Mit biologisch abbaubaren Implantaten die Anzahl der nötigen Operationen reduzieren

Der Demonstrator für einen Schulteranker aus Eisen-Tricalciumphosphat (FE-TCP) ist nur unwesentlich größer als ein Streichholzkopf. © Fraunhofer IFAM

Der Demonstrator für einen Schulteranker aus Eisen-Tricalciumphosphat (FE-TCP) ist nur unwesentlich größer als ein Streichholzkopf.
© Fraunhofer IFAM

Bisher kommen bei Knochenbrüchen Implantate aus Stahl und Titan zum Einsatz, die nach der Heilung wieder operativ entfernt werden müssen. Um den Patienten einen weiteren Eingriff zum Entfernen dieser Implantate zu ersparen, arbeiten Wissenschaftler an Knochenersatz, der sich vollständig im Körper abbaut. Dabei setzen sie auf Materialkombinationen aus Metall und Keramik.

Kein Gelenk des menschlichen Körpers ist so beweglich wie die Schulter. Gleichzeitig ist sie jedoch auch sehr empfindlich und verletzlich. Vor allem Sportler ziehen sich häufig eine Schulterverletzung zu. Am häufigsten kommen dabei Sehnenrisse vor, die nicht selten operativ behandelt werden müssen. Der Chirurg fixiert dabei die Risse mit Schulterankern. Bisher bestehen diese Implantate aus Titan oder Kunststoff. Sie bringe den Nachteil mit sich, dass sie auch nach der Heilung im Körper bleiben oder durch eine zweite Operation wieder entfernt werden müssen. Um dies zu vermeiden, entwickeln Forscher am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen lasttragende, biologisch abbaubare Implantate, die vollständig vom Körper resorbiert werden. Als ersten Schritt haben sie per Pulverspritzguss einen Schulteranker hergestellt, der zu Demonstrator vorliegt. Die Forscher präsentieren ihn vom 12. bis 14. November auf der Messe COMPAMED in Düsseldorf.

Calciumphosphat soll den Heilungsprozess des Knochens anregen

Mit dem Implantat lassen sich abgetrennte Sehnen am Knochen verankern, bis diese wieder angewachsen sind. Da die Funktion des Fixationselements nach der Heilung erfüllt ist, wird es danach nicht mehr im Körper benötigt. Bei Ersatzkomponenten die nicht verschleißen dürfen – wie bei einem künstlichen Hüftgelenk – wird man sicher weiter auf metallische Legierungen wie Titan zurückgreifen. Doch für Platten, Schrauben, Stifte und Nägel, die nicht im Körper bleiben sollen, gelten andere Anforderungen, erklärt Philipp Imgrund, Sprecher des Geschäftsfelds Medizintechnik und Life Science am IFAM. Ein Wissenschaftlerteam von mehreren Frauenhofer Instituten etabliert eine Werkstoff- und Technologieplattform, um degradierbare, also im Körper abbaubare Knochenimplantate für die Unfallchirurgie und Orthopädie zu entwickeln. Die Implantate sollen allmählich vom Körper aufgenommen werden, während sich neues Knochengewebe bildet. Idealerweise soll die Geschwindigkeit des Abbaus so an das Knochenwachstum angepasst sein, dass der Abbau des Implantats und der Knochenaufbau optimal ineinandergreifen. Dafür entwickeln die Wissenschaftler neue Materialien bei denen sich das Degradationsverhalten gezielt einstellen lässt. Die Herausforderung: Während des kompletten Heilungsprozesses müssen die Implantate stabil genug sein, um den Knochen während seines Wachstums zu fixieren. Gleichzeitig dürfen sie nicht allergen sein und Entzündungen hervorrufen. Die Forscher setzen auf Metall-Keramik-Komposite. Dabei wird eine metallische Komponente auf Basis einer Eisenlegierung mit Beta-Tricalciumphosphat (TCP) als keramische Komponente verbunden. Denn Eisenlegierungen korrodieren langsam und sorgen für hohe mechanische Festigkeit, während Keramik sich schnell zersetzt, das Knochenwachstum anregt und das Einwachsen des Implantats begünstigt.

Die Forscher stellen die Werkstoffkomposite mithilfe des Pulverspritzgussverfahren her. Das hat den Vorteil, dass damit komplexe Strukturen kostengünstig in großer Stückzahl gefertigt werden können. Eigenschaften wie Dichte und Porosität lassen sich dabei gezielt steuern. Das ist ein wichtiger Faktor: Denn durch die Kombination aus hoher Dichte und geringer Porosität erhält man eine hohe mechanische Festigkeit. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Werkstoffe in Pulverform eingesetzt werden und deshalb vor ihrer Verarbeitung in jedem beliebigen Mischungsverhältnis kombiniert werden können. Doch welches Mengenverhältnis ist das Beste? In Laborversuchen haben die Forscher die optimale Zusammensetzung der Werkstoffe für den Schulteranker ermittelt. Der Demonstrator besteht zu 60 Prozent aus Eisen und der Keramikanteil liegt bei 40 Prozent. Dabei ist es wichtig, die richtige Keramikmenge mit der passenden Pulvergröße zu verbinden. Ist der Keramikanteil zu hoch, so wird das Material zu spröde. Andererseits lässt sich mit dem Tricalciumphosphat das Abbauverhalten des Implantats beschleunigen. Den Forschern ist es gelungen, die im Labormodell den Abbau von 120 auf 240 Mikrometer pro Jahr zu verdoppeln. Der Schulteranker würde also binnen ein bis zwei Jahren vom Körper komplett resorbiert.

Während sich formgebende Verfahren, wie der Pulverspritzguss vor allem für Standardimplantate mit großen Stückzahlen wie für Fixationselemente eignen, werden generative Verfahren eingesetzt, um Individualimplantate – etwa für den Knochenersatz im Schädelbereich – oder Implantate mit definierter Porenstruktur herzustellen. Die Forscher erzeugen dazu Implantate aus Magnesiumlegierungen mit dem Selective Laser Melting (SLM)-Verfahren. Um die Unbedenklichkeit der neuartigen Kompositwerkstoffe sicherzustellen, etablieren einige der Wissenschaftler zellbasierte Testsysteme um zu analysieren, wie der Knochen in sie einwächst. Andere Wissenschaftler wiederum arbeiten an einem in-vivo-Monitoringsystem, mit dem sich das Abbauverhalten der Implantate im menschlichen Körper überwachen und dokumentieren lässt.

Frauenhofer Gesellschaft, 3.11.2014

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