Sie leben in riesigen Kolonien von bis zu fünf Millionen Tieren. Ihre Mitglieder gehören verschiedenen Kasten an, mit der Königin an der Spitze: Die Blattschneiderameisen. Um ihre Larven groß zu ziehen und die ausgewachsenen Ameisen mit Nahrung zu versorgen betreiben sie in ihren Bauen Pilzgärten, in denen sie einen verwandten des Champignons züchten. Ähnlich wie bei der Kultivierung von Nutzpflanzen durch den Menschen ziehen die Pilzkulturen Schädlinge an, die von den Ameisen meist mit Hilfe von Antibiotika in Schach gehalten werden. Wie Forscher nun herausgefunden haben ist eine Ameisenart, die keine Antibiotika zum Schutz ihrer Pilzkolonien mehr einsetzt dazu übergegangen, parasitische Pilze durch einen chemischen Wirkstoff am Wachstum zu hindern.
Ein komplexes Kastensystem…
Erst schwärmen die Kundschafterinnen aus, um nach geeigneten Sträuchern oder Bäumen zu suchen. Sind sie fündig geworden, so legen sie eine Duftspur vom Fundort zum Nest. Dieser Spur folgen dann die unzähligen emsigen Blattschneiderinnen auf ihrem Weg von ihren unterirdischen Bauen zu ihrem Einsatzort. Mit ihren scharfen Kiefern schneiden sie aus den Blättern Stücke heraus, die mehr als zehnmal so große wie sie selbst sind. Eine Prozession von Transporteurinnen schleppt die wie große grüne Segel anmutenden Blattstücke anschließend zum Nest. Hoch oben auf den grünen Segeln reiten ihre winzigen Schwestern, die Leibwächterinnen. Sie schützen die Transporteurinnen auf ihrem gefährlichen Weg ins Nest und verteidigen sie etwa gegen die Angriffe der Buckelfliegen. Denn die Fliegen versuchen die Wehrlosigkeit der Transporteurinnen auszunutzen und ihre Eier in den Tieren abzulegen.
Nachdem die Transporteurinnen, die Wächterinnen am Eingang des Baus passiert haben legen sie ihr Blattstück in einer dafür vorgesehenen Kammer ab. Dort übernimmt es eine kleinere Arbeiterin und zerschneidet es mit ihren Kiefern in etwa einen Millimeter große Stückchen. Noch kleinere Arbeiterinnen übernehmen diese Schnipsel und zerkleinern sie weiter, formen daraus kleine Kügelchen und fügen sie in den Pilzgarten ein. Er besteht aus zerkautem Pflanzenmaterial, das von einem Pilz der Gattung der Egerlingsschirmlinge (Leucoagaricus), einem Verwandten des Champignons, bewachsen wird. Ähnlich einem Badeschwamm ist der Pilzgarten von Löchern durchzogen.
…erlaubt das Gedeihen aller Koloniemitglieder
Die Pflege der Pilzgärten ist Aufgabe der kleinsten Arbeiterinnen. Sie betasten und kontrollieren ständig die Oberfläche des Pilzgeflechts und säubern es von Sporen und Keimen unerwünschter Pilzarten. Indem sie Pilzfäden auf neues Pflanzensubstrat bringen legen sie neue Pilzkulturen an. Durch regelmäßiges Abbeißen der Pilzfäden unterbinden sie die Bildung von Fruchtkörpern. So erreichen sie, dass der Pilz knollenartige Verdickungen, die sogenannten Gongylidia, bildet. Sie sind sehr nahrhaft und enthalten viel Fett, Kohlenhydrate und Eiweiß und dienen der gesamten Ameisenkolonie als Nahrung: von den Larven über die Arbeiterinnen und die Soldatinnen bis hin zur Königin werden alle Mitglieder der Ameisenkolonie damit gefüttert.
Die chemische Keule der Ameisen…
Wissenschaftler haben nun herausgefunden, dass die Blattschneiderameisen der Art Atta cephalotes den Schädlingspilz Escovopsis mit Hilfe der Chemikalie Phenylessigsäure in Schach halten, die sie in einer Drüse an ihrem Rücken bilden. Zur Bekämpfung von Escovopsis gibt es in größeren Kolonien kleine Arbeiterinnen, deren Drüsen vergrößert sind und die darauf spezialisiert sind den Schadpilze aufzuspüren und zu bekämpfen. Bisher scheinen die Ameisen den Pilz mit ihrer Chemikalie erfolgreich abwehren zu können: Die Forscher haben noch nie beobachtet, dass dem Schadpilz eine Kolonie zum Opfer gefallen ist. Doch ähnlich, wie bei vom Menschen eingesetzten Pestiziden, gibt es Anzeichen einer Resistenzentwicklung: Die Schadpilze, die in den Bauen von Atta cephalotes vorkommen sind gegenüber Phenylessigsäure weniger empfindlich, als solche, die in den Bauen anderer Blattschneiderameisen leben, die das Wachstum des Schadpilzes durch den Einsatz von Antibiotika einschränken. Wie aber konnten die Ameisen dann erfolgreich über Millionen von Jahren hinweg die Säure im Kampf gegen den Pilz einsetzen? Wie die Forscher beobachtet haben, setzen die Ameisen die chemische Keule nur mit Bedacht ein. Sie nutzen sie nur dann, wenn tatsächlich ein Befall vorliegt, nie jedoch präventiv. Darüber hinaus setzen sie Phenylessigsäure nur lokal begrenzt genau in den Bereichen ein, wo Escovopsis sich eingenistet hat. Dazu verteilt eine kleine Arbeiterin die Chemikalie sorgfältig mit ihren Beinen auf den Schadpilz.
…wird mit Bedacht eingesetzt
Sicher könnten auch wir Menschen so manche Resistenzbildung bei ein- und mehrzelligen Schädlingen vermeiden, wenn wir unsere chemischen Keulen mit ähnlichem Bedacht einsetzen würden, wie die Blattschneiderameisen. Ihr Konzept funktioniert schon seit Millionen von Jahren. Bei uns kommt es dagegen meist bereits nach nur wenigen Jahre zu Resistenzen bei den Schädlingen.
von Ute Keck
Originalpublikation:
Fernandez-Marın H, Nash DR, Higginbotham S, Estrada C, van Zweden J,
d’Ettorre P, Wcislo WT, Boomsma JJ. Functional role of phenylacetic acid from metapleural gland secretions in controlling fungal pathogens in evolutionarily derived leaf-cutting ants. Proc. R. Soc. B.2015. DOI: 10.1098/rspb.2015.0212
Weiteres zum Thema Ameisen:
Where Are the Ants Carrying All Those Leaves? | Deep Look (Kurzer Film der Blattschneiderameisen bei der Arbeit zeigt)
CITY OF ANTS National Geographic
Ameisen – Die heimliche Weltmacht – Doku