Wie Chlamydien ihre Wirtszellen kapern

Chlamydien inaktivieren p53 und wachsen in großen Einschlüssen (rot) in ihren Wirtzellen (blau) (linkes Foto). Künstlich stabilisiertes p53 (grün) verhindert die Infektion mit Chlamydien (rechtes Foto).  © C. Siegl et al., 2014

Chlamydien inaktivieren p53 und wachsen in großen Einschlüssen (rot) in ihren Wirtzellen (blau) (linkes Foto). Künstlich stabilisiertes p53 (grün) verhindert die Infektion mit Chlamydien (rechtes Foto). © C. Siegl et al., 2014

Chlamydien sind für eine ganze Reihe schwerer Krankheiten verantwortlich. Dabei können sich die kleinen Bakterien nur innerhalb einer Wirtszelle vermehren und sind bei ihrer Vermehrung auf deren Stoffwechselprozesse angewiesen. Wissenschaftler haben nun herausgefunden, welche Tricks die Erreger anwenden um sich die Unterstützung der von ihnen befallenen Zellen zu sichern.

Chlamydia trachomatis kann beim Menschen eine Reihe von schweren Erkrankungen auslösen. Dabei gehören Chlamydien-Infektionen zu den häufigsten sexuell übertragenen Krankheiten der Welt. Schätzungsweise sind bis zu zehn Prozent der Bevölkerung mit den Erregern infiziert.

Bei Frauen können die Bakterien eine Verklebung der Eileiter hervorrufen, was zu Eileiterschwangerschaften oder Unfruchtbarkeit führen kann. Nach neuesten Erkenntnissen könnten Chlamydien-Infektionen sogar an der Entstehung von Eierstockkrebs beteiligt sein. Männer können nach einer Infektion mit den Bakterien zeugungsunfähig werden.

Eine weitere Folge einer Chlamydien-Infektion ist vor allem in tropischen Ländern verbreitet: Dort befallen die Bakterien als Erreger des Trachoms die Augen, was eine Bindehautentzündung zur Folge hat, an der die Patienten erblinden können. Rund 150 Millionen Menschen leiden weltweit an dieser Erkrankung. Andere Stämme dieser Bakterienart können Lungenentzündung auslösen und sind vermutlich die Ursache für Arterienverkalkung und Alzheimer.

Der Erreger ist auf die Versorgung durch seinen Wirt angewiesen

Damit Chlamydien überleben und sich teilen können, sind sie auf die Unterstützung ihres „Opfers“ angewiesen. Wie die Untersuchung des Bakteriengenoms ergab fehlen dem kleinen, parasitär lebenden Erreger zahlreiche Gene für lebenswichtige Stoffwechselprozesse. Daher ist das Bakterium während seines gesamten Entwicklungszyklus auf die Versorgung mit den notwendigen Nährstoffen durch seine Wirtszelle angewiesen. Diese muss ihm ausreichende Mengen an Nukleinsäuren, Proteinen und Lipiden zur Verfügung stellen. Deshalb hat es selbst ein großes Interesse daran, dass die von ihm befallene Zelle überlebt und weiterhin optimal funktioniert.

Wie es den Chlamydien gelingt, die Wirtszelle zu dieser Zusammenarbeit zu bringen untersucht Thomas Rudel an der Universität Würzburg mit seinem Team. Nun haben die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über das Zusammenspiel zwischen Chlamydia trachomatis und seiner Wirtszelle gewonnen.

Chlamydien verhindern, dass defekte Wirtszellen absterben

Wenn Chlamydien eine Zelle befallen, kommt es dabei immer zu einer Reihe von Schäden im Erbgut der Wirtszelle. Normalerweise würde eine so geschädigte Zelle das für einen solchen Fall vorgesehen Notfallprogramm aktivieren und sich selbst ruhig stellen, indem sie nicht mehr an weiteren Zellteilungen teilnimmt oder gar den programmierten Zelltod, die Apoptose, einleitet. So wird verhindert, dass sich fehlerhafte Zellen unkontrolliert vermehren und den Organismus etwa durch die Entwicklung eines Tumors schädigen. Nicht so, wenn eine Zelle von Chlamydien befallen ist: Dann kann dieses Schutzprogramm nicht greifen, denn die Bakterien verhindern den programmierten Zelltod.

Wie die Wissenschaftler zeigen konnten setzen die Chlamydien zu diesem Zweck das Tumorsupressor-Protein p53 in den befallenen Zellen außer Gefecht. p53 spielt in der Zelle die Rolle eines Wächters des Genoms: Denn es gewährleistet, dass geschädigte Zellen den Zellzyklus unterbrechen und sich nicht mehr teilen. Die Zelle erhält so mehr Zeit, ihre Schäden am Erbgut zu reparieren oder – wenn eine Reparatur nicht mehr möglich ist – sich selbst zu zerstören.

In einer Reihe von Experimenten konnten die Mikrobiologen die Wechselwirkung zwischen dem Bakterium und dem Tumorsupressor in der Zelle entschlüsseln. Unter anderem stellten sie dabei folgendes fest:

Da jede Chlamydien-Infektion mit Schädigungen im Genom der Wirtszelle verbunden ist, hindern die Bakterien das Tumorsupressor-Protein p53 daran seine Aufgabe als Wächter des Genoms zu erfüllen. Wie die Wissenschaftler zeigen konnten, wird bei, von Chlamydien befallenen Zellen der programmierte Zelltod nicht einmal dann eingeleitet, wenn sie mit hohen Dosen einer Erbgut-schädigenden Substanz behandelt werden. Bei nicht befallenen Zellen würde spätestes bei einem solchen Ernstfall eine Apoptose ausgelöst.

Wenn die Forscher dagegen die Konzentration von p53 in den infizierten Zellen künstlich erhöhten, konnten sich die Chlamydien nicht mehr vermehren. Sie waren dann dazu gezwungen in einem Stadium zu verharren, in dem sie nicht infektiös sind.

Wie p53 genau die Vermehrung der Chlamydien verhindert, ist noch nicht geklärt. Aber seit Kurzem weiß man, dass das Protein eine Reihe von Stoffwechselprozessen beeinflusst – dazu gehören auch die Glykolyse, ein Stoffwechselweg zum Abbau von Zucker und der Glukosetransport, also der Transport von Zucker. Deshalb untersuchten die Wissenschaftler ebenfalls diesen Aspekt. Schließlich sind Chlamydien darauf angewiesen, von ihrer Wirtszelle mit Glukose versorgt zu werden. Ein direkter Zusammenhang bestätigte sich dabei allerdings nicht.

Dafür konnten die Wissenschaftler einen anderen Mechanismus aufdecken, über den die Bakterien und das Tumorsupressor-Protein miteinander wechselwirken: die Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase – ein Schlüsselenzym innerhalb des Pentosephosphat-Zyklus. Blockierten die Forscher dieses Enzym und damit den gesamten Stoffwechselzyklus, so verringerte sich das Wachstum der Bakterien drastisch. Kurbelten sie dagegen künstlich den Zyklus an, so konnten sich die Bakterien auch dann noch vermehren, wenn die p53-Konzentration in den Wirtszellen hoch war.

Die Forschungsergebnisse liefern gleich zwei neue Erkenntnisse: Die Tatsache, dass Chlamydien den Tumorsupressor p53 lahm legen erklärt, warum Chlamydien-Infektionen mit einer Tumorbildung einhergehen können. Zum anderen konnte die zentrale Bedeutung des Pentosephosphat-Zyklus für die Aufrechterhaltung der Chlamydien-Infektion geklärt werden. Wie sich zeigte, ist dieser Stoffwechselweg nicht nur für die Reparatur des defekten Erbguts wichtig, sondern er garantiert den Bakterien auch die Versorgung mit den für sie lebensnotwendigen Nährstoffen.

Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 30.10.2014

 

Siegl et al., Tumor Suppressor p53 Alters Host Cell Metabolism to Limit Chlamydia trachomatis Infection, Cell Reports (2014), doi: 10.1016/j.celrep.2014.10.004

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