Um in die Wirtszellen zu gelangen, bedient sich das Ebola-Virus der Zellmaschinerie: Unter anderem bestimmter Calcium-Kanäle der Zellmembran. Wie Wissenschaftler nun herausgefunden haben lassen sich diese Kanäle mit einem Wirkstoff blockieren. Im Tiermodell kann die Infektion dadurch gestoppt werden.
Vor Kurzem kamen gute Nachrichten aus den Staaten Westafrikas, in denen das Ebola-Virus grassiert. In den drei am stärksten betroffenen Ländern, Guinea, Liberia und Sierra Leone ist die Zahl der Neuinfektionen gesunken, den jüngsten Ausbruch in Mali erklärt die Weltgesundheitsorganisation WHO offiziell für beendet. Doch die Hoffnung könnte trügerisch sein. Noch nie hat ein Ausbruch so lange gedauert wie der jetzige und bisher war auch niemals ein so großes Gebiet betroffen. Nach wie vor verläuft in diesen Ländern die Mehrzahl der Infektionen tödlich. Ein zugelassenes Medikament gegen Ebola gibt es bisher nicht, nur eine Reihe von Wirkstoffkandidaten. Der Erreger löst ein hämorrhagisches Fieber aus, das im Endstadium zu schweren innere Blutungen führt, in dessen Folge die Patienten an Multiorganversagen sterben.
Wie das Virus in den Körper der Betroffenen gelangt und anschließend die Wirtszellen dazu veranlasst neue Viruspartikel herzustellen, ist nicht in allen Einzelheiten bekannt. Nun ist es einem deutsch-amerikanischen Forscherteam um die Pharmakologen Martin Biel und Christian Wahl von der Universität München sowie dem Virologen Robert Davey vom Texas Biomedical Research Institute in San Antonio, USA, gelungen, ein weiteres Detail des Infektionsmechanismus zu entschlüsseln und gleichzeitig einen möglichen Therapieansatz aufzuzeigen.
Den Forschern zufolge docken die Erreger zunächst bevorzugt an Rezeptoren auf der Oberfläche von Makrophagen, Fresszellen des Immunsystems, an. Das löst eine Kettenreaktion aus: Die Zellen umschließen die Viren mit Ausstülpungen und fangen sie so in Vesikeln, kleinen Bläschen, ein, die wiederum mit anderen Vesikeln, sogenannten Lysosomen, verschmelzen. Bei dieser Fusion spielen bestimmte Ionenkanäle in den Membranen der Vesikel, sogenannte Two Pore Channels (TPCs), eine zentrale Rolle. Wie die Forscher herausfanden sind diese Känale für den Infektionszyklus der Viren unentbehrlich. Sie liefern das für den Infektionsmechnismus nötige Calcium-Ionen-Signal. Sind sie blockiert oder defekt, so können die Viren nicht aus den Vesikeln in das Innere der Wirtszelle gelangen und der Infektionszyklus wird an dieser Stelle wirkungsvoll unterbrochen.
Als besonders effektiv erwies sich der Wirkstoff Tetrandrin, ein pflanzliches Alkaloid, das seit Langem in der traditionellen fernöstlichen Medizin verwendet wird. Tetrandrin verhindert die Infektion von Makrophagen mit Ebola-Viren und zeigt auch therapeutische Wirkung bei Mäusen, bei gleichzeitig vergleichsweise geringen Nebenwirkungen.
An den Ionenkanälen anzusetzen, um das Virus zu bekämpfen, könnte aus Martin Biels Sicht eine vielversprechende pharmakologische Strategie sein. „Wir töten nicht das Virus ab, sondern verhindern, dass es infektiös wird“, sagt der Forscher. „Wir greifen es also nicht direkt an, sondern gleichsam auf einem Umweg.“ Das verringere die Gefahr, dass die hohe Mutationsrate der Viren schnell zur Entwicklung von Resistenzen führe. Die Wissenschaftler wollen den Wirkstoff pharmazeutisch-chemisch weiterentwickeln und in seiner Wirkung auf die Ionenkanäle noch besser anpassen. „Ich bin durchaus optimistisch“, sagt Biel. „Die Chancen, dass dabei ein aussichtsreicher Wirkstoff-Kandidat herauskommt, sind groß.“
Ludwig-Maximilians-Universität München, 27.02.2015
Originalpublikation:
Sakurai Y, Kolokoltsov AA, Chen CC, Tidwell MW, Bauta WE, Klugbauer N, Grimm C, Wahl-Schott C, Biel M, Davey RA. Ebola virus. Two-pore channels control Ebola virus host cell entry and are drug targets for disease treatment. Science. 2015 Feb 27;347(6225):995-8. doi: 10.1126/science.1258758.