Wie Blutdrucksenker gegen Parkinson wirken könnten

Illustration der Parkinson-Krankheit von Sir William Richard Gowers aus A Manual of Diseases of the Nervous System (Handbuch für Krankheiten des Nervensystems) von 1886. © public domain.

Illustration der Parkinson-Krankheit von Sir William Richard Gowers aus A Manual of Diseases of the Nervous System (Handbuch für Krankheiten des Nervensystems) von 1886. © public domain.

Fast 200 Jahre ist es her, dass der Londoner Arzt und Apotheker James Parkinson (1755-1824) in seiner Abhandlung über die Schüttellähmung (1817) die wichtigsten Symptome der nach ihm benannten Nervenkrankheit beschrieb: Muskelzittern, Steifheit und Bewegungsstörungen. Die molekularen Mechanismen der Krankheitsentstehung sind aber nach wie vor unbekannt.

Bisher weiß man, dass Morbus Parkinson mit einem Verlust von bestimmten Nervenzellen in einer Mittelhirn-Region einher geht. Das Besondere an diesen Neuronen aus der sogenannten schwarzen Substanz (Substantia Nigra) liegt darin, dass sie in Abhängigkeit von ihren elektrischen Aktivitätsmustern Dopamin freisetzen. Dieser Botenstoff, der im Volksmund als Glückshormon bezeichnet wird beeinflusst zum einen unsere Motivation, ist aber auch für unsere Bewegungsfähigkeit entscheidend.

Birgit Liss und ihr Team an der Universität Ulm haben nun bisher unbekannte Signalwege identifizieren, die an der Entstehung von Morbus Parkinson beteiligt sind und die neue Therapiemöglichkeiten für die gefürchtete Krankheit eröffnen könnten.

Blutdrucksenker können das Risiko an Parkinson zu erkranken massiv senken

„Bisher wird Parkinson nur symptomatisch therapiert, indem versucht wird, den Dopamin-Mangel im Gehirn zu kompensieren. Dies geschieht entweder mit der Substanz L-Dopa oder aber mit sogenannten Dopamin-Rezeptor-Agonisten, die eine ähnliche Wirkung wie Dopamin vermitteln. Da aber immer noch nicht verstanden ist, warum die Dopamin-ausschüttenden Nervenzellen im Verlaufe der Krankheit mehr und mehr absterben, gibt es derzeit noch keine Möglichkeit, die Parkinson-Krankheit aufzuhalten oder zu heilen“, erklärt die Biochemikerin Liss. Auf die Idee für den neuen Therapieansatz kamen die Forschern aufgrund der Ergebnisse einer großen epidemischen Studie. Sie ergab, dass Personen, die Medikamente gegen Bluthochdruck einnahmen wesentlich seltener an Parkinson erkranken. Dieser Effekt könnte darauf zurückgehen, dass Blutdrucksenker im Gehirn bestimmte Kalzium-Ionen-Kanäle blockieren. „Das ließ uns aufhorchen und nach der Funktion dieser Kanäle in den Dopamin-ausschüttenden Neuronen forschen“, erinnert sich Dragicevic, ein Mitglied des Forscherteams.

„Wir haben uns genau mit den Molekülen beschäftigt, über die Dopamin seine Wirkung vermittelt, und die bereits Ansatzpunkt von Medikamenten der Parkinsontherapie sind: den Dopamin-Rezeptoren“, erläutert die Neurophysiologin Dragicevic. Dabei handelt es sich um so genannte D2-Autorezeptoren: Sie befinden sich auf den Dopamin-ausschüttenden Nervenzellen und bewirken in einem negativen Regulationskreislauf, dass Dopamin die neuronale Aktivität und damit wiederum seine eigene Ausschüttung hemmt.

Über bestimmte Kalzium-Kanäle kann die Empfindlichkeit der Dopamin-ausschüttenden Neuronen beeinflusst werden

Die Dopamin-ausschüttende Nervenzellen in der Substantia nigra von Parkinson-Patienten enthalten deutlich mehr Dopamin-Autorezeptoren, als Nervenzellen von Gesunden, wie die Forscher zeigen konnten. Außerdem ergaben Untersuchungen an Mäusen, dass mit dem Alter die hemmende Wirkung der D2-Autorezeptoren auf die Nervenzellen zunimmt: Die Nervenzellen reagieren also mit zunehmendem Alter immer empfindlicher auf Dopamin. Junge Mäuse, die einmalig L-Dopa oder Kokain erhielten bekamen ebenfalls nach wenigen Tagen empfindlichere Dopamin-Autorezeptoren. Kokain führt letztlich auch zu einer Erhöhung von Dopamin im Gehirn. Die Wissenschaftlern konnten zeigen, dass die Sensitivität der zelleigenen Dopamin-Rezeptoren mit der Aktivität sogenannter Cav1.3 Kalzium-Kanäle zusammenhängt. Und das sind genau die Kalzium-Kanäle, deren Blockierung durch Bluthochdruckmedikamente davor schützt, an Parkinson zu erkranken. „Wir haben in unserer Studie erstmals eine physiologische Funktion dieser Kalzium-Kanäle in den Dopamin-ausschüttenden Nervenzellen gefunden, die zugleich eine zentrale Rolle für Morbus Parkinson haben“, so die Ulmer Forscherinnen.

Das Zusammenspiel zwischen den Kalzium-Kanälen und den Dopamin-Autorezeptoren wird im Mausmodell durch ein neuronales Kalzium-Sensor-Protein namens NCS-1 vermittelt. Tatsächlich fanden die Wissenschaftler Hinweise auf ein vermehrtes Vorkommen von NCS-1 in den Dopamin-ausschüttenden Nervenzellen bei Parkinson-Patienten. „Als Bindeglied zwischen den Ionenkanälen und den Rezeptoren bietet das Kalzium-Sensor-Protein nun einen weiteren neuen potentiellen Angriffspunkt für die pharmakologische Parkinsontherapie“, erläutert Liss.

Universität Ulm, 18.06.2014.

 

Dragicevic E1, Poetschke C1, Duda J1, Schlaudraff F1, Lammel S2, Schiemann J3, Fauler M1, Hetzel A4, Watanabe M5, Lujan R6, Malenka RC2, Striessnig J7, Liss B8. Cav1.3 channels control D2-autoreceptor responses via NCS-1 in substantia nigra dopamine neurons. Brain. 2014 Aug;137(Pt 8):2287-302. doi: 10.1093/brain/awu131. Epub 2014 Jun 16.

Weiterführende Links:

Epidemiologische Studie zur schützenden Wirkung von Ca2+-Blockern gegenüber Parkinson:

Pasternak B1, Svanström H, Nielsen NM, Fugger L, Melbye M, Hviid A. Use of calcium channel blockers and Parkinson’s disease. Am J Epidemiol. 2012 Apr 1;175(7):627-35. doi: 10.1093/aje/kwr362. Epub 2012 Mar 1.

Ein Blutdrucksenker namens Isradipine wird zur Zeit schon in klinischen Studien auf seine Wirksamkeit gegen Parkinson getestet:

Link zur klinischen Studie
Deutscher Wikipediaeintrag zu Isradipin
Englischer Wikipediaeintrag zu Isradipine mit Erwähnung der Wirkung gegen Parkinson

 

Es gibt Studien an Mäusen, die die Wirkung von Isradipine belegen sollen:
Link zur Veröffentlichung

 

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