Zukunftsmusik: Vom Klärschlamm zum Biosprit

© public domain. Wikimedia Commons.

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Jedes Jahr fallen Milliarden von Tonnen an Klärschlamm an, die viele Kommunen vor ein gewaltiges Entsorgungsproblem stellen. Oft werden diese Schlämme in der Landwirtschaft verwertet. Doch das ist nicht unproblematisch, denn sie sind nicht selten stark mit giftigen Schwermetallen belastet. Forschern in den USA will nun ein Durchbruch bei der Umwandlung von Klärschlamm in Biosprit gelungen sein. Nach jahrelanger Tüftelei haben sie den auf Hydrothermal Liquefaction (HTL) basierenden Prozess so weit optimiert, dass eine amerikanische Firma die Lizenz erworben hat und mit 23 kanadische Kommunen den ersten Prototypen plant. Er soll 2018 in Betrieb gehen, wie das Pacific Northwest National Laboratory in den USA berichtet.

Was wie Zukunftsmusik klingt könnte tatsächlich in naher Zukunft Realität werden: Die Gewinnung von Biosprit aus Klärschlamm. Bereits in den 1920er Jahren experimentierten Forscher mit heißem Wasser und Alkali als Katalysator um aus Biomasse Erdöl zu gewinnen. Als das Thema mit der Ölkrise in den 1970er Jahren erneut aufgegriffen wurde entwickelten Forscher am Pittsburgh Energy Research Center (PERC) und später am Albany Biomass Liquefaction Experimental Facility die Hydrothermal Liquefaction, so weit dass sie immerhin 100 kg/h verarbeiten konnten. Weltweit versuchen sich verschiedenste Forschungseinrichtungen und Firmen an dieser Technik.

Mit dieser Technologie soll unter hohem Druck und hohen Temperaturen binnen Minuten das erreicht werden, wozu die Natur Millionen von Jahren gebraucht hat: Biomasse in Rohöl umzuwandeln. Forschern am Department of Energy des Pacific Northwest National Laboratory in den USA will das nun gelungen sein. Das bei dem Prozess erhaltene Material soll Rohöl ähneln, das noch etwas Wasser und Sauerstoff enthält. Es kann mit Hilfe entsprechender Verarbeitungsschritte in Diesel, Kerosin und andere Sprite weiterverarbeitet werden.

Laut den Forschern fallen in den USA täglich rund 130 Milliarden Liter Klärschlamm an. Sie könnten mit dem neuen Verfahren in jährlich 30 Millionen Barrel Rohöl umgewandelt werden. Oder anders gerechnet: Jede Person produziert im Jahr die Ausgangssubstanz für 7,6 bis 11,4 Litern Rohöl.

Für bisherige Verfahren war Klärschlamm zu feucht als Ausgangssubstanz für die Produktion von Biosprit. Der von den Forschern entwickelte Prozess erfordert kein trockenes Material mehr. Damit haben sie ein wesentliches Problem gelöst, das bisherige Verfahren zur Umwandlung von Abwasserrückständen in Bioöl zu energieintensiv und teuer machte. Die neue Technologie könnte auch dazu genutzt werden andere feuchte Biomasse in Treibstoff umzuwandeln, wie etwa Agrarabfälle.

Bei dem Verfahren wird die Biomasse in einfachere chemische Bestandteile zerlegt. Dabei werden 210 bar, etwa das Hundertfache des Druckes in einem Autoreifen ausgeübt. Danach wird das Material in einen Reaktor gegeben und auf rund 350 Grad Celsius erhitzt. Durch den Druck und die Hitze lösen sich die Zellen in verschiedene Fraktionen auf: Rohöl und eine wässrige, fetthaltige Phase.

Diese Fette erleichtern laut den Forschern die Umwandlung von festen Bestandteilen des Klärschlamms, wie etwa Toilettenpapier, erleichtern die Passage des Materials durch die Anlage und sorgen für ein hohe Qualität des Rohöls.

Neben der Rohölproduktion könnte die Hydrothermal Liquefaction den Kommunen dabei helfen Kosten zu sparen, da sie den Klärschlamm dann nicht mehr anderweitig entsorgen müssen.

Die Technologie erreicht einen hohen Umwandlungsgrad des in der Biomasse vorhandenen Kohlenstoffs: Rund 60% werden in Rohöl umgewandelt.

Die Forscher haben ihre neue Technologie an die in Utah beheimatete Genifuel Corporation lizensiert, die nun mit Metro Vancouver einem Konsortium von 23 kanadischen Kommunen in British Columbia eine Demonstrationsanlage plant.

Das Pilotprojekt soll zwischen 5,4 und 6 Millionen Euro kosten. Davon will Metro Vancouver die Hälfte selbst aufbringen und den Rest durch externe Geldgeber finanzieren. Wenn die Finanzierung steht, sollen 2017 Planung und Umsetzung erfolgen und die Ablage 2018 in Betrieb genommen werden.

Neben Rohöl können mit der Anlage auch noch weitere Produkte gewonnen werden. So können aus der fetthaltigen Phase durch Zugabe eines Katalysators andere Treibstoffe oder chemische Substanzen hergestellt werden. Eine kleine Menge fester Rückstände enthält weitere wertvolle Bestandteile, wie etwa Phosphor, der zum Düngen eingesetzt werden kann.

von Ute Keck, 4. November 2016

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