Wie Krebszellen unsterblich werden

Chromosomen einer Tumorzelle, die ihre Telomere (pink und grün) auf dem alternativen Weg verlängert | © dkfz.de

Chromosomen einer Tumorzelle, die ihre Telomere (pink und grün) auf dem alternativen Weg verlängert | © dkfz.de

Mit jeder Zellteilung verkürzen sich die Enden der Chromosomen, der Erbgutfäden im Zellkern, um ein kleines Stück. Sobald die als Telomere bezeichneten Chromosomenenden aufgebraucht sind, stellen normale Zellen ihre Teilung ein. Wissenschaftler entdeckten nun, wie Krebszellen DNA-Reparaturenzyme dazu missbrauchen, die Chromosomenenden wieder zu verlängern. Hierdurch entziehen sie sich der natürlichen Altersbegrenzung und können sich unendlich teilen.

Unsere Erbinformation liegt in Proteine verpackt als Chromosomen im Zellkern vor. Die Enden aller Chromosomen – die sogenannten Telomere – bestehen aus speziellen, sich vielfach wiederholten DNA-Sequenzen, die sich mit jeder Zellteilung verkürzen. Mit zunehmendem Alter der Zelle schrumpfen die Telomere bis die Zellteilung schließlich ganz zum Erliegen kommt. Sie funktionieren wie eine ablaufende Sanduhr, die die Zellen daran hindert, sich mehr als 50 bis 60 Mal zu teilen.

Für Krebszellen, die sich ungebremst teilen, ist es daher notwendig, die abgelaufene Sanduhr wieder auf Start zurückzustellen. Die meisten Tumoren erledigen das durch einen ganz einfachen Mechanismus: Sie aktivieren erneut das Gen für die Telomerase. Dieses Enzym kann die Telomere wieder auffüllen, also die Sanduhr wieder umdrehen. Normalerweise ist de Telomerase daher nur in embryonalen Stammzellen aktiv.

Etwa zehn Prozent aller Krebsarten, wie etwa Hirntumoren bei Kindern, nutzen jedoch einen alternativen Mechanismus, um ihre Telomere erneut zu verlängern. Ein Wissenschaftlerteam um Karsten Rippe aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Universität Heidelberg hat diesen komplexen Prozess nun genauer unter die Lupe genommen.

Bei der alternativen Telomer-Verlängerung sammeln sich winzige Proteinaggregate, so genannte Kernkörperchen, an den Telomeren an. Um die beteiligten Komponenten dieser Kernkörperchen zu identifizieren, schaltete Rippes Team nun gezielt etwa hundert „verdächtige“ Proteine jeweils einzeln in den Krebszellen aus.

Mithilfe automatisierter Mikroskop-Aufnahmen analysierten die Forscher über 20 Millionen Bilder, die zeigten, wie sich der Ausfall der einzelnen Proteine auswirkt. So konnten sie 29 Proteine ermitteln, die an dem komplexen Prozess der alternativen Telomer-Verlängerung beteiligt sind. Die eigentliche Verlängerung der Chromosomenenden kommt dadurch zustande, dass die am Telomer angelagerten Kernkörperchen bestimmte DNA-Reparaturproteine aktivieren, die die fehlenden Sequenzen wieder anfügen.

„Wir wissen jetzt, welche molekularen Player an der alternativen Telomer-Verlängerung beteiligt sind. Dadurch kennen wir neue Angriffspunkte, um diesen Prozess gezielt bei Tumoren zu blockieren, die den alternativen Mechanismus verwenden“, sagt Katharina Deeg. Die Forscher untersuchen derzeit in Zusammenarbeit mit Kollegen von den Universitätskliniken in Hamburg und Heidelberg in Glioblastom- und Prostatakrebszellen aus Patienten, wie sich verschiedene Tumorarten in ihrer Telomer-Verlängerung unterscheiden und wie sich dies auf den Verlauf der Krankheit auswirkt.

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), 12.06.2015

 

Originalpublikation:

Osterwald, S., Deeg, K. I., Chung, I., Parisotto, D., Wörz, S., Rohr, K., Erfle, H. & Rippe, K.: PML induces compaction, partial TRF2 depletion and DNA damage signaling at telomeres and promotes alternative lengthening of telomeres. J. Cell Sci. 2015, DOI 10.1242/jcs.148296.

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