten.

von Ute Keck, 30. November 2018

Originalpublikation:

John Bargh, Vor dem Denken, Wie das Unbewusste uns steuert. Droemer. 2018.

 

 

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