Pflanzlicher Wirkstoff Englerin-A kann Nierenkrebszellen abtöten

Die Rinde von Phyllanthus engleri enthält Englerin-A. Die Substanz lässt Nierenkrebszellen absterben. © Piotr Michał Jaworski. CC BY-SA 3.0

Die Rinde von Phyllanthus engleri enthält Englerin-A. Die Substanz lässt Nierenkrebszellen absterben. © Piotr Michał Jaworski. CC BY-SA 3.0

In der Natur finden sich viele wertvolle Wirkstoffe für die Medizin. So haben Wissenschaftler in einem afrikanischen Strauch eine Substanz entdeckt, die Krebszellen in der Niere abtöten kann. Das Englerin-A genannte Molekül erhöht massiv die Kalziumkonzentration in den Krebszellen. Diese sterben daraufhin ab. Englerin-A aktiviert ausschließlich Kalziumkanäle von Nierenkrebszellen, nicht jedoch von gesunden Zellen. Die Wissenschaftler wollen nun untersuchen, ob Englerin-A das Potenzial hat, in Zukunft als innovatives Medikament gegen Nierenkrebs eingesetzt zu werden.

In seiner Heimat, dem südlichen Afrika, gilt Phyllanthus engleri schon lange als Heilpflanze. Der Strauch wächst vor allem in den trockenen Savannengebieten in Tansania, Sambia, Malawi, Zimbabwe, Mosambik und Südafrika. In Tansania etwa dienen die Wurzeln der Pflanze als Mittel gegen Epilepsie, das Kauen der Blätter und Früchte soll gegen Husten und Bauchschmerzen helfen. Ein Sud aus Wurzeln soll sogar gegen Bilharziose und Gonorrhoe wirksam sein. Gleichzeitig enthält die Pflanze jedoch auch starke Toxine, die zu tödlichen Vergiftungen führen können.

Bereits 2009 haben amerikanische Wissenschaftler mehr als 30 Substanzen aus Phyllanthus engleri isoliert und ihre Wirksamkeit gegen Krebszellen untersucht. Demnach ist eine Variante von Englerin-A aus der Rinde des Baumes, das sogenannte (-)-Englerin-A, besonders wirksam gegen Nierenkrebszellen und einige andere Krebsformen. Im selben Jahr hat das Team um Mathias Christmann von der Freien Universität in Berlin diese komplexe Verbindung synthetisch hergestellt. Als Ausgangsstoff hierfür diente ihnen ein Inhaltsstoff der Katzenminze (Nepeta cataria) : das Nepetalacton – eine Substanz, die bei Katzen zu rauschhaften Erregungszuständen führt. Nepetalacton ist ein nachwachsender Rohstoff aus einer Pflanze, die leichter verfügbar ist als Phyllantus engleri. Für die weitere Analyse von Englerin-A ist das entscheidend, denn dadurch lassen sich größere Mengen von dieser Substanz herstellen.

Wie Englerin-A die Krebszellen abtötet, war bisher jedoch noch unbekannt. Bis vor kurzem galt eine Variante des Enzyms Proteinkinase C als vermeintliches Zielprotein von Englerin-A. Die Wissenschaftler haben nun aber festgestellt, dass Zellen, die besonders gut auf Englerin-A ansprechen, diese Enzymvariante gar nicht besitzen. Um den Wirkmechanismus von Englerin-A zu entschlüsseln konzentrierten sich die Forscher stattdessen auf eine Familie von Kalziumkanälen in der Zellmembran von Nierenzellen, die sogenannten TRPCs (transient receptor potential channels).

Verschiedene Nierenkrebszellen bilden unterschiedliche Mengen dieser Kanäle. Wie Untersuchungen ergaben, lässt eine Zugabe von Englerin-A die Kalziumkonzentration innerhalb der Zellen so stark ansteigen, dass diese binnen weniger Minuten absterben. „Wir haben Krebszellen untersucht, die viel TRPC4 produzieren. Diese Zellen reagieren besonders empfindlich auf Englerin-A. In Zellen, die kein TRPC4 bilden beziehungsweise normale TRPC4-Mengen aufweisen, steigt der Kalziumspiegel nicht so stark an. Diese Zellen sterben daher nicht“, erklärt Slava Ziegler vom Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie. Die Forscher wissen jedoch noch nicht, ob die Überproduktion der TRPCs der alleinige Grund für das Absterben der Krebszellen ist.

Englerin-A wirkt also vermutlich spezifisch auf Krebszellen in der Niere. „Diese Eigenschaft ist ein großer Vorteil gegenüber anderen Krebsmedikamenten, denn so ließen sich Nebenwirkungen auf gesunde Zellen möglicherweise vermeiden“, sagt Herbert Waldmann, der am Dortmunder Max-Planck-Institut unter anderem die Verwendung von Naturstoffen für die Wirkstoffentwicklung erforscht.

Die Forscher wollen nun in Kooperation mit dem Lead Discovery Center in Dortmund in den nächsten Jahren untersuchen, ob Englerin-A als Krebsmedikament geeignet ist. Das von der Max-Planck-Gesellschaft gegründete Zentrum hilft dabei, potenzielle Wirkstoffe aus der Grundlagenforschung in die klinische Erprobung zu bringen. „Englerin-A ist ein Paradebeispiel für einen Wirkstoff mit viel Potenzial, gleichzeitig aber hohem Risiko. In der jetzigen Phase gäbe es kaum kommerzielle Partner, die das Kapital für die weitere Untersuchung zur Verfügung stellen würden. Das Lead Discovery Center kann diese Kluft zwischen Grundlagenforschung und Medizin überbrücken“, sagt Waldmann.

Max-Planck-Gesellschaft, 17. März 2015

 

Originalpublikation:

Yasemin Akbulut, Hannah J. Gaunt, Katsuhiko Muraki, Melanie J. Ludlow, Mohamed S. Amer, Alexander Bruns, Naveen S. Vasudev, Lea Radtke, Matthieu Willot, Sven Hahn, Tobias Seitz, Slava Ziegler, Mathias Christmann, David J Beech, and Herbert Waldmann. (-)-Englerin A: A Potent and Selective Activator of TRPC4 and TRPC5 Calcium Channels. Angewandte Chemie, 17 March 2015. doi: 10.1002/anie.201411511

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