Grauer Star bei Kindern: Operation sorgt für Neubildung der Augenlinse

© Petr Novák. CC BY-SA 2.5

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Durch eine schonendere Operation von Kindern mit angeborenem grauen Star ist es Forschern gelungen, eine Neubildung der Augenlinse zu induzieren. Anders als herkömmliche Verfahren schont die neue Methode die Linsenkapsel, so dass die Linsenstammzellen für eine natürliche Regeneration der entfernten Augenlinse sorgen können.

Kinder mit erblich bedingtem grauen Star werden bereits mit einer trüben Augenlinse geboren oder entwickeln kurz nach der Geburt eine Linsentrübung. Um eine normale Sehfähigkeit zu gewährleisten, muss die trübe Linse möglichst früh entfernt und durch eine Kunststofflinse ersetzt werden. Doch die herkömmlichen Operationen sind oft mit Komplikationen verbunden und die betroffenen Kinder müssen darüber hinaus eine Brille für das Sehen in der Nähe tragen, da die Kunstlinse nicht richtig akkomodieren kann.

Bei den gängigen Operationsmethoden kommt es in vielen Fällen zu einem erneuten Wachstum von Linsenzellen auf der Oberfläche der Kunstlinse. Die dabei gebildete Zellschicht stört die klare Sicht und muss entfernt werden. Diese Tatsache brachte Kang Zhang und sein Forscherteam an der University of California, in San Diego, auf die Idee, dass sich in der Linsenkapsel Stammzellen des Linsenepithels (LECs) befinden müssen, die bei einer schonenderen Behandlung wieder eine neue Linse bilden könnten.

Um ihre Hypothese zu testen untersuchten die Forscher zunächst im Tierexperiment, wo sich diese Linsenstammzellen genau befinden. Anschließend entwickelten sie eine minimalinvasive Operationsmethode, bei der, im Gegensatz zu den herkömmlichen Operationsverfahren, die Linsenkapsel weitgehend unbeschädigt bleibt. Denn diese Membran verleiht der Linse ihre Form und Funktion. Nur wenn sie intakt ist können die Linsenstammzellen eine neue funktionsfähige Linse bilden.

Bei Kaninchen, Makaken und Kindern mit angeborenem Grauem Star erwies sich die neue Methode als erfolgreich. Die Kaninchen bildeten innerhalb von zwei bis drei Monaten eine neue Linse, bei den Makaken dauerte es drei bis vier Monate und bei den Kindern war nach drei Monaten eine neue Linse vorhanden, deren Brechungsindex sich innerhalb von insgesamt acht Monaten bis zu einer normalen Stärke entwickelte.

Beim grauen Star trübt sich die Linse so stark ein, dass sie oft entfernt und durch eine Kunstlinse ersetzt werden muss. Hier ein menschliches Auge. © Rakesh Ahuja. CC BY-SA 3.0

Beim grauen Star trübt sich die Linse so stark ein, dass sie oft entfernt und durch eine Kunstlinse ersetzt werden muss. Hier ein menschliches Auge. © Rakesh Ahuja. CC BY-SA 3.0

Die von den Forschern behandelten 12 Kinder waren jünger als zwei Jahre. Als Kontrollgruppe wurden 25 Kinder auf herkömmliche Weise behandelt. Laut den Forschern traten bei der Kontrollgruppe mehr Nebenwirkungen auf, als mit dem neuen minimalinvasiven Verfahren: Die Patienten litten öfter unter Entzündungen, Grünem Star oder einer erneuten Eintrübung der Linse durch einen ungeordneten Bewuchs mit Linsenstammzellen.

Im Gegensatz zur herkömmlichen Stammzellforschung, bei der Zellen in der Petrischale gezogen und später in den Körper des Patienten transferiert werden, nutzt die Methode der Forscher um Kang Zhang die Stammzellen, die an Ort und Stelle bereits vorhanden sind. Damit vermeidet sie mögliche Risiken, wie die Übertragung von Krankheitserregern und Abstoßungsreaktionen durch das Immunsystem. Sie lässt den Traum von einer Stammzelltherapie möglich erscheinen, bei der die eigenen, im Körper bereist vorhandenen Stammzellen dazu veranlasst werden Gewebe und Organe zu regenerieren. Im Fall der Augenlinse bilden die Linsenstammzellen während unseres gesamten Lebens Linsenzellen, wobei ihre Aktivität jedoch im Alter allmählich nachlässt.

Die Forscher wollen als nächstes herausfinden, ob sich die neue Therapie auch für die Behandlung altersbedingten Grauen Stars eignet. Allerdings ist damit zu rechnen, dass eine Regeneration der Augenlinse bei älteren Patienten wesentlich länger dauern könnte, als bei den Kindern, da die Stammzellen in diesem Alter nicht mehr so aktiv sind. Bleibt abzuwarten als wie erfolgreich sich die neue Methode erweist.

Da es sich um eine operative Methode handelt, die zudem nur eine leichte Modifikation des herkömmlichen Operationsverfahrens darstellt kann sie schneller in der Praxis eingesetzt werden, als ein neu entwickeltes Medikament. Die Markteinführung eines Medikaments von der Grundlagenforschung bis zur Marktreife kann bis zu zehn Jahre dauern.

von Ute Keck

 

Originalpublikation:

Haotian Lin et al. Lens regeneration using endogenous stem cells with gain of visual function Nature (2016) doi:10.1038/nature17181

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