Wie Pflanzen ihre Blütezeit an die Temperatur anpassen

Die Forscher haben den Mechanismus gefunden, der bei der schottischen Ackerschmalwand eine um zwei Wochen frühere Blüte auslöst als bei ihren Verwandten in wärmeren Regionen. © U. Lutz/ TUM

Die Forscher haben den Mechanismus gefunden, der bei der schottischen Ackerschmalwand eine um zwei Wochen frühere Blüte auslöst als bei ihren Verwandten in wärmeren Regionen. © U. Lutz/ TUM

Pflanzen passen ihre Blütezeit der Temperatur und der Tageslänge ihrer Umgebung an. Dies geschieht durch molekulare Modifikationen eines Proteins, das für den Blühzeitpunkt relevant ist. Nun haben Forscher eine genetische Variante dieses Proteins entdeckt, mit dem Pflanzen trotz niedriger Temperaturen früher blühen können.

Um den optimalen Zeitpunkt für ihre Blüte zu herauszufinden, berücksichtigen Pflanzen Faktoren wie Temperatur, Tageslänge und Temperaturschwankungen. Bisher war kaum bekannt, wie es Pflanzen gelingt ihre Blütezeit in einem kalten Frühling nach hinten zu verschieben. Im Kontext des globalen Klimawandels, bei dem nur relativ kleine Temperaturschwankungen auftreten, spielen solche Prozesse eine große Rolle. Denn vom richtigen Blühzeitpunkt hängt auch der Ertrag auf dem Acker ab – und dem Modellorganismus Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana sichert er das Überleben im täglichen Überlebenskampf der Evolution.

Entscheidendes Gen für Frühblüher

Nun haben Forscher eine genetische Variante eines Proteins entdeckt, über das Pflanzen ihren Blühzeitpunkt an ihre Umgebungstemperatur anpassen. Normalerweise wird dieses Protein durch sogenanntes Spleißen des Gentranskripts an die jeweiligen Umwelterfordernisse angepasst, um eine zu frühe Blüte zu vermeiden. Anders im kühlen Schottland: Dort blüht die Pflanze trotz kühler Temperaturen früher. Bei ihr fanden die Wissenschaftler einen molekularen Mechanismus, der bei der schottischen Ackerschmalwand eine um zwei Wochen frühere Blüte ermöglicht, als bei ihren Verwandten in wärmeren Gefilden. Durch die Insertion eines sogenannten springenden Gens (Transposons) war die Bildung des eine frühe Blüte verhindernden Gens so stark vermindert, dass die Funktion dieses Blühverhinderers (Repressors) nicht mehr zum Tragen kam.

Wie die Forscher zeigen konnten, hat sich diese Genveränderung bereits in mehreren anderen Varianten der Ackerschmalwand durchgesetzt und dort das Blühverhalten verändert. Durch eine Untersuchung, ob das spingende Gen vorhanden ist oder nicht lässt sich das Blühverhalten der Ackerschmalwand genau vorherzusagen. Mit Hilfe der neuen Erkenntnisse könnte man in naher Zukunft auch die Blütezeit von Nutzpflanzen, wie etwa Raps vorhersagen oder sogar verändern.

Forschung hilft, ökologische Folgen des Klimawandels abzuschätzen

„Mit unserer Forschung liefern wir einen Beitrag dazu, die ökologischen Folgen der Klimawandels abschätzen zu können“, sagt Schwechheimer von der Technischen Universität München – „denn die Erderwärmung wird bei vielen Pflanzen ein verändertes Blüteverhalten mit sich bringen. Die Auswirkungen dieser Temperaturveränderung auf die Pflanzenwelt, aber auch auf die von ihnen abhängigen Lebewesen, müssen wir Forscher besser verstehen.“

Pflanzen reagieren auf die Erfahrung eines langen kalten Winters und auf längere Kälteperioden im Frühjahr durch eine Verzögerung des Blütezeitpunkts. Die molekularen Mechanismen, mit denen die Pflanzen diese Kälteperioden wahrnehmen, sind jedoch unterschiedlich. Bei Wintergetreiden wie dem Winterweizen kann der Samen im Herbst auskeimen, die Pflanze blüht jedoch erst, wenn sie im Winter einen Kältereiz erfahren hat.

Erkenntnisse für Lebensmittelproduktion wichtig

Die Gene für diese Regulation sind bereits bei vielen Pflanzen bekannt. Beim Sommerweizen etwa sind sie durch herkömmliche Züchtung so verändert, dass die Pflanze selbst dann blüht, wenn sie erst im Frühjahr ausgesät wird. Auch die Temperaturen in einem ungewöhnlich kühlen oder warmen Frühling können das Blühverhalten von Pflanzen beeinträchtigen, doch sind die Kenntnisse darüber noch sehr eingeschränkt. Da sich schon kleine Veränderungen von wenigen Grad Celsius negativ auf die landwirtschaftliche Produktion auswirken können, ist es wichtig diese Prozesse zu verstehen.

Die Ergebnisse des Forscherteams können künftig dabei helfen, die Blütezeit vorherzusagen oder sogar zu modifizieren. Ebenso sind solche Erkenntnisse für die Pflanzenzüchtung bei fortschreitender globaler Erwärmung wichtig, um die Produktion von Lebensmitteln dauerhaft zu sichern.

Technische Universität München, 22.10.2015

 

Originalpublikation:
Ulrich Lutz, David Posé, Matthias Pfeifer, Heidrun Gundlach, Jörg Hagmann, Congmao Wang, Detlef Weigel, Klaus F. X. Mayer, Markus Schmid, Claus Schwechheimer: Modulation of Ambient Temperature-Dependent Flowering in Arabidopsis thaliana by Natural Variation of FLOWERING LOCUS M, PLOS Genetics October 22, 2015. DOI:10.1371/journal.pgen.1005588

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