Kinder und Schimpansen richten sich oft nach der Mehrheit, wenn sie etwas Neues lernen möchten. Aber geben sie auch eigene Erfolgsstrategien auf, nur um sich Gleichaltrigen anzupassen? Ein Forscherteam hat jetzt im direkten Vergleich zwischen Menschenaffen und Kindern herausgefunden, dass die Bereitschaft, eigene Erfolgsstrategien zugunsten Anderer aufzugeben, beim Menschen besonders stark ausgeprägt ist. Bereits Kleinkinder im Alter von zwei Jahren zeigen dieses Verhalten. Interessanterweise schien dabei die Anzahl derjenigen, die eine alternative Problemlösung präsentierten, keinen Einfluss darauf zu haben, ob die Kinder sie imitierten.
Vom Spielplatz bis zum Vorstandsbüro passen Menschen ihr Verhalten oft anderen Menschen an, um zu einer bestimmten Gruppe dazu zu gehören. Diese Anpassung erfolgt beim Menschen bereits im Kindesalter, konnte bei Schimpansen und Orang-Utans aber nicht nachgewiesen werden. Konformität spielt im menschlichen Sozialverhalten eine zentrale Rolle. Sie dient dazu verschiedene Gruppen voneinander abzugrenzen und hilft ihnen dabei, ihre Aktivitäten zu koordinieren. Weiter stabilisiert und fördert sie die kulturelle Diversität, ein für den Menschen charakteristisches Merkmal.
Das soll nicht heißen, dass es immer das Beste ist, sich der Mehrheit zu fügen. Konformität kann gut oder schlecht, hilfreich oder schädlich, angemessen oder unangemessen sein: Das trifft sowohl für das Individuum als auch für die Gruppe zu. Aber es ist eine Tatsache, dass wir Menschen uns oft der Mehrheit anpassen und unsere Sozialstruktur eine ganz andere wäre, wenn wir dazu nicht bereit wären. Die neue Studie zeigt, dass sich bereits zweijährige Kinder Anderen anpassen, während Schimpansen und Orang-Utans bei dem bleiben, was sie kennen.
In einer früheren Studie hatten Haun und seine Kollegen Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie herausgefunden, dass Kinder und Schimpansen sich der Mehrheitsmeinung anschließen, wenn sie etwas Neues lernen. Das ist durchaus sinnvoll, denn die Gruppe verfügt über Wissen, das einer Einzelperson nicht notwendigerweise bekannt ist. Andere Studien zeigen aber, dass erwachsene Menschen sich manchmal selbst dann der Mehrheit anpassen, wenn sie selbst auf dem jeweiligen Gebiet kompetent sind. Sie passen ihr Verhalten in dieser Situation an die Mehrheit an, um in der Gruppe nicht negativ aufzufallen. Um zu untersuchen, ob Kleinkinder und Menschenaffen ebenfalls diese sogenannte „normative“ Konformität praktizieren, stellten die Wissenschaftler zweijährige Kinder, Schimpansen und Orang-Utans vor eine ähnliche Aufgabe.
In den Experimenten der Forscher sollten die Kinder und Menschenaffen einen Ball in eine Kiste fallen lassen, die in drei getrennte Bereiche unterteilt war. Aber nur bei einem Bereich kam nach dem Balleinwurf auch eine Belohnung heraus: für den Menschenaffen eine Erdnuss, für das Kind eine Schokoladenkugel.
Nachdem der Teilnehmer den Umgang mit der Kiste gelernt hatte, konnte er in einem nächsten Schritt mehrere ihm bekannte Gleichaltrige beim Balleinwurf beobachteten. Diese ließen den Ball jedoch in einen anderen Bereich fallen als die, bei dessen Einwurf der Teilnehmer eine Belohnung erhalten würde. Als der Teilnehmer dann wieder an der Reihe war, musste er sich vor den Augen der drei anderen Kinder für einen Bereich entscheiden.
Die Ergebnisse zeigten, dass Kinder ihr Verhalten öfter dem der Gleichaltrigen anpassten als Menschenaffen. Während die Kinder in mehr als der Hälfte der Fälle Konformität an den Tag legten, ignorierten Schimpansen und Orang-Utans ihre Artgenossen weitestgehend und blieben der Strategie treu, die sie zuvor gelernt hatten.
Eine Folgestudie mit Zweijährigen ergab, dass die Kinder sich häufiger dann für die gezeigte Alternative entschieden, wenn die Gleichaltrigen zuschauten. War das nicht der Fall, blieben sie hingegen häufiger ihrer eigenen Lösung treu. Interessanterweise machte es keinen Unterschied, ob ein oder drei Gleichaltrige die Alternativlösung präsentierten – nachgeahmt wurde genauso oft. Diese Konformität bereits bei Kleinkindern zeigt, dass die Motivation sich Anderen anzupassen beim Menschen bereits sehr früh auftritt. Schon zweijährige Kinder ändern ihr Verhalten also, nur um den potenziellen Nachteil zu vermeiden, anders als die anderen Gruppenmitglieder zu sein.
Die Forscher untersuchen jetzt, inwiefern Umweltfaktoren, wie zum Beispiel die Schulbildung oder verschiedene Erziehungsmethoden, einen Einfluss auf das Konformitätsverhalten von Kindern haben.
Max-Planck-Gesellschaft, 31. Oktober 2014
Daniel B.M. Haun, Yvonne Rekers, and Michael Tomasello
Children Conform to the Behavior of Peers; Other Great Apes Stick With What They Know. Psychological Science, online veröffentlicht 29. Oktober 2014. doi: 10.1177/0956797614553235