Forscher haben einen neuen chronobiologischen Rhythmus bei Säugetieren entdeckt. Anhand von Zahnschmelz- und Blutuntersuchungen konnten sie einen 5-Tages-Rhythmus bei Hausschweinen nachweisen. Er steuert den Stoffwechsel und damit auch Zellteilung und Wachstum sowie viele weitere Körperfunktionen. Die Studie hilft dabei die Entstehung der vielfältigen Säugetierwelt zu verstehen.
Das Leben aller Organismen wird von einem chronobiologischen Rhythmus bestimmt. Er steuert die Zellteilung, den Herzschlag, die Atmung, das Schlafpensum und viele weitere lebenswichtige Funktionen. Selbst Einzeller werden durch eine solche „innerer Uhr“ gelenkt. „Seit langem ist bekannt, dass es verschiedene biologische Rhythmen gibt, die alle eine Periodenlänge von etwa 24 Stunden haben“, erklärt Friedemann Schrenk vom Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt und ergänzt: „Diese ‚circadiane Rhythmik‘ erklärt aber nicht die hohe Diversität im Tierreich und die verschiedenen Geschwindigkeiten in den Lebenszyklen.“
Ein internationales Forscherteam um Schrenk stellte sich die Frage, wie Säugetiere in im Lauf der Evolution größer wurden. Dabei entdeckten sie einen neuen, mehrtägigen – „multidien“ – chronobiologischen Rhythmus. „Würde man das Gewebe einer Maus auf die Größe eines Menschen skalieren, wäre dieser Mensch nicht lebensfähig. Das Mäusegewebe ist voller Stoffwechselzellen, um den schnellen Lebenszyklus der kleinen Säuger zu ermöglichen – ein größeres Säugetier müsste Unmengen Nahrung zu sich nehmen, um seinen Organismus am Laufen zu halten. Wie also konnten in der Erdgeschichte kleine Nager zu riesigen Tieren werden?“, fasst Bromage, ein Mitglied des Forscherteams, die Fragestellung zusammen.
Demnach muss es einen Mechanismus geben, der die Geschwindigkeit der Zellteilung reguliert und auf diese Weise bestimmt, wie groß ein Tier werden kann. Den Beweis für diese Theorie fanden die Forscher im Zahnschmelz von Hausschweinen – in diesen kann man anhand von feinen Wachstumslinien Tagesrhythmen erkennen. „Darüber hinaus gibt es die sogenannten Retzius-Streifen – parallel zueinander verlaufende Streifen im Zahnschmelz –, die im mehrtägigen Abständen auftreten“, fügt Bromage hinzu.
Um herauszufinden, ob die Retzius-Streifen tatsächlich einen neuartigen chronobiologischen Rhythmus widerspiegeln verglichen die Forscher die Wachstumslinien an den Zähnen von 33 Schweinen mit deren Blutproben. In den Blutproben, die über einen Zeitraum von 14 Tagen gewonnen wurden, fanden sich Metabolite – Zwischenprodukte von Stoffwechselvorgängen – und kleine nicht-kodierende RNA Stücke (sncRNAs), die in einem 5tägigen Rhythmus auftraten. „Deckungsgleich mit unseren Ergebnissen an den Schweinezähnen – dort traten die Retzius-Streifen ebenfalls im 5-Tages-Abstand auf“, freut sich Schrenk und fährt fort: „Die Metabolite zeigen, dass der Rhythmus mit einem komplexen System der Körperfunktionen zusammenhängt – an erster Stelle steht hier die Zellvermehrung, eine Grundlage für das Wachstum der Tiere.“
Die Zähne weiterer Säugetiergruppen verraten, dass der neu entdeckte Rhythmus unterschiedliche Längen je nach Größe der Tiere hat – „kleine Affen haben beispielsweise kürzere Taktungen, als Menschenaffen“, ergänzt Schrenk. In einem nächsten Schritt möchte das Wissenschaftlerteam seine These durch Blutuntersuchungen weiterer Tiergruppen überprüfen.
Die Entdeckung des neuen Rhythmus könnte auch für die Medizin von Nutzen sein. Etwa, um Medikamente zu dem Zeitpunkt unserer mehrtägigen Taktung zu verabreichen, an dem sie am besten wirken.
Senkenberg-Gesellschaft, 06.01.2016
Originalpublikation:
imothy G. Bromage, Youssef Idaghdour, Rodrigo S. Lacruz, Thomas D. Crenshaw, Olexandra Ovsiy, Björn Rotter, Klaus Hoffmeier, Friedemann Schrenk (2015): The Swine Plasma Metabolome Chronicles „Many Days“ Biological Timing and Functions Linked to Growth, PLOS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0145919