Auch B-Zellen können Immuntoleranz vermitteln

Gewebeschnitt durch den menschlichen Thymus: Verstreut zwischen den medullären Thymusepithelzellen (grün) liegen kleine Inseln von B-Zellen (rot). © Sheena Pinto,DKFZ

Gewebeschnitt durch den menschlichen Thymus: Verstreut zwischen den medullären Thymusepithelzellen (grün) liegen kleine Inseln von B-Zellen (rot). © Sheena Pinto, DKFZ

Um die Organe vor Angriffen durch das Immunsystems zu schützen, hat der Körper komplexe Mechanismen entwickelt. So werden T-Zellen, die gegen körpereigene Proteine gerichtet sind, im Thymus aussortiert. Wissenschaftler haben nun entdeckt, dass auch in den Thymus einwandernde B-Zellen zur Immuntoleranz beitragen. Nach dem Eintritt in den Thymus ändern sie ihre molekulare Ausstattung und erlangen dabei die „Lizenz“, Toleranz zu vermitteln.

Das eigene Immunsystem kann leicht zur Gefahr werden: Wenn sich Abwehrzellen gegen körpereigene Gewebe richten, drohen Autoimmunerkrankungen, die in manchen Fällen sogar tödlich enden können. Entsprechend gründlich schützt sich der Körper vor solchen Entgleisungen. Dazu werden die T-Zellen des Immunsystems sorgfältig kontrolliert. Das erfolgt im Thymus, einem kleinen, drüsenartigen Organ hinter dem Brustbein. Hier werden diejenigen T-Zell-Vorläufer aussortiert, die mit ihren Rezeptoren körpereigene Proteine erkennen. Dieser als „negative Selektion“ bezeichnete Mechanismus führt zu einer „zentralen Toleranz“ gegenüber körpereigenen Proteinen.

Bruno Kyewski am Deutschen Krebsforschungszentrum ist Experte für T-Zell-Toleranz. Der Immunologe hatte bereits vor einigen Jahren entschlüsselt, wie die negative Selektion autoreaktiver T-Zellen im Thymus funktioniert. Während alle anderen Zellen des Körpers nur diejenigen Proteine produzieren, die in dem jeweiligen Gewebe benötigt werden, können Thymusepithelzellen so gut wie alle Proteine produzieren, die in den verschiedenen Organen des Körpers vorkommen. Sie funktionieren gewissermaßen als „Showroom“ aller körpereigenen Proteine.

Eine im Thymus ausreifende Vorläufer-T-Zelle, deren Rezeptor zufälligerweise an eines dieser zur Schau gestellten Proteine passt, wird sofort eliminiert. Dabei spielt das Steuerprotein „AIRE“ eine zentrale Rolle. Erst dieser Transkriptionsfaktor ermöglicht es den Thymuszellen, das ganze Arsenal an körpereigenen Proteinen herzustellen.

Gemeinsam mit Kollegen um Ludger Klein von der Ludwig-Maximilians-Universität München entdeckte Bruno Kyewski nun, dass auch in den Thymus eingewanderte B-Zellen AIRE produzieren. Das versetzt sie theoretisch dazu in der Lage, T-Zellen zu eliminieren, die von ihnen präsentierte Proteinbruchstücke erkennen und damit zur Toleranz beizutragen. B-Zellen zählen zur zweiten großen Waffengattung des Immunsystems. Die Forscher fanden heraus, dass die B-Zellen im Thymus, zur gleichen Zeit zu der sie AIRE bilden, ihre molekulare Ausstattung verändern und hierdurch eine „Lizenz zur Toleranzvermittlung“ erlangen.

Die Wissenschaftler fragten sich, ob die B-Zellen mit Toleranzvermittlungs-Lizenz auch wirklich dazu beitragen können, autoreaktive T-Zellen zu eliminieren. Dazu schleusten sie das Gen für das Virusprotein Hämagglutinin unter der Kontrolle des Transkriptionsfaktors AIRE in die B Zellen von Mäusen ein. Wie sich zeigte war dies tatsächlich der Fall: sobald die B-Zellen dieser Tiere im Thymus die „Toleranzvermittlungs-Lizenz“ erlangten, wurden gegen Hämagglutinin gerichtete T-Zell-Vorläufer eliminiert.

„Zuverlässige Immuntoleranz ist lebenslang wichtig. Der Körper muss sicherstellen, dass alle Selbst-Antigene vor Angriffen der T-Zellen geschützt sind“, erklärt Bruno Kyewski. Der Grund, warum B-Zellen dazu einen besonderen Beitrag leisten müssen liegt darin, dass sie im Laufe einer entzündlichen Immunantwort ihr Repertoire an Selbst-Antigenen in den Lymphknoten verändern. Diese neu entstandenen Selbst-Antigene könnten eine Autoimmunreaktion auslösen. Die Forscher spekulieren, dass B-Zellen zur Toleranzerziehung beitragen, um sich selbst vor T-Zell-Attacken gegen die neu entstandenen Selbst-Antigene zu schützen.

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), 03.08.2015

 

Originalpublikation:

Tomoyoshi Yamano, Jelena Nedjic, Maria Hinterberger, Madlen Steinert, Sandra Koser, Sheena Pinto, Norbert Gerdes, Esther Lutgens, Naozumi Ishimaru, Meinrad Busslinger, Benedikt Brors, Bruno Kyewski, and Ludger Klein: Thymic B Cells Are Licensed to Present Self Antigens for Central T Cell Tolerance Induction. Immunity 2015, DOI: 10.1016/j.immuni.2015.05.013

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