Zugvögel bevorzugen Routen mit optimalen Windverhältnissen

Anhand der globalen Wetterdaten der letzten 21 Jahre haben Forscher ein Modell entwickelt, mit dem sie die optimalen Migrationsrouten von Zugvögeln berechnen können. Die kürzeste Flugzeit ergibt sich dabei nicht nicht aus der kürzesten Strecke. Das Modell berücksichtigt auch räumliche und zeitliche Änderungen der Windverhältnisse. © http://www.bioinfo.mpg.de/flyways / Nasa/ Blue Marble

Anhand der globalen Wetterdaten der letzten 21 Jahre haben Forscher ein Modell entwickelt, mit dem sie die optimalen Migrationsrouten von Zugvögeln berechnen können. Die kürzeste Flugzeit ergibt sich dabei nicht nicht aus der kürzesten Strecke. Das Modell berücksichtigt auch räumliche und zeitliche Änderungen der Windverhältnisse.
© http://www.bioinfo.mpg.de/flyways / Nasa/ Blue Marble

Jedes Jahr legen Zugvögel Tausende von Kilometern zurück. Im Frühjahr und Herbst ziehen sie aus den kälteren und weniger produktiven Regionen in wärmere und ergiebigere Gebiete. Dabei ist die kürzeste Route ist nicht automatisch die beste. Denn die Vögel sparen Energie und sind schneller, wenn sie sich vom Wind helfen lassen. Wie Wissenschaftler nun berechnet haben, sparen Vögel etwa ein Viertel der Reisezeit, wenn sie die Route mit optimalen Windverhältnissen wählen. Sie verfügen dann bei ihrer Ankunft über mehr Energie und haben dadurch höhere Überlebens- und Fortpflanzungschancen. Das Wissen über die optimale Flugroute wird vermutlich von einer Generation zur nächsten weitergegeben.

Küsetnseeschwalbe. © Andreas Trepte. CC BY-SA 2.5

Küsetnseeschwalbe. © Andreas Trepte. CC BY-SA 2.5

Auf ihren Reisen überqueren Zugvögel ganze Ozeane, Gebirgsketten und Wüsten. Die Küstenseeschwalbe (Sterna paradisaea) etwa fliegt jedes Jahr von ihren Brutplätzen in der Arktis in ihr Winterquartier in der Antarktis. Damit hält sie den Streckenrekord unter den Zugvögeln. Solche und viele andere Meisterleistungen von Zugvögeln wollen Forscher künftig mit Satelliten gestützten Ortungssystemen untersuchen.

Wissenschaftler um Kamran Safi vom Max-Planck-Institut für Ornithologie haben nun berechnet, dass die kürzeste Route fast nie die beste ist. Stattdessen zahlt es sich für die Vögel aus, Umwege zu fliegen und dabei den Wind auszunutzen. „Natürlich können einzelne Vögel nicht vorhersagen, wann an welchem Ort der beste Wind weht“, sagt Bart Kranstauber, Erstautor der Studie. „Dieses Wissen könnte von Generation zu Generation weitergegeben werden – entweder, indem Jungtiere die beste Flugroute von ihren Eltern lernen oder indem nur die bestangepassten Vögel überleben.“ Das funktioniert jedoch nur, weil die Windverhältnisse tatsächlich über Jahre hinweg stabil sind.

Kuckukc. © Jürgen Schmidt. CC BY-SA 3.0

Kuckukc. © Jürgen Schmidt. CC BY-SA 3.0

Rückenwind spart Muskelkraft

„Einige der Routen, die wir aus Beobachtungen kennen, lassen sich auch mit unseren Berechnungen gut erklären“, sagt Safi. So ist es energetisch günstiger, im Herbst auf dem Weg von Europa nach Afrika weiter östlich zu fliegen. Auf dem Rückweg lohnt sich hingegen ein Umweg Richtung Westen. Genau diese Flugrouten wählt zum Beispiel der Kuckuck (Cuculus canorus).

Die Vögel sparen ein Viertel der Reisezeit, wenn sie statt der kürzesten Route die mit den besten Windverhältnissen wählen. Dadurch sind sie bei der Ankunft nicht so erschöpft. Damit steigen ihre Überlebenschancen und sie können mehr Nachwuchs in die Welt setzen als ihre Artgenossen, die sich erst von der beschwerlichen Reise erholen müssen. Dieses Wissen über die beste Flugroute geben die Eltern dann ihren Kindern mit. Es kann entweder im Erbgut fixiert sein oder von den Eltern erlernt werden.

Der Wind ist nur ein Faktoren unter vielen

Die Wissenschaftler nutzten für ihre Berechnungen Wetterdaten der Jahre 1990 bis 2010. Ein Computerprogramm errechnete die schnellste Flugroute für einen Vogel zwischen 102 Orten im Norden und 65 im Süden. Obwohl das Programm keine weiteren Faktoren berücksichtigt, sagt es die tatsächlich genutzten Routen erstaunlich gut vorher.

Als nächstes will sich Safi die Fälle anschauen, in denen seine Berechnung und die Realität nicht zusammenpassen. „Wir wollen wissen, warum sich einige Vogelarten anders verhalten, als es unser Computermodell prophezeit“, erklärt Safi. Daraus könnte man ableiten, welche Einflüsse die Routen der Zugvögel zusätzlich beeinflussen.

Noch immer wird diskutiert, wie Zugvögel sich überhaupt orientieren. Am wahrscheinlichsten gilt, dass sie das Magnetfeld der Erde nutzen. Doch mit welchem Organ sie dieses Magnetfeld wahrnehmen könnten, ist noch nicht abschließend geklärt.

Max-Planck-Gesellschaft, 19. Oktober 2015

 

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Auf dieser Seite können Sie den Einfluss der Wetterdaten in Abhängigkeit von Start- und Zeitpunkt sowie der Flughöhe der Vogelwanderung selbst erkunden

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Originalpublikation:

B. Kranstauber, R. Weinzierl, M. Wikelski , and K. Safi. Global aerial flyways allow efficient travelling. Ecology Letters; 19 October, 2015 DOI: 10.1111/ele.12528

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