Veränderung eines Schlüsselgens verhilft Mäusen zu größerem Gehirn

Das linke Teilbild zeigt die normale Stärke und zelluläre Verteilung der Aktivität von Pax6 im sich entwickelnden Neocortex. Das rechte Teilbild zeigt ein erhöhtes, Primaten-ähnliches Muster der Pax6-Aktivität im Neocortex eines doppelt transgenen Mäuseembryos. Diese Tiere besitzen mehr Pax6-positive Vorläuferzellen und höhere Pax6-Aktivität in der nahe am Ventrikel gelegenen Keimschicht. © MPI f. molekulare Zellbiologie & Genetik

Das linke Teilbild zeigt die normale Stärke und zelluläre Verteilung der Aktivität von Pax6 im sich entwickelnden Neocortex. Das rechte Teilbild zeigt ein erhöhtes, Primaten-ähnliches Muster der Pax6-Aktivität im Neocortex eines doppelt transgenen Mäuseembryos. Diese Tiere besitzen mehr Pax6-positive Vorläuferzellen und höhere Pax6-Aktivität in der nahe am Ventrikel gelegenen Keimschicht.
© MPI f. molekulare Zellbiologie & Genetik

Wird das richtige Gen auf die richtige Weise in den richtigen Stammzellen aktiv, so kann ein Mäusegehirn ähnliche Eigenschaften entwickeln, wie das eines Primaten. Wissenschaftler haben die Aktivität des Transkriptionsfaktors Pax6 in Vorläuferzellen der Großhirnrinde bei Mausembryonen so verändert, dass sie der beim Menschen vergleichbar war. Daraufhin erinnerte das Verhalten der Mauszellen an das von  Vorläuferzellen im sich entwickelnden Primatengehirn. Die Zellen teilten sich öfter und verhalfen der Maus so zu mehr Nervenzellen – einer Voraussetzung für ein größeres Gehirn.

Der stammesgeschichtlich jüngste Teil der Großhirnrinde, der sogenannten Neocortex, enthält während seiner Entwicklung verschiedene Arten von neuralen Stamm- und Vorläuferzellen. Die basalen Vorläuferzellen verhalten sich in Tieren mit kleinen Gehirnen, wie der Maus anders als in Lebewesen mit großen Gehirnen, wie dem Menschen. Beim Menschen durchlaufen basale Vorläuferzellen mehrere Zellteilungen, wodurch die Anzahl der Nervenzellen beträchtlich ansteigt und damit auch die Größe des Neocortex. Bei Mäusen teilen sich diese Zellen in der Regel nur einmal, was eine geringere Anzahl von Nervenzellen zur Folge hat.

Ein Grund für das unterschiedliche Verhalten der basalen Vorläuferzellen könnte die anders geartete Aktivität des Transkriptionsfaktors Pax6 sein, denn in basalen Vorläuferzellen von Mäusen ist Pax6 im Gegensatz zum Menschen nicht aktiv. „Wir waren sehr neugierig herauszufinden, was passiert, wenn wir die Aktivität von Pax6 im sich entwickelnden Mäusehirn der von Tieren mit großen Gehirnen anpassen“, sagt Fong Kuan Wong, Doktorandin im Labor von Wieland Huttner am Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie.

Zu diesem Zweck entwickelte Ji-Feng Fei, ebenfalls Doktorand in der selben Forschungsgruppe, eine neuartige transgene Mäuselinie. In diesen Mäusen konnten die Forscher die Aktivität von Pax6 in den Stammzellen der Hirnrinde so ändern, dass sie in den basalen Vorläuferzellen so wie beim Menschen aufrechterhalten bleibt. Tatsächlich bewirkte dies, dass sich die basalen Vorläuferzellen der Mäusembryonen nun mehrfach teilten – ähnlich wie bei Primaten. Das Ergebnis war nicht nur eine größere Population an basalen Vorläuferzellen, die Tieren mit großem Gehirn ähnelt. Es wurden auch mehr kortikale Nervenzellen produziert, insbesondere für die oberste Schicht der Großhirnrinde – ein weiteres Merkmal eines höher entwickelten Neocortex.

“Die evolutionäre Expansion des Neocortex ist ein Kennzeichen von Lebewesen mit höher ausgebildeten geistigen Fähigkeiten. Unsere Studienergebnisse tragen dazu bei, die molekularen Mechanismen, die dieser Entwicklung zugrunde liegen, besser zu verstehen“, erklärt Wieland Huttner. Die Studie zeigt, welche großen Unterschied die veränderte Aktivität eines einzelnen Schlüsselgens in der Gehirnentwicklung ausmachen kann. Die Herausforderung für die Zukunft wird sein, einen umfassenden und ganzheitlichen Blick auf alle molekularen Veränderungen zu bekommen, die unsere Gehirne so groß gemacht haben.

Max-Planck-Gesellschaft, 7. August 2015

 

Originalpublikation:

Fong Kuan Wong, Ji-Feng Fei, Felipe Mora-Bermudez, Elena Taverna, Christiane Haffner, Jun Fu, Konstantinos Anastassiadis, A. Francis Stewart & Wieland B. Huttner. Sustained Pax6 expression generates primate-like basal radial glia in developing mouse neocortex
PLOS Biology (2015), August 6, 2015. DOI: 10.1371/journal.pbio.1002217

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