Wie die Tiere auf dem Bauernhof Kinder vor Asthma schützen

© Maasaak. CC BY-SA 4.0.

Dass Mikroorganismen auf dem Bauernhof Kinder vor Asthma und Allergien schützen können, ist bekannt. Doch auch nicht-mikrobielle Moleküle scheinen an diesem Effekt beteiligt zu sein: Denn, wie Forscher nun herausgefunden haben hemmt ein Bestandteil der tierischen Zellmembran Entzündungen des Lungengewebes. Das eröffnet möglicherweise neue Möglichkeiten für die Allergieprävention.

Immer mehr Menschen erkranken an Allergien und Asthma. Die Zahl der Betroffenen steigt in den Industrieländern stetig an. Heute leiden rund 30 Prozent der Kinder an mindestens einer Allergie. Mit einer Ausnahme: Bei Bauernkindern verläuft die Zunahme der Erkrankungen weniger dramatisch als bei ihren Kameraden, die im gleichen Dorf, aber nicht auf einem Bauernhof leben. Bisher weiß man, dass Mikroorganismen, die auf Bauernhöfen in größerer Zahl und höherer Vielfalt vorkommen die Bauernkinder vor Allergien und Asthma schützen. Eine Umgebung, die nicht übermäßig hygienisch ist wirkt sich demnach positiv auf die Entwicklung des Immunsystems aus, das so lernt, harmlose Stoffe zu ignorieren. Ist dies nicht der Fall, kommt es zu einer Allergie.

Oberflächenmolekül tierischer Zellen wirkt als Schutz

Offenbar haben aber nicht nur die auf einem Bauernhof vorhandenen Mikroorganismen einen schützenden Effekt vor Asthma, sondern auch die Tiere auf dem Bauernhof: Das Streicheln von Katze und Kuh, sowie der Schluck Milch direkt vom Hof können ebenfalls Asthma vorbeugen, wie nun ein Forscherteam rund um Remo Frei an der Universität Zürich herausgefunden hat: «Der frühkindliche Kontakt zu Tieren und auch der Verzehr von tierischen Nahrungsmitteln scheint die Entzündungsreaktionen des Immunsystems zu regulieren», so Immunologe Frei. Verantwortlich hierfür ist ein nicht-mikrobieller Stoff, der auf der Zelloberfläche von tierischen Zellen vorkommt: Eine sogenannte Sialinsäure. Sie ist bei Wirbeltieren – also auch bei vielen Bauernhoftieren – verbreitet, fehlt jedoch im menschlichen Organismus: die N-Glykolylneuraminsäure (Neu5Gc).

Antikörper als Maß für Kontakt mit Bauernhoftieren

Menschen können wegen einer genetischen Mutation kein Neu5Gc bilden. Sie können die Sialinsäure jedoch über Tierkontakt oder auch über das Essen von tierischen Lebensmitteln aufnehmen und sie sogar in ihre Glykoproteine einbauen. Der Kontakt mit Neu5Gc löst beim Menschen eine Antikörperreaktion aus, die als Maß für den Kontakt mit Neu5Gc, also für den Kontakt mit Bauernhoftieren dienen kann. Die Forscher haben die Konzentrationen von Neu5Gc-Antikörpern in Serum von Kindern gemessen, die im Rahmen zweier von der EU finanzierter epidemiologischer Studien (PARSIFAL- und PASTURE-Studie) gesammelt worden waren.

Antikörperstatus von über tausend Kindern verglichen

Der Vergleich der Neu5Gc-Antikörper-Konzentrationen von über tausend Kindern und dem Vorkommen von Asthma zeigte: «Bauernkinder wiesen viel mehr Antikörper gegen Neu5Gc im Blut auf – und Kinder mit mehr Antikörpern litten wesentlich seltener an Asthma», so Frei. Die positive Wirkung der Sialinsäure Neu5Gc auf die Atemwege konnte mit Hilfe eines Mausmodells bestätigt werden: Über die Nahrung aufgenommene Neu5Gc-Moleküle verbesserten die Lungenfunktion der Mäuse und reduzierten somit die Symptome von Asthma.

Vom Bauernhof-Effekt zur Allergieprävention

Um den Mechanismus zu verstehen, wie Neu5Gc auf das menschliche Immunsystem wirkt, analysierten die Forschenden verschiedene Zellen des Immunsystems, die bei einer entzündlichen Reaktion eine Rolle spielen. Mit einem erstaunlichen Ergebnis: Sowohl bei den untersuchten Kindern als auch bei den Mäusen senkte der Kontakt mit Neu5Gc nicht die Menge der Antikörper, die bei allergischen Reaktionen verstärkt auftreten. Vielmehr wird das Immunsystem dazu veranlasst eine entzündlungshemmende Reaktion einzuleiten. «Das geschieht über sogenannte regulatorische T-Zellen, die stärker präsent sind. Diese T-Zellen dämpfen Fehlreaktionen des Immunsystems und wirken stark antientzündlich», erklärt Frei. «Unsere Forschungsresultate eröffnen Möglichkeiten, wie der schützende Effekt des Bauernhofs auf alle Kinder übertragen werden könnte», fasst Remo Frei zusammen. «Damit kann womöglich ein wichtiger Grundstein für eine wirksame Allergieprävention gelegt werden.»

Universität Zürich, 6. Juli 2017

Originalpublikation:

R. Frei et al. Exposure to non-microbial N-Glycolylneuraminic acid protects farmers’ children against airway inflammation and colitis. Journal of Allergy and Clinical Immunology. DOI: 10.1016/j.jaci.2017.04.051

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