Optimierung von Impfstoffen mit entschärften Viren

Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Humanen Papillomvirus. © public domain. Wikimedia Commons

Viele Viren sind harmlos und verursachen nur milde oder gar keine Krankheiten. Manchen von ihnen wird sogar nachgesagt, dass sie unsere Evolution entscheidend beschleunigt haben. Andere dagegen sind gefürchtete Krankheitserreger. Impfstoffforscher nutzen harmlose Viren als Hilfsmittel, um unser Immunsystem gegen gefährlichere Erreger scharf zu machen. Dazu entfernen sie die krankmachenden Bestandteile der harmlosen Viren und beladen sie statt dessen mit Bruchstücken der pathogenen Krankheitserreger. Diese veränderten Viren bringen sie dann mittels Impfung in den Körper ein. So kann der Körper charakteristische Bestandteile der gefährlichen Erreger kennen lernen, ohne zu erkranken. Das Immunsystem bildet dann sogenannte Gedächtniszellen, die das Virus bei einer akuten Infektion sofort bekämpfen können. So vermitteln harmlose Viren einen Immunschutz gegen tödliche Infektionserreger.

Forscher des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig haben nun herausgefunden, dass die Stärke der Immunantwort davon abhängt, an welcher Stelle die Bruchstücke in das Trägervirus eingebaut werden. Mit Hilfe dieser Erkenntnisse lassen sich wirksamere und zugleich besser verträgliche Impfstoffe entwickeln.

Schematische Darstellung einen humanen Cytomegalievirus. © © Hannes Röst. CC BY-SA 2.5. Wikimedia Commons.

Herpes-Viren bilden eine große Familie mit mehr als 200 bekannten Mitgliedern. Neun von ihnen haben sich auf den Menschen spezialisiert und bleiben nach einer Infektion meist ein Leben lang im Körper der Infizierten. Eines dieser Viren ist das Cytomegalievirus (CMV). Rund 40 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland tragen diesen Erreger in sich. Meist bleibt er inaktiv, kann aber bei einem geschwächten Immunsystem wieder aktiv werden und Schäden an verschiedenen Organen hervorrufen. Das Immunsystems reagiert sehr stark auf diese Erreger und bildet viele gegen die Viren gerichtete T-Zellen.

Lymphozyt. © public domain.

Immunzellen, die gezielt bestimmte Bausteine des Virus erkennen können sich nach ihrer Aktivierung sogenannte Gedächtniszellen umwandeln, die bei einer erneuten Infektion sofort wieder aktiv werden können. Diese Eigenschaften machen sich Forscher zunutze, um CMV für Impfungen einzusetzen: Sie bauen in das Erbgut künstlich abgeschwächter Cytomegalieviren Genfragmente gefährlicher Viren ein und geben sie per Impfung in den Körper von Versuchstieren ein, meist Mäusen. Dort infiziert CMV Zellen, in denen es sich vermehrt. Dabei wird auch das eingebaute Genfragment des pathogenen Virus in Proteine übersetzt. Der Körper erkennt diese Proteine als fremd und bildet T-Zellen die gegen sie gerichtet sind. Die Genfragmente des gefährlichen Virus sind dabei immer so kurz, dass sie keinerlei Schaden anrichten können. Und nicht alle von ihnen rufen eine starke Immunreaktion hervor.

„Was dazu führt, dass manche Sequenzen eines Proteins eine starke Immunantwort auslösen, andere aber nicht, war bislang nicht genau bekannt“, sagt Luka Cicin-Sain, der am HZI die Arbeitsgruppe „Immunalterung und chronische Infektionen“ leitet. Um das Rätsel zu lösen hat das Team um Cicin-Sain das Herpes simplex-Virus, welches unter anderem den Lippenherpes auslöst als Beispielvirus gewählt. Dazu bauten die Forscher eine Erkennungssequenz des Virus an verschiedenen Stellen eines Cytomegalievirus ein und infizierten Mäuse damit. Anschließend bestimmten sie die Stärke der Immunantwort, indem sie die gebildeten Immunzellen untersuchten. „Wir konnten feststellen, dass die Reaktion des Immunsystems auf eine Erkennungssequenz davon abhängt, wo genau im CMV diese Sequenz eingebaut ist“, sagt Cicin-Sain. Denn seine Position im CMV, entscheidet darüber in wie vielen verschiedenen Körperzellen das entsprechende Protein weiterverarbeitet und für die Bildung spezifischer Abwehrzellen genutzt wird.

Eine Art von Recycling-Maschinerie der Zellen, das sogenannte Proteasom, zerlegt Proteine in kleine Fragmente, damit diese dem Aufbau neuer Proteine dienen können. Unser Körper verfügt über zwei verschiedene Versionen dieser Maschinerie: Eine universelle Form kommt in allen unseren Zellen vor. Wogegen Immunzellen eine an ihre Aufgaben speziell angepasste Variante besitzen. Auch die Proteine von Krankheitserregern werden von dieser Recycling-Maschinerie zerstückelt. Die kurzen Fragmente werden von den jeweiligen Zellen an deren Oberfläche präsentiert und können dort von Abwehrzellen als fremd erkannt werden. Die Immunzellen, die diese Strukturen erkennen bilden in der Folge Gedächtniszellen aus, die bei einem erneuten Eindringen der Erreger aktiviert werden.. „Wir konnten in unseren Experimenten zeigen, dass je nach Position im CMV die eingebaute Sequenz entweder nur von der Recycling-Maschinerie der Immunzellen oder von beiden Maschinerien erkannt wurde“, sagt Cicin-Sain. „Im zweiten Fall entstehen einfach viel mehr Proteinfragmente, wodurch das Immunsystem auch viel mehr spezifische T-Zellen bilden kann.“

Trifft eine unreife T-Zelle auf eine Antigen-präsentierende Zelle, die zu ihr passt, so wird sie zur Reifung aktiviert und bildet sich entweder zu einer cytotoxischen T-Zelle (rechts), die Zellen, die das jeweilige Antigen präsentieren zerstören kann. Oder sie bildet sich zu einer reifen Helfer T-Zelle aus, die passende B-Zellen dazu veranlassen kann Antikörper zu bilden, welche gegen das von ihr erkannte Antigen gerichtet sind (links). © Sjef. CC BY-SA 3.0. Wikimedia Commons.

In einem nächsten Schritt wollten die Forscher wissen, ob die so verstärkte Abwehrreaktion tatsächlich die Wirkung einer Impfung verbessert. Diese Frage klärten sie am Beispiel des Gebärmutterhalskrebses: Diese Krebsart wird durch Humane Papillomviren ausgelöst, gegen die bereits eine Impfung existiert. Die Forscher bauten bestimmte Genabschnitte der Humanen Papillomviren an verschiedene Stellen von CMV ein und impften Mäuse mit diesen Konstrukten. Einige Monate nach der Impfung infizierten sie die Mäuse mit Zellen des Gebärmutterhalskrebses. Dabei bestätigten sich die bisherigen Ergebnisse: Mäuse, die mit dem CMV-Konstrukt geimpft wurden, das sowohl in normalen Zellen, als auch in Immunzellen verarbeitet werden konnte und daher die meisten Abwehrzellen entstehen ließ, konnten alle Tumorzellen beseitigen – die Tiere blieben gesund. „Die Ergebnisse zeigen, dass CMV als Transporter bei Impfungen gut geeignet ist und wir wissen nun auch, wie wir die beste Wirksamkeit erzielen können“, sagt Luka Cicin-Sain. „In der klinischen Anwendung ist diese Methode in Europa allerdings noch nicht zugelassen, da weitere Studien zur Absicherung notwendig sind.“

Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung, 16. Dezember 2016

Originalpublikation:
I. Dekhtiarenko, R.B. Ratts, R. Blatnik, L.N. Lee, S. Fischer, L. Borkner, J.D. Oduro, T.F. Marandu, S. Hoppe, Z. Ruzsics, J.K. Sonnemann, M. Mansouri, C. Meyer, N.A.W. Lemmermann, R. Holtappels, R. Arens, P. Klenerman, K. Früh, M.J. Reddehase, A.B. Riemer, and L.Cicin-Sain. Peptide processing is critical for T-cell memory inflation and may be optimized to improve immune protection by CMV-based vaccine vectors:  PLOS Pathogens, 2016; DOI: 10.1371/journal.ppat.1006072

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