Warum Essigsäure die Ausschüttung von Insulin hemmt

Langerhans'sche Insel des Pankreas mit Insulin-produzierenden Zellen (grün). © MPI für Herz- und Lungenforschung

Langerhans’sche Insel des Pankreas mit Insulin-produzierenden Zellen (grün).
© MPI für Herz- und Lungenforschung

Bei Typ-2-Diabetikern steigt der Blutzuckerspiegel an, weil ihre Körperzellen nicht mehr empfindlich genug auf Insulin reagieren oder ihre Bauchspeicheldrüse Insulin nicht in ausreichender Menge bildet. Wissenschaftler haben nun entdeckt, dass zwei Rezeptoren, die durch Essigsäure aktiviert werden die Insulinfreisetzung hemmen. Essigsäure wird unter anderem von den Insulin-produzierenden Zellen in unserer Bauchspeicheldrüse gebildet. Sie sorgt über diesen Mechanismus dafür, dass sie nicht zu viel Insulin produzieren und es deshalb zu einem zu starken Absinken des Blutzuckerspiegels kommt. Dieser Aspekt ist auch für die Diabetestherapie von großem Interesse. Denn da Essigsäure vor allem bei normalen oder erhöhten Zuckerwerten gebildet wird, sollte es laut den Forschern selbst bei niedrigen Zuckerspiegeln trotz einer Hemmung der Essigsäurerezeptoren nicht zu einem Überschießen der Insulinproduktion kommen. Eine gefährliche Unterzuckerung könnte also über den neu entdeckten Regelmechanismus vermieden werden.

Lange galt eine verminderte Empfindlichkeit von Körperzellen für Insulin als wichtigste Ursache von Typ-2-Diabetes. In den letzten Jahren gibt es jedoch immer mehr Hinweise dafür, dass bereits zu Beginn einer Typ-2-Diabeteserkrankung auch die Insulinproduktion gestört ist. Steigt der Blutzuckerspiegel nach einer Mahlzeit, so schüttet unsere Bauchspeicheldrüse Insulin aus, um den Zuckerwerte im Blut wieder auf eine normales Niveau abzusenken. Insulin wird in Zellen unserer Bauchspeicheldrüse gebildet und veranlasst unsere Körperzellen dazu Glukose aus dem Blut aufzunehmen. Dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel. Neben Glukose haben auch andere Substanzen eine hemmende oder aktivierende Wirkung auf die Zellen unserer Bauchspeicheldrüse. Sie wirken auf Rezeptoren, die für die Regulation der Insulinfreisetzung zuständig sind.

Die Wissenschaftler haben nun in den Insulin-produzierenden Zellen von Mäusen und Menschen Rezeptoren identifiziert, die die Freisetzung von Insulin hemmen können. „Nimmt eine Zelle Glukose auf, bildet sie Essigsäure. Diese aktiviert die FFA2- und FFA3-Rezeptoren und hemmt so die Freisetzung von Insulin“, sagt Cong Tang vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung. Mäuse ohne FFA2- und FFA3-Rezeptoren setzen daher mehr Insulin frei und ihre Körperzellen reagieren empfindlicher auf Insulin wenn sie ein fettreiches Futter erhielten. Die Rezeptoren sollen vermutlich verhindern, dass nach dem Anstieg der Glukosekonzentration im Blut zu viel Insulin ausgeschüttet wird und es zu einer Unterzuckerung kommt.

Die Wissenschaftler hoffen, die neuen Erkenntnisse für neue Therapien gegen Diabetes einsetzen zu können. Als Nächstes wollen sie an der Entwicklung von Substanzen forschen, die die Essigsäurerezeptoren blockieren. „Die Tatsache, dass Essigsäure vor allem bei hohen Blutzuckerwerten entsteht, macht Hemmstoffe gegen die Essigsäurerezeptoren besonders attraktiv. Denn dadurch würden diese Substanzen nur bei Patienten mit erhöhtem Blutzuckerspiegel wirken, nicht aber bei Gesunden oder gut eingestellten Typ-2-Diabetikern“, sagt Stefan Offermanns, Direktor der Abteilung Pharmakologie am Max-Planck-Institut.

Max-Planck-Gesellschaft, 4. Februar 2015

 

Originalpublikation:

Cong Tang, Kashan Ahmed, Andreas Gille, Shun Lu, Hermann-Josef Gröne, Sorin Tunaru & Stefan Offermanns. Loss of FFA2 and FFA3 increases insulin secretion and improves glucose tolerance in type 2 diabetes.
Nature Medicine, 2015. doi: 10.1038/nm.3779

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