Kommunikation der Tiere ist der menschlichen Sprache ähnlicher als gedacht

Klippschliefer (Procavia capensis) verfügen über fünf verschiedene Laute, mit denen sie jedoch lange Lautsequenzenvon sich geben können, deren Reihenfolge sich immer wieder ändert. ©'Bjørn Christian Tørrissen. CC BY-SA 3.0.

Klippschliefer (Procavia capensis) verfügen über fünf verschiedene Laute, mit denen sie jedoch lange Lautsequenzenvon sich geben können, deren Reihenfolge sich immer wieder ändert. © Bjørn Christian Tørrissen. CC BY-SA 3.0.

Seit einiger Zeit häufen sich die Hinweise auf die Komplexität tierischer Kommunikation. Nun haben Forscher die Rufe so verschiedener Tiere, wie Meisen, Fledermäuse, Finken, Orang-Utans, Schwertwale, Grindwale und Klippschliefer untersucht. Dabei fanden sie heraus, dass die Laute der Tiere eine sprachähnlichere Struktur aufweisen, als bisher angenommen. Damit könnten tierische Sprachen Vorläufer unserer eigenen Sprache darstellen.

Komplexe Lautäußerungen bei Tieren

Viele Tiere geben komplexe Lautfolgen von sich, die aus vielen verschiedenen Elementen bestehen und zu komplexen Sequenzen zusammengesetzt werden können. Manche Tiere verfügen über ein Lautrepertoire von Dutzenden oder sogar Hunderten einzelner Elemente. Andere wiederum verfügen nur über eine handvoll Lauten, die sie jedoch dazu nutzen, um eine Vielzahl verschiedener Lautkombinationen zu erzeugen. Die amerikanische Spottdrossel (Mimus polyglottos) etwa kann über hundert Gesangstypen anderer Arten nachahmen und sie in verschiedenster Reihenfolge kombinieren. Klippschliefer (Procavia capensis), die kleinen Verwandten der Elefanten, verfügen dagegen nur über fünf verschiedene Laute, mit denen sie jedoch lange Lautsequenzen von sich geben können, deren Reihenfolge sich immer wieder ändert. Ein besonders hoher Laut bedeutet etwa, dass Gefahr droht. So können selbst Tiere die nur über wenige einzelne Laute verfügen manchmal eine unermessliche Vielfalt an Lautäußerungen generieren. Vor kurzem haben Forscher sogar eine komplexe syntaktische Struktur und regionale Variationen bei den Rufen der Klippschiefer entdeckt. Die Kommunikation von Tieren kann sogar über Artgrenzen hinweg funktionieren, wie das Beispiel des diebischen Drongos zeigt, der Warnrufe von Erdmännchen nachahmt, um ihnen Leckerbissen abzujagen, die diese gerade erbeutet haben. Es gibt viele weitere Beispiele für der Sprache vergleichbare Lautäußerungen bei Tieren. Aber die Wissenschaftler tun sich immer noch schwer damit deren Komplexität genau zu erfassen.

Klippschliefer auf dem Tafelberg in Südafrika. © KlausF. CC BY-SA 3.0

Klippschliefer auf dem Tafelberg in Südafrika. © KlausF. CC BY-SA 3.0

Ursprünglich gewaltige Unterschiede zwischen Mensch und Tier angenommen

Bisher gingen die Wissenschaftler immer davon aus, dass die Entstehung von Sequenzen tierischer Lautäußerungen durch einen einfachen Zufallsprozess beschrieben werden kann: der Markov-Kette. Dieses Modell geht davon aus, dass die Sequenz der einzelnen Laute nur von einer begrenzten Anzahl vorangegangener Laute abhängt. Dann würden Tiere ihre Laute vorwiegend zufällig von sich geben und ihre Kommunikation würde sich gewaltig von der komplexen, menschlichen Sprache unterscheiden. Wenn aber der Unterschied zwischen tierischer und menschlicher Kommunikation so groß ist, wie sollte sich dann die menschliche Sprache im Laufe der Evolution aus der Kommunikation der Tiere entwickelt haben? Die Annahme einer Markov-Kette zur Erklärung der Kommunikation zwischen Tieren stellte deshalb bisher für die Erforschung der Evolution unserer Sprache ein unüberwindliches Hindernis dar.

Schwertwal.  © public domain.

Schwertwal. © public domain.

Die Kommunikation der Tiere ist komplexer und sprachähnlicher als bisher angenommen

Tatsächlich konnten Arik Kershenbaum vom National Institute for Mathematical and Biological Synthesis, in Knoxvill, Tennesee, USA und sein Team widerlegen, dass die Kommunikation der Tiere den Gesetzten einer Markov-Kette gehorcht. Die Forscher benutzten mathematische Modelle, um die Lautäußerungen von so verschiedenen Tieren, wie Carolinameisen (Poecile carolinensis), mexikanischen Bulldogfledermäusen (Tadarida brasiliensis), japanischen Mövchen (Lonchura striata domestica), Sumatra-Orang-Utans (Pongo abelii), Borneo-Orang-Utans (Pongo pygmaeus wurmbii), Schwertwalen (Orcinus orca), Indischen Grindwalen (Globicephala
macrorhynchus) und Klippschliefern (Procavia capensis) zu untersuchen. Dabei fanden sie heraus, dass die meisten Sequenzen der von ihnen untersuchten Lautäußerungen besser durch komplexere, statistische Modelle beschrieben werden können, als Markov-Ketten und zudem mehr sprachartige Eigenschaften aufweisen.

Orang-Utan. © Kabir Bakie.  CC BY-SA 2.5

Orang-Utan. © Kabir Bakie. CC BY-SA 2.5

Das bisherige Modell zur Beschreibung tierischer Lautäußerungen war unzulässig

Arik Kershenbaum erklärt, dass die Beschreibung der Tierkommunikation als Markov-Kette auf das 1957 von Noam Chomsky veröffentlichte Buch Syntactic Structures zurückgeht. In dem Buch legt Chomsky dar, dass eine dem endlichen Automaten (gleicht einer Markov-Kette) entsprechende Kommunikation nicht die Voraussetzungen für eine Sprache erfüllt. Das veranlasste viele Wissenschaftler zu dem Umkehrschluss, dass die Tierkommunikation, die nicht als Sprache verstanden wurde, zwangsläufig den Gesetzen einer Markov-Kette folgen müsste. Dieser Umkehrschluss ist jedoch schon aus rein logischen Gründen unzulässig. Dass Tierkommunikation tatsächlich komplexer ist, als die Gesetze einer Markov-Kette erwarten lassen konnten Arik Kershenbaum und sein Team nun endgültig durch ihre Untersuchungen belegen.

Japanisches Mövchen.  © Tobias Groebe. CC BY-SA 3.0.

Japanisches Mövchen. © Tobias Groebe. CC BY-SA 3.0.

Bei der menschlichen Sprache kommt eine kontextfreie Grammatik zum Einsatz, die auch Rekursionen und uneingeschränkte Korrelationen erlaubt. Für eine Rekursion können Wörter oder Sätze ineinander eingebettet werden. So kann zum Beispiel der Satz „Der Klippschliefer frisst Gras“ mit dem Satz „Der Klippschliefer sitzt unter dem Baum“ zu dem komplexen Satz „Der Klippschliefer, der unter dem Baum sitzt, frisst Gras.“ kombiniert werden.

Bisher war man davon ausgegangen, dass Tiere bei ihrer Kommunikation dagegen eine einfache oder reguläre Grammatik verwenden, die eingeschränkter ist und mehr vom Kontext abhängt. Die Forschungsergebnisse von Kershenbaum und seinem Team korrigieren nun dieses Bild. Tatsächlich liegt die Komplexität der Grammatik tierischer Kommunikation zwischen der einer simplen regulären Grammatik und der menschlichen kontextfreien Grammatik.

Carolinameise. © Dan Pancamo. CC BY-SA 2.0.

Carolinameise. © Dan Pancamo. CC BY-SA 2.0.

Neues Modell ermöglicht schrittweise, evolutionäre Entwicklung der menschlichen Sprache aus tierischen Vorläufern

Die neuen Erkenntnisse über die Tierkommunikation erleichtern nun die Suche nach einer evolutionären Übergangsform zwischen der Grammatik der Tiere und der kontextfreien Grammatik der menschlichen Sprache.

Sprache ist der größte Unterschied der Tier und Mensch evolutionär voneinander trennt, so Arik Kershenbaum. Viele neue Forschungsergebnisse tragen aber dazu bei, dass diese Lücke immer kleiner wird. Wenn wir verstehen, welcher Mechanismus die Lautäußerungen der Tiere am besten beschreibt könnten wir daraus lernen, wie sich die menschliche Sprache entwickelt hat.

Von Ute Keck

 

Kershenbaum A1, Bowles AE2, Freeberg TM3, Jin DZ4, Lameira AR5, Bohn K6. Animal vocal sequences: not the Markov chains we thought they were. Proc Biol Sci. 2014 Oct 7;281(1792). pii: 20141370. doi: 10.1098/rspb.2014.1370.

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