Forscher haben durch eine Meta-Analyse neue Moleküle identifiziert, die bei der Vermehrung des Grippe-Virus eine zentrale Rolle spielen. Dabei handelt es sich um Proteine in der Wirtszelle, mit denen das Virus interagieren muss, um sich erfolgreich auszubreiten. Blockiert man sie, so können sich die Viren weniger gut vermehren. Damit stellen sie Angriffspunkte für neue Therapien dar.
In den Wintermonaten grassieren nicht selten Grippeepidemien. Neuentstandene Virenstämme können sich mitunter sogar zu weltweiten Pandemien ausbreiten.
Grippe wird durch eine Infektion mit dem Influenzavirus hervorgerufen, der sich massiv in den Atemwegen vermehren kann. Um sich in den Atemwegszellen auszubreiten sind die Viren auf Proteine in der Wirtszelle angewiesen. Deshalb haben Forscher in den letzten Jahren versucht, Wirtsproteine, die für diesen Prozess wichtig sind zu identifizieren und zu blockieren, um so das Virus auszubremsen.
Hemmung von Wirtsproteinen bremst Virenvermehrung aus
Diesen Ansatz der Grippebehandlung verfolgt auch ein internationales Forscherteam. Es wertete Datensätze von unabhängigen Veröffentlichungen zu Wirtsmolekülen von Influenza A aus. Diese Studien umfassten alle in der Wirtszelle von dem Virus benötigten Gene («GenOMICs») und Proteine («ProteOMICs»). Bei ihrer Analyse produzieren die Forscher einen umfangreichen Datensatz aus dem sie 20 bisher unerkannte Wirtsmoleküle identifizierten, die das Virus für eine Vermehrung braucht.
«Diese unveränderbaren Wirtsproteine sind für die Replikation der Viren unerlässlich. Wir können sie nun nutzen, um die Weiterverbreitung zu stoppen», erklärt Silke Stertz vom Institut für Medizinische Virologie der Universität Zürich. Eines dieser Wirtsproteine ist «UBR4». Dieses Protein wird vom Virus für den Transport viraler Proteine an die Zelloberfläche und damit für den Bau neuer Virenpartikel benötigt. Die Bildung neuer Virenpartikel läuft dabei folgendermaßen ab: Das Influenza Virus dringt in die Wirtszelle ein und programmiert diese so um, dass sie sein Genom und seine Proteine herstellt. Anschließend müssen diese viralen Komponenten an die Zelloberfläche gebracht werden, um dort zu neuen Viruspartikeln zusammengesetzt zu werden. In einer einzigen infizierten Wirtszelle können so bis zu 20.000 neue Influenzaviren entstehen.
Wie die Forscher zeigen konnten hemmt eine Blockade von «UBR4» die Bildung neuer Viruspartikel. Bei Mäusen gelang es auf diese Weise die Viren-Replikation auszubremsen und den Krankheitsverlauf abzumildern.
Öffentliches Webportal soll die Wirkstoffentwicklung unterstützen
Das Forschungsteam erstellte ein vereinfachtes, benutzerfreundliches Webportal zur Influenza-Wirt-Interaktion. Die WebSite ist auch anderen Forschenden zugänglich, ermöglicht individuelle Abfragen und bietet Analysetools zum Auffinden von Wirtsproteinen, die bei der Grippeinfektion eine Rolle spielen könnten. Damit sollen die veröffentlichten Daten zur Entwicklung von Influenza-Wirkstoffen beitragen.
«Wir rechnen damit, dass die in dieser Studie beschriebene Herangehensweise und Nutzung von «Big Data» eine Brücke zwischen der biomedizinischen Forschung und der therapeutischen Entwicklung schlägt und neue Erkenntnisse für bisher unbeantwortete medizinische Fragen ermöglicht», sagt Sumit Chanda vom Sanford Burnham Prebys Medical Discovery Institute (SBP) in Kalifornien.
Universität Zürich, 09.12.2015
Originalpublikation:
Shashank Tripathi et al.: Meta- and Orthogonal Integration of Influenza ‚OMICs‘ Data Reveals UBR4 as a Critical Regulator of M2 Ion Channel Membrane Trafficking. Cell Host & Microbe, December 9, 2015. doi: 10.1016/j.chom.2015.11.002