Sprachen leichter lernen mit allen Sinnen

Ein Bild erleichtert das Lernen: Unser Gehirn prägt sich die Worte für "Fahrrad" und "Gedanke" in einer fremden Sprache leichter ein, wenn es zusätzlich mit den entsprechenden Bildern konfrontiert wird. © MPI f. Kognitions- und Neurowissenschaften/ v. Kriegstein

Ein Bild erleichtert das Lernen: Unser Gehirn prägt sich die Worte für „Fahrrad“ und „Gedanke“ in einer fremden Sprache leichter ein, wenn es zusätzlich mit den entsprechenden Bildern konfrontiert wird.
© MPI f. Kognitions- und Neurowissenschaften/ v. Kriegstein

„Atesi“ klingt wie ein Wort aus der Elben-Sprache im Herr der Ringe, Es ist „vimmisch“ und bedeutet „Gedanke“. Vimmi ist eine eigens für wissenschaftliche Studien entwickelten Kunstsprache. Mit ihrer Hilfe haben Wissenschaftler untersucht, wie Menschen am besten Vokabeln einer fremden Sprache lernen können. Wie die Forscher herausfanden, können wir uns Vokabeln leichter merken, wenn unser Gehirn das Wort mit möglichst vielen verschiedenen Sinneseindrücken verbindet. Besonders wichtig scheint dabei die Einbeziehung unseres Bewegungssystems zu sein: Wörter einer fremden Sprache merken wir uns besser, wenn wir sie nicht nur hören, sondern sie zusätzlich noch mit einer Geste ausdrücken. Auch das Lernen mit Bildern, die zum Wort passen, hilft uns dabei uns die Worte besser einzuprägen. Wir lernen also wesentlich besser, wenn die Lernmethode möglichst viele verschiedene Sinne anspricht, als wenn wir nur auf das gehörte oder gelesene Wort setzen.

Für die meisten Schüler hat das Grauen einen Namen: es heißt Vokabelheft. Lange Listen von Wörtern zu pauken gehört nicht ohne Grund zu den unpopulärsten Pflichten eines Schülers. Immerhin wird das Lernen von Vokabeln in vielen Schulen und Sprachkursen bereits von entsprechenden Bilderdarstellungen begleitet, weil man erkannt hat, dass sich die Vokabeln so leichter lernen lassen. Denn die sogenannte multisensorische Lerntheorie beruht auf der Annahme, dass das Gehirn leichter lernt, wenn mehrere Sinne gleichzeitig angesprochen werden.

Die Studienergebnisse der Forscher vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig bestätigen dies. Für ihre Untersuchungen benutzten sie Vimmi – eine Kunstsprache, die sie selbst entwickelt haben und die ähnliche Lautregeln verwendet wie das Italienische. Dadurch stellten die Forscher sicher, dass die Vokabeln für alle Studienteilnehmer gleichermaßen unbekannt waren. Junge Frauen und Männer sollten sich nun eine Woche lang die Bedeutung von abstrakten und konkreten Vimmi-Substantiven unter verschiedenen Bedingungen einprägen: Im ersten Experiment betrachteten die Probanden, nachdem sie das Wort gehört hatten ein zum Wort passendes Bild oder eine Geste. Im zweiten Experiment malten sie das entsprechende Wort symbolisch in die Luft oder drückten es durch eine Geste aus. Die Forscher überprüften dann zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach der Lernphase, ob sich die Studienteilnehmer noch an den Begriff erinnern konnten.

„Am besten konnten sich die Probanden an einen zu lernenden Begriff erinnern, wenn sie ihn selbst mit Gesten ausdrückten. Hörten sie den Begriff und seine Übersetzung und sahen zusätzlich ein Bild davon, konnten sie sich die Übersetzung ebenfalls besser merken. Das Nachzeichnen eines Begriffes und das Beobachten einer Geste unterschied sich dagegen nicht vom reinen Hören“, erklärt Katja Mayer. Die Art und Weise, wie ein Begriff gelernt wurde, spiegelte sich auch in der Aktivität des Gehirns wider. So waren unter anderem Gehirngebiete des Bewegungssystems aktiv, wenn ein Proband nach der Lernphase einen mit Gesten gelernten Begriff übersetzte. Regionen des Sehsystems wiederum wurden bei Wörtern aktiviert, die in der Lernphase von Bildern begleitet worden waren.

Unser Gehirn lernt demnach fremde Worte leichter, wenn es dabei Informationen aus unterschiedlichen Sinnesorganen miteinander verbindet. Möglicherweise verstärken sich diese Assoziationen gegenseitig und der Originalbegriff und seine Übersetzung prägen sich so stärker ein. „Wenn wir beispielsweise einen zu lernenden Begriff mit einer Geste nachstellen, schaffen wir zusätzlichen Input, der dem Gehirn das Lernen erleichtert“, sagt Katharina von Kriegstein. Als nächstes wollen die Wissenschaftler herausfinden, ob die Aktivität in den Bewegungs- und Sehzentren tatsächlich für den höheren Lernerfolg verantwortlich ist. Dazu wollen sie die Nervenzellen in diesen Gehrinregionen mithilfe von Elektroden stimulieren und den Effekt auf den Lernerfolg messen.

Nicht nur Vokabellernen funktioniert nach dem multisensorischen Prinzip. Multisensorischer Input erleichtert anderen Untersuchungen zufolge auch die Worterkennung in der eigenen Sprache. „Telefonieren wir beispielsweise mit einer bekannten Person, sind die für die Gesichtserkennung zuständigen Gehirnregionen während des Telefonats aktiv. Offenbar simuliert das Gehirn die fehlenden Informationen aus den Augen und schafft sie sich selbst“, erklärt von Kriegstein.

Wir lernen also mit allen Sinnen. Emotionen spielen dabei eine besonders wichtige Rolle. Aber auch Schmecken und Riechen können uns beim Lernen unterstützen. Funktioniert das multisensorische Lernen also nach dem Motto: Je mehr Sinne, desto besser? „Wahrscheinlich ja, wie stark sich der Lernerfolg aber durch mehrere Sinne steigern lässt, wissen wir nicht. Die einzelnen Sinneseindrücke sollten aber idealerweise zusammenpassen. Wer also zum Beispiel das spanische Wort für Apfel lernen will, sollte eine Apfel-Geste machen, einen Apfel schmecken oder ein Apfelbild betrachten“, sagt von Kriegstein.

Max-Planck-Gesellschaft, 5. Februar 2015

 

Originalpublikation:

Katja M. Mayer, Izzet B. Yildiz, Manuela Macedonia, Katharina von Kriegstein. Visual and motor cortices differentially support the translation of foreign language words. Current Biology, 5 February 2015. DOI: 10.1016/j.cub.2014.11.068

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