Neuer Angriffspunkt im Kampf gegen multiresistente Tuberkuloseerreger entdeckt

Die M. tuberculosis „sliding clamp“ (DnaN) im Komplex mit (Cyclohexyl-)Griselimycin. © HZI / Peer Lukat

Die M. tuberculosis „sliding clamp“ (DnaN) im Komplex mit (Cyclohexyl-)Griselimycin. © HZI / Peer Lukat

Im Jahr 2012 infizierten sich rund 8,7 Millionen Menschen mit Tuberkulose. Etwa 1,3 Millionen Menschen sterben weltweit jährlich an der Krankheit. Wie bei vielen bakteriellen Krankheitserregern stellen auch beim Kampf gegen Tuberkulose gegen Antibiotika resistente Erreger ein großes Problem dar. Wissenschaftler haben nun einen neuen Wirkstoff der Pharmafirma Sanofi untersucht, der das Potential hat, diese Probleme zu lösen: den Naturstoff Griselimycin.

Mycobacterium tuberculosis ist der Hauptverursacher von Tuberkulose. Zur Behandlung der Krankheit müssen Patienten derzeit vier verschiedene Medikamente über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten einnehmen. Da sich viele Patienten nicht an den komplizierten Behandlungsplan halten scheitert die Bekämpfung der Krankheit nicht selten und es kommt zur Bildung von Resistenzen.

Daher werden dringend neu Medikamente gegen die resistenten Erreger und Behandlungsmöglichkeiten benötigt, mit denen man die Therapiedauer verringern kann. Auf früheren Erkenntnissen aufbauend konzentrierten sich Müller vom Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung und sein internationales Team gemeinsam mit Sanofi-Wissenschaftlern auf den Naturstoff Griselimycin. Das Potential dieses Naturstoffs wurde bereits in den 60er Jahren entdeckt. Wegen der damals erfolgreichen Entwicklung anderer Tuberkulose-Medikamente und seiner geringen Wirksamkeit im Infektionsmodell wurde er aber damals nicht weiterentwickelt.

„Wir haben nun die Arbeiten mit diesem Wirkstoff wieder aufgenommen. Die Muttersubstanz wurde so optimiert, dass sie nun hervorragende Aktivität im Infektionsmodell zeigt – und das auch gegen multiresistente Tuberkulose-Erreger“, sagt Müller. Die Forscher entdeckten, dass Cyclohexylgriselimycin, eine Variante des Griselimycins, besonders effektiv gegen Mycobacterium tuberculosis wirkt und zwar sowohl in Zellkultur, als auch im Tiermodell. Darüber hinaus kann der Wirkstoff auch oral eingenommen werden, was für die Behandlung ein entscheidender Punkt ist. Das macht eine Einnahme über einen langen Zeitraum erst praktikabel. Außerdem erhöhte sich die Wirksamkeit des normalerweise verabreichten Antibiotika-Cocktails durch die Kombination mit dem Stoff.

Die Wissenschaftler konnten nicht nur zeigen, dass Cyclohexylgriselimycin gegen Tuberkulose wirkt, sie konnten auch den Mechanismus dahinter aufklären. „Die Substanz bindet im Tuberkulose-Erreger an die sogenannte DNA-Klammer und unterdrückt dadurch die Aktivität des Enzyms DNA-Polymerase, welche die Erbinformation in der Zelle vervielfältigt“, sagt Müller. Ohne die DNA-Klammer kann weder DNA-Replikation noch effiziente DNA-Reparatur stattfinden und die bakteriellen Erreger können sich im Körper nicht mehr vermehren. Strukturbiologen am HZI gelang es, die Detailstruktur der DNA-Klammer mit daran gebundenem Cyclohexylgriselimycin zu ermitteln. „Auf diese Weise konnte der besondere Wirkmechanismus des neuen Antibiotikums bei hoher Auflösung aufgeklärt werden“, sagt Dirk Heinz, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des HZI, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.

Da sich dieser Mechanismus von der Wirkweise der bisher gegen Tuberkulose und alle anderen bakteriellen Erreger eingesetzten Antibiotika unterscheidet, ist die Gefahr der Resistenzbildungen zunächst gering. Zudem konnten die Wissenschaftler auch zeigen, dass in Mykobakterien, zu denen der Tuberkulose-Erreger gehört, eine Resistenzbildung zwar möglich ist, diese jedoch das Wachstum der Erreger stark beeinträchtigt. „Wir sind hoffnungsvoll, mit Cyclohexylgriselimycin einen Wirkstoff in der Hand zu haben, der künftig sogar gegen resistente Tuberkuloseerreger eingesetzt werden kann und zu einer erfolgreicheren Bekämpfung der Krankheit beiträgt“, sagt Müller.

Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung, 05.06.2015

 

Originalpublikation:
Angela Kling, Peer Lukat, Deepak V. Almeida, Armin Bauer, Evelyne Fontaine, Sylvie Sordello, Nestor Zaburannyi, Jennifer Herrmann, Silke C. Wenzel, Claudia König, Nicole C. Ammerman, María Belén Barrio, Kai Borchers, Florence Bordon-Pallier, Mark Brönstrup, Gilles Courtemanche, Martin Gerlitz, Michel Geslin, Peter Hammann, Dirk W. Heinz, Holger Hoffmann, Sylvie Klieber, Markus Kohlmann, Michael Kurz, Christine Lair, Hans Matter, Eric Nuermberger, Sandeep Tyagi, Laurent Fraisse, Jacques H. Grosset, Sophie Lagrange, Rolf Müller. Targeting DnaN for tuberculosis therapy using novel griselimycins. Science 5 June 2015: 348 (6239), 1106-1112. DOI: 10.1126/science.aaa4690.

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