Multiresistente Staphylokokken zählen zu den gefürchtetsten pathogenen Keimen in Krankenhäusern, da sie mit herkömmlichen Antibiotika nicht mehr behandelt werden können. Wissenschaftlern ist es nun gelungen zwei Substanzen aus Bodenbakterien zu isolieren, mit denen die Krankheitserreger sehr effektiv bekämpft werden können. Damit legen die Forscher die Grundlage für die Herstellung neuer Medikamente.
Staphylococcus aureus ist der häufigste Verursacher von Krankenhausinfektionen in Deutschland. Beim Menschen kann der Erreger Wundinfektionen, Atemwegsentzündungen und Harnwegsinfektionen hervorrufen. Da das Bakterium gegen eine Vielzahl von Antibiotika resistent ist, wird es auch als multiresistenter oder methicillin-resistenter Staphylococcus aureus – kurz MRSA – bezeichnet. Die Krankheitserreger sind mit vorhandenen Medikamenten kaum noch oder gar nicht mehr in den Griff zu bekommen. Deswegen müssen neue Wirkstoffe gefunden werden, um die gefährlichen Keime zu bekämpfen. „Neue Antibiotika zu finden ist allerdings schwierig, da sie viele verschiedene Qualitäten mitbringen müssen“, erklärt Rolf Müller vom Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung im Saarland.
Rolf Müller und sein Team haben nun eine neue Substanz in einem Myxobakterium gefunden, die hochwirksam gegen diese multiresistenten Keime ist. „Wir konnten zeigen, dass Disciformycin A und B hochaktiv gegen resistente Staphylokokken und andere Erreger sind. Außerdem konnten wir nachweisen, dass keine Kreuzresistenz gegenüber anderen eingesetzten Antibiotika vorliegt“, sagt Müller. „Sie wirken also nicht genauso wie bereits bekannte Antibiotika.“ Das neu entdeckte Antibiotikum wirkt gegen grampositive Bakterien. ohne menschlichen oder tierischen Zelle zu schaden. „Es besitzt damit eine hohe potentielle therapeutische Breite“, so Markus Nett vom Hans-Knöll-Institut (HKI) in Jena, dessen Arbeitsgruppe eine sehr ähnliche Substanz entdeckt hat.
Bevor die gefundenen Substanzen jedoch zur Therapie beim Menschen eingesetzt werden können müssen noch viele Hürden genommen werden: Die Produktion der Substanzen muss optimiert werden, damit sie für weitere Versuche in genügender Menge zu Verfügung stehen. Anschließend müssen die Wirkstoffkandidaten chemisch modifiziert und auf ihre pharmazeutische Wirksamkeit überprüft werden.
Diese nächsten Schritte wollen die Forscher gemeinsam mit ihren Jenaer Kollegen durchführen. Dazu gehört auch die Anmeldung der Wirkstoffe zum Patent. Die Tatsache, dass mehrere Forscher in Deutschland gleichzeitig Moleküle mit ähnlichen Eigenschaften gefunden haben und diese intensiv erforschen, bestärkt Rolf Müller: „Das zeigt uns, dass wir auf der richtigen Spur sind und sich die Weiterentwicklung lohnt.“
Außerdem versuchen die Forscher herauszufinden, wie genau die neu entdeckten Stoffe wirken. „In diesem Bereich haben wir schon einige Fortschritte gemacht und vieles deutet bisher darauf hin, dass es sich um einen neuen Wirkmechanismus handelt“, sagt Müller. „Aber daran arbeiten wir momentan noch intensiv.“
Erst danach können die ersten Studien am Tiermodell erfolgen, die für den Einsatz als Medikament benötigt werden. Sie dienen vor allem dazu herauszufinden, wie toxisch die neuen Substanzen für den Organismus sind. „Nachfolgend muss das Molekül dann in einer Phase-I-Studie am Menschen getestet werden. Aber bis dahin ist es ein langer Weg und vermutlich wird eine Pharmafirma als Partner gefunden werden müssen“, sagt Müller.
Typischerweise dauert die Entwicklung eines neuen Medikaments von der Entdeckung eines neuen Wirkstoffs bis zur Markteinführung etwa 10 Jahre. Möglicherweise wird es jedoch nicht ganz einfach sein eine Pharmafirma für die Durchführung der klinischen Studie zu gewinnen. Denn zumindest die großen Pharmakonzerne sind nicht an der Entwicklung von Medikamenten interessiert, die vom Patienten nur kurzfristig eingenommen werden müssen. Bei diesen Medikamenten ist ihnen die Gewinnmarge zu gering. Sie setzen lieber auf Medikamente gegen chronische Volkskrankheiten, die von einer großen Zahl von Patienten über einen sehr langen Zeitraum eingenommen werden müssen oder auf besonders hochpreisige Therapien, wie etwa Medikamente gegen Krebs. So wird als Partner für die Entwicklung des neuen Antibiotikums eher eine kleinere Pharmafirma in Frage kommen, die sich auf den „Nischenmarkt“ der Keimbekämpfung spezialisiert hat.
Quelle:
Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung, 10.10.2014
Originalpublikation:
F. Surup, K. Viehrig, K.I. Mohr, J. Herrmann, R. Jansen, R. Müller. Disciformycins A and B: 12-Membered Macrolide Glycoside Antibiotics from the Myxobacterium Pyxidicoccus fallax Active against Multiresistant Staphylococci. Angewandte Chemie Int. Ed., 2014 . DOI: 10.1002/anie.201406973